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Der Weg einer Freiheit - Unstille - Massen-Review

20.06.2012

Der Weg einer Freiheit "Unstille" CoverSelten hat eine Newcomer-Band für so viel Wirbel gesorgt, wie es DER WEG EINER FREIHEIT seit ihrem Debütalbum getan haben. Und das nicht etwa, weil die Band mit ihrem Image und ihrer Musik den gemeinen Metalfan oder gar den normalen Bürger in Angst und Schrecken versetzt hätte. Nein, es sind nicht wenige Black Metaller, die sich über die Band echauffieren, weil sie es wagt, Musik zu spielen, die nichts anderes als Black Metal ist, dabei aber konsequent auf pseudo-böses Getue und Gehabe verzichtet und allein die Musik für sich sprechen lässt. Wie das auf dem zweiten Album "Unstille" gelingt, teilen Euch vier Redakteure im Massen-Review mit.

Review von: Andreas Schulz (Profil)

Warum den einfachen Weg wählen, wenn es auch einen vermeintlich komplizierten gibt? Mit "bösem" Bandnamen und sinnfreien Pseudonymen hätte man es vielleicht leichter in der "echten" Black-Metal-Szene gehabt, stattdessen gab man sich den immer noch seltsam sperrig wirkenden Bandnamen DER WEG EINER FREIHEIT und seine bürgerlichen Namen preis. Am besten macht man auch keine Bandfotos oder nur welche mit kompletter Nägel-Nieten-Corpsepaint-Montur – oder man präsentiert sich optisch als normale Jungs von nebenan. Und was ist das Ergebnis? Der ach so harte Kern der Black-Metal-Szene spricht der Band ab, echter Black Metal zu sein und verunglimpft sie, wo es nur geht. Und der scheuklappenfreie Rest? Steht angesichts der Klasse der Musik Kopf. Die Frage, ob Nikita Kamprad und seine Mitstreiter nun alles falsch oder alles richtig gemacht haben, stellt sich eigentlich nicht – und doch reißen die Diskussionen um die Band nicht ab.

Beschränkt man sich auf das, was wirklich zählt, nämlich die Musik und nichts anderes, stellt man fest, dass auch "Unstille", das zweite Album des Trios, auf ganzer Linie überzeugt. Der eingeschlagene Weg wird dabei natürlich und glücklicherweise konsequent weitergegangen. Der zumeist extrem schnell vorgetragene Black Metal (was soll es musikalisch auch sonst sein?) bekommt durch die fast schon schwebend wirkenden, bewegenden Melodien eine hypnotische Wirkung, der man sich nicht entziehen kann. Die oft sehr schwermütigen, beinahe depressiven Melodien finden ohne Umwege den Weg vom Ohr ins Herz und krallen sich dort fest, mit der Folge, dass die Gemütslage des Hörers sich der Musik anpasst. Die dazu verwendeten musikalischen Mittel (ruhige Zwischenparts kontert Raserei, die Vocals sind garstig, aber verständlich, man wagt dezente Ausflüge in Richtung Post-was-auch-immer und melodischer Death Metal) sind nicht wirklich außergewöhnlich, aber DER WEG EINER FREIHEIT verbinden all das zu ihrem eigenen, schon jetzt eigenständigen und unverkennbaren Stil. Und doch gibt es eine kleine Überraschung, denn mit "Lichtmensch" hat die Band einen Song eingespielt, der den Härtegrad mit manischer Ruppigkeit und Mut zur Disharmonie nochmals anziehen lässt. Für die Tatsache, dass man "Unstille" komplett in Eigenregie aufgenommen und produziert hat, gibt es ein Sonderlob. Dass das Album einen druckvollen, voluminösen Sound hat, der ganz und gar nicht billig rumpelt ist, spielt den Hardlinern natürlich in die Karten.

FAZIT: Der Liebhaber guter Musik, der sich nicht um Nebensächlichkeiten kümmert, erfreut sich an einem starken Album, mit dem DER WEG EINER FREIHEIT sich weiter als kreative, talentierte, intelligente, intensiv-emotionale und alles in allem authentische Band etablieren.

13 von 15 Punkten


Review von: Dr.O. (Profil)

Aha, der nächste Hype steht ins Haus, KREATOR-Mille empfiehlt explizit im Spiegel diese Kapelle als Zukunft des deutschen Extrem-Metals. Da kommt man also nicht umhin, mitzufeiern. Oder doch?

