Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Interview mit Deep Green Sunset (05.05.2009)

Deep Green Sunset

DEEP GREEN SUNSET feierten im Jahr 2008 mit dem Album “Nova°” zehnjähriges Bandbestehen. Damals wurde ein einzelner Moment zelebriert. Der Moment, der damals Gegenwart war, ist inzwischen zur Vergangenheit geworden - die Band über die letzten Monate und wie der Augenblick von damals zur Erinnerung von heute geworden ist.

Hallo, tiefgrüne Sonnenuntergänge!


Hallo.


Ha! Spätestens jetzt kann ich behaupten, höchstpersönlich mit einem Sonnenuntergang gesprochen zu haben. ;)
Zugegeben, uns Rezensenten macht es manchmal Spaß, Abstraktes zu personifizieren, das macht die ganze Angelegenheit greifbarer. Der Bandname “Deep Green Sunset” hat etwas Abstraktes oder Symbolisches an sich. Ich würde ihn spontan deuten als die (grüne) Hoffnung, mit der man in die Zukunft (den nächsten Tag, eingeleitet durch den Sonnenuntergang) blickt. Wie kam es wirklich zu diesem Namen und wie passt er zu einer Band, die “Stage Rock” spielt, der doch in erster Linie nicht zum Nachdenken anregen, sondern Spaß machen soll... oder doch nicht?


Na dann erst einmal herzlichen Glückwunsch zu dieser spirituellen Erfahrung. Es ist für uns immer wieder spannend, wenn Menschen unseren Bandnamen interpretieren und von ihren Assoziationen berichten. Klar, das ist schon ne ziemlich mystische Sache mit Sonne und Grün und so. Es würde wohl einiges hermachen, wenn wir jetzt was Intellektuelles zur Namensgeburt loslassen würden. Die Wahrheit ist aber eine andere Geschichte: Unser erster Proberaum war ein Kellerraum direkt unter einem Musikclub. Wir hatten damals noch keinen Namen, verstanden uns eher als Projekt. Jedenfalls stand plötzlich die Veranstalterin im Proberaum und gab zu verstehen, dass eine Band ausgefallen sei. So kam es zu unserem chaotischen ersten Konzert. Deep Green Sunset war das Originellste, was uns in den verbleibenden vierzig Sekunden bis zur Ansage eingefallen war. Eine Sturzgeburt sozusagen: Eine Stimmung. Kein Symbol für etwas Konkretes. Die zehn Jahre Haltbarkeit sprechen aber für den Namen. Die Genrezuweisung „Stagerock“ soll mitteilen, dass wir das was wir tun am Besten und am Liebsten von der Bühne aus tun (Basti war übrigens für Godzilla-Rock). Wir machen Rock aus Deutschland aber keinen Deutschrock. Wir sind keine Prediger, keine Plakathochhalter und keine Kunstphilosophen. Wir sind aber auch keine Halligallispaßkapelle. Wir wollen Momente sammeln und im Idealfall den Leuten vor der Bühne Momente mitgeben. Das ist unsere Authentizität. Nachdenken und Spaß sehen wir dabei nicht als Widerspruch. 

      
“Nova°” - der Titel eures letzten Albums wird in der Booklet-Einleitung als das explodierende Hier und Jetzt beschrieben. Es vermittelt nach zehn Jahren Bandgeschichte aber auch so etwas wie einen Neustart. Wolltet ihr euch von Vergangenem abstoßen und in eine neue Richtung entwickeln?


Deep Green Sunset 01Das Schöne ist, dass wir nichts müssen. Musikalische Veränderungen ergeben sich mit der Zeit. Jeder verändert seinen persönlichen Musikgeschmack, die Lebensbedingungen der Bandmitglieder wandeln sich ebenso. Wir haben uns von nichts abgestoßen. Vielmehr ist das eine fortwährende Entwicklung – es ist eben etwas anderes. Die Formulierung „explodierendes Hier und Jetzt“ gefällt mir gut. Das trifft unsere Absicht: es geht bei dem Bild der Nova° nicht um den hellen Stern, sondern um den Moment. Durch die ganze Platte ziehen sich die Motive „Zeit“ und „Entscheidung“ als roter Faden. Wir wollen nicht irgendwohin, sondern wollen eben mal genau Hier und Jetzt sein. Das ist die Idee hinter Nova°.    


