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Interview mit NYKTOPHOBIA (10.10.2020)

NYKTOPHOBIA

Wenn sich die Gelehrten streiten, ob im Jahr 2020 Night in Gales oder doch NYKTOPHOBIA die Nase im Melodic Death Metal vorne haben, dann sagt das wohl eine Menge über die Qualität der mitreißenden Musik aus. Im nationalen Vergleich hat das Quintett jedenfalls mit seinem dritten Album "What Lasts Forever" zu den Schweden-Deathern aus Voerde ebenso wie zu den viel zu selten erwähnten Fragments of Unbecoming aufgeschlossen, und zwar in vergleichsweise kurzer Zeit. Doch auch international muss sich die Band keineswegs verstecken, denn an starken Song-Ideen, Spielfreude und Durchschlagskraft mangelt es NYKTOPHOBIA wahrlich nicht. Micha und Philipp (beide Gitarre) sowie Sänger Tomasz (der auch das Label Apostasy betreibt) freuen sich jedenfalls über die Anerkennung für ein Album, das nicht nur in musikalischer und klanglicher Hinsicht von vorne bis hinten begeistert - und für eine runde halbe Stunde die aktuellen Herausforderungen (fast) vergessen lässt.

Zunächst einmal muss ich mich wohl entschuldigen, dass ich in meiner Rezension kaum etwas Neues herausgestellt, sondern nur der Mehrzahl der Kritiken zugestimmt habe, dass Ihr da ein rundherum starkes drittes Album rausgehauen habt, das harten Melo-Death bietet, der besser abgehangen denn je und gleichzeitig absolut angriffslustig klingt. Wundert Ihr Euch über die Eintönigkeit des Presse-Echos, oder sind doch auch kritischere Stimmen zu vernehmen?

Micha: Es ist schön, dass unser Album so viel Anklang findet. Das macht einen in gewisser Weise auch stolz, weil es auch ein Zeichen dafür ist, dass sich die harte Arbeit auszahlt, die das Kreieren eines Albums mit sich bringt. Bisher sind uns tatsächlich noch nicht wirklich negative Kritiken vorgelegt worden, was schon cool für uns ist. Wir freuen uns vor allem auch, mit diesem Album noch mehr Feedback direkt von Fans bekommen zu haben und das nicht nur national, sondern vor allem international.

Trotz seiner skeptischen Fragestellung wirkt "What Lasts Forever" auf mich positiv, nahezu bekräftigend und ermutigend. Ihr klingt jedenfalls sehr souverän und kein bisschen unentschlossen, und ein Song wie "The Invocation Of Erra" hat zweifelsohne etwas Erhebendes an sich...

Micha: Es ist ohne Zweifel nicht verkehrt, zu wissen was man will. Das spiegelt sich dann in der Musik wieder. Wir verfolgen dabei aber kein bestimmtes Ziel, sondern lassen uns einfach vom Gefühl leiten.

Eure Songs klingen derweil kompakt wie nur was und so konsequent arrangiert, dass sie zumindest Fans des Genres gleich beim ersten Hören abholen und in die dichte Musik eintauchen lassen. Wie ist Euch das gelungen? Hält da einer von Euch quasi die Strippen in der Hand und sagt im Zweifelsfall, wo es kompositorisch und spielerisch langgeht, um solche Kracher zu verwirklichen?

Tomasz: Michael schreibt die Songs im Ganzen, Christian arbeitet die Drums aus und Phillip ergänzt das Ganze mit seinen Texten. Wenn nicht jeder seinen Teil dazu geben würde, so wie es bei uns ist, würde es wohl nicht so klingen wie es klingt. Es wird nicht gezielt darauf hingeschrieben, wie lange ein Song am Ende sein soll. Um es einfach auszudrücken: Wenn fertig, dann fertig!

"The Appearance Of The Seven Suns" erinnert mich an eine Zeit, in der ich mich ein ums andere Mal in den mitreißenden Klängen von "Lunar Strain" verlor, und solche Erinnerung ist bei mir immer auch von Wehmut begleitet, weil der Metal-Bruder, der mir damals diesen Kracher auf Tape kopierte und zuschickte, schon lange nicht mehr unter uns weilt. Als ich kürzlich einen neuen In-Flames-Song hörte, musste ich feststellen, dass mich deren Musik einfach gar nicht mehr erreicht, während Eure Melodien mich sofort packen. Geht Euch das bei anderen Bands ähnlich, und begreift Ihr Eure Musik auch als Frischzellenkur für Nostalgiker?