Lässt man mal die Kirche im Dorf, dann ist "Unstille" einfach ein gutes Black-Metal-Album, sehr variabel gehalten, eher druckvoll schwedisch als scheppernd norwegisch und den schwarzen Bilderrahmen mit verblassenden Jugendfotos sprengend, wie es WOLVES IN THE THRONE ROOM vorgemacht haben. Diese sind aber eher Seelenverwandte als musikalisches Vorbild, da orientiert man sich, wenn es ballert, mehr an älteren MARDUK oder neueren NEGATOR, ist insgesamt aber melodischer und, wenn es nicht ballert, sehr verspielt, gefühlvoll und düster. DER WEG EINER FREIHEIT nehmen sich viel Zeit für die einzelnen Songs und nicht immer gelingt es ihnen, den Spannungsbogen durchgehend aufrecht zu erhalten. Manchmal wäre etwas weniger auch hier mehr gewesen. Andererseits enthält "Unstille" zum Beispiel mit "Vergängnis" einen absolut fesselnden melodischen Song, der nach einem der seltenen Sprachsample in einen rasenden Mittelpart übergeht, um wieder fließend und mit folkiger Melodie zu enden, die ähnlich zu Beginn von "Zerfall" wieder aufgenommen wird. Da zeigt sich dann die Klasse der Band, die hauptsächlich an einem krankt, dem Gesang.

Es ist ein klares Manko, dass die gekeiften deutschen Texte überwiegend unverständlich, auf die Dauer sogar etwas monoton und ohne die Durchschlagskraft beispielsweise eines Nachtgarm sind. Und so erreicht mich gerade der Gesang in letzter Konsequenz nicht so, wie es eigentlich möglich wäre, was schade ist, da DER WEG EINER FREIHEIT sicher viel interessantes zu sagen haben. Und so lässt mich "Unstille" oft etwas unberührt zurück und hält mich auf Distanz zum übergroßen Gesamtkunstwerk, welches es eigentlich sein könnte.

FAZIT: "Unstille" ist zweifelsfrei ein gutes und abwechslungsreiches Black-Metal-Album geworden. "Die" Sensation ist es sicher nicht, kann aber gut mit Bands wie SEMEN DATURA oder NEGATOR mithalten, die allerdings musikalisch weniger verspielt zu Werke gehen.

11 von 15 Punkten


Review von: Joe A. (Profil)

Erstaunlich, dass über Black Metal immer noch so heiß diskutiert werden kann. Nicht nur über das Äußerliche (aus der Debatte muss ich mich ohnehin raushalten, weil ich weder mit langen, noch mit kurzen Haaren trve nordisk aussehe), sondern auch über das Wie und Warum der Musik.

Manche Leute meinen nach wie vor, dass Black Metal nur die akustische Umsetzung unglaublich christenschändender Teufelsrituale sein darf, oder Panzerdivisionen zum Krieg ruft, den Selbstmord ein bisschen trauriger macht oder zur totalen Vernichtung und Rebellion aufruft. Dabei erschien mit "Under The Sign Of The Black Mark" schon 1987 ein Album, das textlich nicht mehr in diese Schubladen passte, aber von den meisten Protagonisten der ersten und zweiten Phase für die Black Metal-Scheibe schlechthin gehalten wird. Und erstaunlich vielen war das Gewäsch von Wikingern und Walhalla auch herzlich wurscht, es ging vor allem um den darauf zu findenden "Spirit". Ein tolles, undefinierbares Wort, das immer dann benutzt wird, wenn Metallogen ausdrücken wollen, dass sie die Mucke in eine besondere Stimmung zu versetzen vermag.

Meiner Meinung nach definiert sich Black Metal aufgrund der vielen verschiedenen, akzeptierten Herangehensweisen im Wesentlichen über diese Stimmungen. Daraus folgt, dass sich die "Trueness" einer Band an der Fähigkeit, Spirit zu erzeugen, bemessen werden sollte. Und zwar schon allein auf Platte, ohne das Brimborium auf Fotos und Konzerten! Einen entsprechenden Antrag werde ich demnächst auf metalpetitionen.de einreichen. So.

DER WEG EINER FREIHEIT wissen ebenso gut um diesen Spirit und wie man ihn erzeugt wie jede andere erfolgreiche Black Metal-Band. Warum? Weil erstens jeder dieses besondere Gefühl empfinden kann und zweitens, weil hier Profis am Werk sind. Keine wütenden norwegischen Kids, die sich ihre Klanglandschaften per Trial and Error erschließen müssen, sondern Musiker, die gezielt und kalkuliert vorgehen, um die gewünschten Effekte zu erreichen. Das hört man "Unstille" auf jeden Fall an, über die Leidenschaft sagt das aber noch nichts aus.