Rund ein halbes Jahr ist vergangen seit der Veröffentlichung. Wie zufrieden seid ihr mit dem Ergebnis, nachdem ihr es aus einem etwas distanzierteren Blickfeld betrachtet?


Nova° war zum größten Teil eine Eigenproduktion. Uns war von Beginn an klar, dass wir in Soundbelangen Kompromisse eingehen müssen. Das für uns Entscheidende war das Songmaterial. NOVA° ist eine Rockplatte mit viel Authentizität geworden. Wir haben viel Herzblut in die Entstehung fließen lassen – und das ging nicht verloren. Wir haben nicht auf „harte Kindheit“ gemacht und verarbeiten doch Krisenerfahrungen. NOVA° ist unser drittes Album. Das Songwriting ist subtiler und wir konnten uns zum ersten mal die Zeit nehmen, unsere Ideen wirklich umzusetzen. Als Band haben wir viel gesprochen und uns auch wieder als homogene Einheit, bei allen Unterschieden, gefunden. „Endlich Raus“ – das Vorgängeralbum - war technisch gut. Mit NOVA° gehen wir in Sachen Substanz einen Schritt weiter. Man lernt ja schließlich immer weiter und wir freuen uns darauf beim nächsten Anlass alles noch ein bisschen besser zu machen. Wir sind aber mehr als zufrieden.  


Welches Feedback habt ihr in den letzten Monaten durch Presse und Fans bekommen?


Die Leute auf den Konzerten sind der wichtigste Indikator. Die Songs des neuen Albums werden super angenommen. Es gibt nichts Besseres, als wenn man von der Bühne aus hört, dass die Menschen im Publikum die neuen Texte mitsingen können. Die Unterstützer der ersten Stunde loben die Platte in den höchsten Tönen und Nova° verkauft sich gut. Die Pressefeedbacks geben uns auch Rückenwind. Ab und an könnte man den Eindruck gewinnen, dass es in Deutschland nur noch legitim ist, Metal-Core zu spielen. Konstruktive Kritiken nehmen wir wahr und an. Besonders erfreulich ist, dass die Radiosender Nova° ausgesprochen gut annehmen – das ist wichtig.

     
Es ist euch also durchaus wichtig, Reaktionen zu erhalten? Oder sagt ihr dem Rest der Welt auch manchmal: Ihr müsst es schon nehmen, wie es kommt, wir spielen unsere Musik und ihr könnt zu- oder weghören?


Alles ist in der ein oder anderen Weise wichtig. Wie oben erwähnt sind die Fans die erste Instanz. Über die Medien erreicht man aber natürlich andere potentielle Hörer und Unterstützer. Alles, was wir tun, fußt aber zuallererst auf unserer Leidenschaft für die Sache und unserer Freundschaft. Folglich müssen wir uns weder für das eine noch für das andere prostituieren.


Auf dem letzten Album gibt es elf Songs, drei davon in deutsch. Nach welchen Kriterien sucht ihr aus, in welcher Sprache ein Song geschrieben wird?


Seit es uns gibt, wird uns das immer wieder „vorgeworfen“. Es scheint so, als käme das Texten in zwei Sprachen immer als „wir können uns nicht entscheiden?!“ rüber. Aber seien wir mal ehrlich: Welche Musik hört man denn? Dinge, die uns beeinflussen und inspirieren sind doch eben sehr oft englischsprachig. Das verstecken wir nicht – englischsprachige Mucke war und ist eben ein wichtiger Einfluss. Andererseits ist Deutsch aber auch die Sprache, in der sich unser Alltag abspielt und manchmal ist es eben so, dass man Erfahrungen und Stimmungen, die man ins Songwriting einfließen lässt, besser und authentischer kommen, wenn man deutsch textet. Außerdem klingen Sprachen musikalisch unterschiedlich. Man kann den Charakter eines Songs total verändern, wenn man sich einer anderen Sprache bedient. So mancher englischsprachige Rocksong klänge ins Deutsche übersetzt wie Schlagerparade. Umgekehrt kann Deutsch auch harten Songs mehr Substanz geben. Alles in allem denken wir beim Schreiben nicht großartig darüber nach, sondern tun spontan das, auf was wir Lust haben. Wir machen eben beides – und das ist gut so.     