Micha: Jeder hat irgendwo im Laufe der Jahre seine Einflüsse und Erfahrungen gesammelt. Bei mir ist es zum Beispiel so, dass mich neue Musik nicht mehr so oft vom Hocker haut, wie es damals in meiner Jugend war. Vielleicht macht jeder im Laufe seines Lebens diese Erfahrung. Was jetzt wem wie gut gefällt, muss jeder am Ende dann doch selbst entscheiden. Für manche sind es die alten Meisterwerke und für andere neue Platten.

Ihr habt "What Lasts Forever" im Fascination Street Studio mischen und mastern lassen. Ich kann ja nur ahnen, was der Mensch hinter den Reglern Euch auf diesen Job zurückgemeldet hat, doch ich nehme an, dass es ein guter Grund war, ein feistes Grinsen aufzusetzen und das eine oder andere Bier zu verhaften...?

Micha: Wir wollten uns mit dem neuen Album auf jeden Fall steigern und beim Sound keine Kompromisse eingehen. Bereits der erste Testmix hat gezeigt, dass Fascination Street die richtige Wahl war und wir sind wirklich sehr zufrieden mit dem Ergebnis von Jens Bogren und Linus Corneliusson.

Nun bin ich ja bei Weitem nicht der Einzige, der beim Anblick des Cover-Artworks für "What Lasts Forever" so etwas in seinen Bart brabbelte wie "das ist ja noch mal erhabener als das bereits prächtige Bild, das 'Fate Of Atlantis' zierte". Es scheint Euch wichtig zu sein, auch auf dieser Ebene noch mal eine Schüppe draufzulegen, wobei ich mich schon frage, wie das noch zu toppen sein soll?

Phillip: Zwangsläufig vergleicht man das neue Artwork mit den vorherigen beiden. Daher war unser Wunsch, mit dem Cover zumindest gleichzuziehen. Alternativ hätten wir stilistisch in eine völlig andere Richtung gehen müssen, um einem Vergleich auszuweichen, was aber keine Option war. Der Stil, den wir zum Glück seit Beginn gefunden haben, passt zur Musik und das, obwohl wir bei jedem Album mit jeweils einem anderen Künstler zusammen gearbeitet haben. Aber sicherlich wird es bei Album Nummer vier nochmals eine Spur schwieriger, ein Motiv zu finden.

Es wäre naheliegend und wohl nicht ganz unpraktisch, wenn Tomasz NYKTOPHOBIA auf seinem Label Apostasy Records veröffentlichen würde, doch auch Album Numero drei erscheint einmal mehr ziemlich unabhängig davon. Macht das wirklich noch Sinn, denn "schlechter" als die grandios auftrumpfenden Night in Gales oder die unbestechlichen Fragments of Unbecoming seid Ihr ja nun kaum...?

Micha: Der Sinn dabei ist, unabhängig zu sein und nicht unsere hart erarbeitete Musik in die Mühlen der Industrie zu schmeißen. Wir haben die Möglichkeit, alles alleine zu stemmen. Solange uns niemand eines Besseren belehren kann, werden wir diesen Weg auch weiterhin gehen. Hier geht es nicht um Profit oder sonstiges, sondern nur um die Liebe zur Musik.

Tomasz: Es geht weniger um das "schlechter", sondern vielmehr darum, dass ich Band und Label gerne von einander trennen will. Musikalisch würde es natürlich gut zu Apostasy Records passen. Wir können die Netzwerke (physischer und digitaler Vertrieb) aber auch unabhängig von einem Deal nutzen, daher sind wir auch als Eigenveröffentlichung bestens aufgestellt. Der einzige Nachteil ist, dass man natürlich anders wahrgenommen wird und für viele ein Label auch ein Qualitätsmerkmal für die Musik einer Band ist – das bezieht sich nicht nur auf Veranstalter und Presse.

Mit meinem neben meinem Beruf betriebenen Label würde ich NYKTOPHOBIA kein Angebot unterbreiten, weil ich davon ausgehe, dass Tomasz prinzipiell einfach mehr Zeit, Power und Potential mit Apostasy hat und zudem super in der Szene vernetzt ist. Bekommt Ihr mittlerweile trotzdem Angebote von anderen, größeren Labels, die für Euch interessant sind?