Die Berechnung geht aber weitgehend auf. Das spukig-traurige Intro zu "Zeichen" vergrößert das halbdunkle Zimmer zur grauen Höhle, man fühlt sich seltsam körperlos, verzweifelt und doch stark, stumm schreiend... den Rest entnehme man den Lyrics, die genau in diese Kerbe hauen.

Wer sich gern in der oben beschriebenen Stimmung, zwischen härteren NOCTE OBDUCTA und melodischeren ENDSTILLE aufhält, der findet in den ersten beiden Titeln sozusagen ein Spiritual Penthouse mit allem Drum und Dran: Spannungsvoller, griffiger Aufbau mit vielen Tempowechseln, pfeilschnelle Blastpassagen mit technisch hochwertiger schlagzeugerischer Ausstattung, betörende Dur-Moll-Melodiebäder, die aber nie ausgelutscht oder schlagermäßig daherkommen und in "Lichtmensch" ein astreiner 15 Punkte-Refrain. Was das Songwriting und den klaren Sound angeht, sind das die bisher besten Beiträge von DER WEG EINER FREIHEIT. Feiner Black Metal der angenehmen Sorte. Soll man sich den Genuss wirklich von der Tatsache verderben lassen, dass diese Art Musik auch für eine breite Masse an Modefinsterheimern interessant sein dürfte?

Die restlichen zwei Drittel des Albums sind nicht anders gestrickt. Abgesehen vom ruhigen "Vergängnis", das ab der Mitte eine epische Kratzbürstigkeit entwickelt, können die anderen Titel aber nicht mit dem Eingangsdoppel mithalten. Eher stellt sich nach häufigem Hören ein gewisser Abnutzungseffekt ein. Die Teile sind gut, doch nur bisweilen sehr gut. Vor allem das Instrumental "Nachtsam" läuft beim Nebenbeihören schön rein, sobald man sich aber darauf konzentriert, bemerkt man, wie unschlüssig der Körper verharrt: headbangen, Luftschlagzeug spielen, Arme in Heldenpose recken, schunkeln? Passt irgendwie alles nicht, dazu sind die vier Akkorde unter wechselnden Rhythmen doch zu dröge. Für ein Computerspiel dagegen wären die knapp sechs Minuten spitze.

"Zu Grunde" beginnt stark und mit keifenden Vocals (die Aussprache ist allerdings stellenweise recht eigentüaaamlich) und geht in einen hymnischen Schlussteil über, der in meinen Ohren nicht richtig zündet. In den letzten zehn Minuten demonstrieren DER WEG EINER FREIHEIT mit "Zerfall" noch einmal ihren Reifungsprozess. Die Übergänge sind homogener als auf den Vorgängerscheiben, und nie hat man das Gefühl, hier einen nicht ausgearbeiteten Part aufgetischt zu bekommen. Deutsche Bands, die eine ähnliche Konstanz auf solch hohem Niveau vorweisen können, lassen sich an einer Hand abzählen.

FAZIT: Wer das ultimativ Böse sucht, sollte eher in den hinteren Regionen seines Kühlschranks nachsehen. Auf "Unstille" gibt es dagegen stimmungsvolle, dunkle Musik, handwerklich top, kompositorisch mit großem Potenzial, aber noch nicht der Wahrheit letztes Album.

11 von 15 Punkten


Review von: Chris P. (Profil)

Jüngst frugen DIE ÄRZTE auf ihrer neuen Scheibe: "Ist das noch Punkrock?", und dieselbe Frage kann man sich bezüglich DER WEG EINER FREIHEIT in abgewandelter Form ebenfalls stellen. Ist das noch Black Metal? Ist Black Metal nur Musik oder wirklich eine Ideologie und ein Lebensgefühl? Oder sind es letztendlich nur die sich manifestiert habenden, verrosteten Gedankenschemata einer Gruppierung, die auf der Suche nach ihrer Identität ihr Ich in misanthropischer, antichristlicher, satanistischer, lebensverneinender, antikosmischer und/oder nihilistischer Haltung gefunden hat?

Dass es lediglich drei unscheinbarer junger Männer, die ihrerseits Lust auf Black Metal hatten, bedurfte, damit in Internetforen unglaublich hitzige, fast erbitterte Diskussionen inklusive verbalem Amoklauf entflammten, die an Bizarrerie kaum zu übertreffen waren, hätte wohl kaum jemand vorhergesehen.