Die Themen unterscheiden sich stark voneinander. Von allgemeinen Lebenseinstellungen über das spezielle Rockstarleben bis zur Bierhymne “Anthem” ist so ziemlich alles dabei. Sprecht ihr aus Erfahrung?


Was das Bier angeht? Nein, wir haben nur über den Bierkonsum gelesen :)  . Ansonsten ist das alles schon irgendwie autobiografisch. Große thematische Unterschiede im Songwriting sehe ich eigentlich nicht. Wie oben erwähnt ziehen sich die Themen „Zeit“ und „Veränderung“ durch das ganze Album. Gewisse stilistische Unterschiede rühren vermutlich daher, dass die Texte aus unterschiedlichen Federn stammen. „Help Me“ ist kein Erfahrungsbericht zum Rockstarleben, sondern eine Parodie auf Unsicherheiten und Rockstargehabe.

   
Stichwort “Anthem”: Wenn ein Sonnenuntergang einen Mund hätte, welches Bier würde er am liebsten trinken?


In der Pfalz Parkbräu, im Saarland Karlsberg und im Karlsruher Proberaum (eindeutig) Rothaus... Das Kronkorkenfluppgeräusch vor Anthem stammt – dem Fachmann wird es sofort aufgefallen sein – von einer Rothausflasche. Warsteiner klingt auch gut, war uns dann aber etwas zu basslastig.


Trifft die Vermutung, dass ihr auf der Bühne wesentlich mehr Spaß habt als im Studio, zu?


Absolut! Chris steht auf Tontechnik. Es trifft aber mit Sicherheit auf alle zu, wenn man sagt, dass die Bühne den Kick bringt.


Unter all den Bands, mit denen ihr euch in den zehn Jahren eures Bestehens eine Bühne geteilt habt, welche haben euch aus musikalischer Sicht, welche menschlich am meisten beeindruckt?


Musikalisch hat uns Joe Cocker vom Hocker gehauen. Keiner von uns hatte eine Platte von ihm und wir wollten einfach die Gelegenheit wahrnehmen, vor ein paar tausend Zuschauern zu spielen. Als Joe dann auf die Bühne ging, war aber alles klar. In diesem Mann steckt so viel Power und Anziehungskraft. In seiner Gegenwart hat man gespürt, dass Woodstock noch durch seine Adern fließt. Musikalisch gesehen war auch ein Gig in Marseille mit Sinsemilia ein echtes Erlebnis. Auch die Farmerboys und die Donots bieten echt großes Kino. Menschlich haben uns die Brings imponiert. Wir wurden als Supportact eines großen Radioevents ohne Catering in einen kahlen Raum gesetzt. Der Sänger der Brings wurde sofort aktiv und organisierte uns nen Kasten Bier und den Zugang zum Buffet – so etwas bleibt in Erinnerung. Die Brings fetzen! Auf der anderen Seite durften wir schon unvergessliche Highlights in Situationen und mit Bands sammeln, wo es alles andere als erwartbar gewesen ist. Unser Fazit ist folgendes: Es gibt so viele hammermäßige Bands auf der Welt, so viele Musiker, die fair sind und Spaß haben können. Wir freuen uns auf die zukünftigen Kontakte zu solchen Menschen ebenso, wie auf das Wiedersehen mit alten Freunden.  

              
Wie geht’s weiter? Was steht im Moment auf dem Live-Plan und gibt es zu diesem frühen Zeitpunkt womöglich schon die ein oder andere Bleistift-auf-Bierdeckel-Idee für ein neues Album?


Deep Green Sunset 02Wir haben viel zu tun. Es stehen einige Konzerte an und unsere kompetenten Partner und Freunde von Seebach& Tretter Eventmanagement sind dabei unsere „so weit und weiter°“-Tour zu organisieren. Die Termine reichen bis in den Dezember. Wir genießen erst mal Nova° und die „Explosion des Hier und Jetzt“. Besonders freuen wir uns auf das FLYHIGH-FESTIVAL, das am 27.06.2009 in Battweiler stattfinden wird. Wir sind heiß darauf, mit DIE HAPPY die Sau zu rocken.

Euch alles Gute!

Danke gleichfalls!

Sascha Ganser (Info)
Alle Reviews dieser Band:
  • Deep Green Sunset - Nova° (2008)