Micha: Bisher standen keine Anfragen von größeren Labels vor unserer Tür. Wir sind auch nicht aktiv auf der Suche und sind mit dem zufrieden, was wir haben, da so alles in unseren Händen liegt.

Ihr wart u.a. für das PartySan gebucht und veröffentlicht nun das - wie es früher mal hieß - entscheidende dritte Album in einer Zeit großer Unsicherheit. Auch in unserer Szene werden kleine und große Pläne zunichte gemacht, und sogar Existenzen sind auf verschiedenen Seiten vom Konzertausfall gefährdet. Wie nehmt Ihr das als vergleichsweise "kleine" Band wahr, die von der Musik nicht leben muss, und wie reagiert Ihr individuell auf die neuen Herausforderungen und die Hilferufe aus der Szene und Veranstaltungsbranche?

Micha: Natürlich ist es eine schwere Zeit für die Musikwelt. Jeder muss das Beste daraus machen. Jetzt heißt es durch- und zusammenhalten - auf das es eine schnelle und verantwortungsbewusste Lösung für diese Situation gibt.

Tomasz: Als kleine Band, dazu auch noch ohne vertragliche Verpflichtungen, wirkt sich das bei uns natürlich überwiegend auf die Live-Situation aus, oder im Zuge des Albums jetzt auch bei der Planung von Bandfotos, oder Videos. Mir fällt es schwer, bei der Gesamtsituation einen Anfang zu finden, ohne am Ende in einem Roman zu enden, der das ganze Interview vereinnahmt. Durch die Arbeit im Musikbusiness bekomme ich einen sehr tiefen Einblick in alle Facetten der Probleme, egal ob Musiker / Bands, Veranstaltungsbranche, Plattenfirmen etc. - eine "Lösung" gibt es hier noch nicht. Wie Micha schon schreibt, ist es vor allem wichtig, dass die Leute zusammenhalten. In den meisten Fällen passiert das auch.

In der letzten Ausgabe meines Fanzines habe ich die Veröffentlichungspolitik bestimmter Labels und Vertriebe aufs Korn genommen, die Metal-Alben in Sonder-Editionen zusammen mit Plastik-Spielzeug für lächerlich hohe Preise verkaufen und damit vor allem wohl jüngeren Fans die Kohle aus der Tasche ziehen wollen, die z.B. in Alben von Euch oder Night in Gales wesentlich sinnvoller investiert wäre. Wie beobachtet Ihr solche Entwicklungen und gibt es Gimmicks, für die Ihr Euch im Zusammenhang mit Metal erwärmen könnt?

Micha: Jeder muss für sich selbst entscheiden, was er mit seinem Geld macht. Wenn jemand meint, er muss eine Kuchenplatte seiner Band veröffentlichen, kann er das gerne tun. Für uns ist das aber nichts. Wir beschränken uns auf das Wesentliche - was wirklich zählt: Die Musik.

Tomasz: Die Intention liegt nicht darin, bewusst irgendwelchen jüngeren Fans die Kohle aus der Tasche zu ziehen als vielmehr einfach solche Sammler-Editionen zusätzlich zu den regulären Editionen anzubieten, weil die Nachfrage da ist. Manchmal kommen dabei auch wertige und wirklich schöne Sammlerstücke bei rum. Rein subjektiv stehe ich persönlich mehr auf wertige Boxen (z.B. aus Holz, bei Karton und Metall bin ich meistens raus, außer die Veredelung macht was her), als auf irgendwelche Figuren oder Objekte, aber das ist wie immer Geschmackssache.

2015 habt Ihr NYKTOPHOBIA ins Leben gerufen, mit dem dritten Album legt Ihr fünf Jahre später einen gefeierten Kracher vor. Wenn Ihr Euch als Bands etwas wünschen dürftet, wie sähe dann die weitere Reise bis 2025 aus?

Micha: Dass sich das Leben wieder normalisiert und wir endlich mit unserem neuen Album die Bühnen rocken können. Das wäre schon mal was für den Anfang. Alles andere lassen wir einfach mal auf uns zukommen.

Danke für Eure Zeit, alles Gute und ich hoffe, Euch mal live zu sehen!

Vielen Dank für das Interview und bleibt gesund in dieser verrückten Zeit.

Thor Joakimsson (Info)
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