Potzblitz, da kamen Nikita Kamprad, Tobias Jaschinsky und seinerzeit noch Christian Bass doch einfach so mit ihrem 2009er selbstbetitelten Debütalbum daher und brachen mit allen denkbaren Szenekodizes. Schminkten sich nicht, verfielen nicht in Posen und stellten sich nicht mit plakativem Hass zur Schau. Umschifften inhaltlich sämtliche Klischees. So rebellierten DER WEG EINER FREIHEIT folglich ungewollt gegen die uniformierten Rebellen. Ja heiliger Waldelfenkot. 2011 rückte die EP "Agonie" nach und sorgte zwar nicht mehr für ganz so hohe Wellen der Empörung, doch der Untergang und die Verwässerung der Schwarzmetallkultur schien den Grummelfürsten der Dunkelstahlszene noch ein ganzes Stück näher gekommen zu sein. Interessant, wie größtenteils erwachsene Menschen komplett ihre Fassung verlieren können, weil sie einer Musikrichtung einen Lebensstil andichten, den deren Protagonisten womöglich nur rudimentär verfolgen. Jene Musiker der true evil frostbittenen Sorte werden sicherlich genauso ihr Erdbeertoast frühstücken, dem Töchterchen das Hello Kitty-Lätzchen umbinden (wehe, wenn nicht, denn sonst gibts bei der ARCADE FIRE hörenden Ehefrau so schnell keinen Stich mehr und Youporn muss herhalten), das Discounter-Toilettenpapier mit den eingeprägten Blümchen einkaufen, das Chili con carne mit etwas Schmand abmildern und mit Mama telefonieren.

Richtet man den Fokus auf die Musik, die das Trio auf seinem zweiten, selbst produzierten, gemischten und gemasterten Vollzeitwerk gut 46 Minuten auf die Menschheit und die armen wahren Verfechter des Black Metal loslässt, darf man feststellen, dass die Kapelle in puncto Atmosphäre, Intensität, Eigenständigkeit, Glaubwürdig-weil-Bodenständigkeit und auch Songwriting zahlreiche Bands weit hinter sich zurück lässt - selbst jahrzehntelang etablierte Acts dürften das Nachsehen haben. Und da finden wir rein zufällig auch die Verbindung zwischen Black Metal und dem eingangs erwähnten Punk in Form symbolischer Charakteristika: DER WEG EINER FREIHEIT sind im Grunde mehr Punk oder Black Metal als die ganzen Hardliner, denn sie gehen ihren eigenen, freien weg, ungeachtet ungeschriebener Gesetze, die in irgendwelchen Gehirnen mit obsoleter Software festsitzen wie inoperable Aneurysmen.

In den melodischen, zwischen rund vier und fast zwölf Minuten langen, meist epischen Nummern hält sich das Trio auch gar nicht allzu streng an die Black-Metal-Standards, sondern fährt gerne auch mal - wie am Ende von "Zerfall" - die Post-Schiene oder prügelt in Melodic Death Metal-Manier drauf los. Doch wenn es, wie meistens, in puristische (allerdings – natürlich! – viiiel zu gut produzierte) Gefilde geht, bläst die Eiswindmaschine genau so effektiv, kreischt Jaschinsky genau so emotional und giftig ins Mikro, und wenn es ruhig wird, lassen diese todtraurigen Momente eine genau so pockige Gänsehaut über den Körper huschen. Zwar ist das Endergebnis "Unstille" - wie auch die beiden Vorgängerveroffentlichungen - nicht wirklich spektakulär, doch wenn man DER WEG EINER FREIHEIT etwas nicht absprechen kann, dann sind das Talent, gutes Songwriting, Feeling und Aufrichtigkeit. Vor allem letztere Eigenschaft lässt sich am besten verwirklichen, indem man einfach man selbst bleibt und Spaß an dem hat, was man tut. Und ob man wirklich noch authentisch ist, wenn man auf lange Haare besteht (okay, Fleischmütze ist auch noch erlaubt, ausnahmsweise) und sich hinter einer Maskerade versteckt, sei mal dahingestellt. Zum Glück nennen wir uns Musikreviews.de und nicht Imagereviews.de, Szenegesetzbuch.de oder Wasdarfmanundwasdarfmannicht.de.

FAZIT: Auf "Unstille" erleben wir eine ureigene Interpretation des Black Metal, als Musik die unverkrampft und kompetent vorgetragen wird. Und darauf kommt es doch letztendlich an. 

11 von 15 Punkten

Durchschnittspunktzahl: 11,5 von 15 Punkten

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Andreas Schulz (Info)