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Interview mit Ensiferum (30.10.2009)

Ensiferum
Kurz vor dem Ende der Europatour zu ihrem aktuellen Album „From Afar“, erhielt musikreviews.de eine Audienz bei den Königen der Wikinger ENSIFERUM. Durch ein kleines Missverständnis zwar eine Stunde später als vereinbart, aber als Entschädigung gabs ein Bier. Auf die Frage des Tourmanagers „Willst du bei dem Interview dabei sein?“ antwortete Gitarrist und Kopf der Band Markus Toivonen mit einem schüchternen „No…“ und überließ die Angelegenheit alleinig dem Bassisten Sami Hinkka. Mit ihm entwickelte sich eine gemütliche Unterhaltung über Depressionen, Jugendsünden, Muttergefühle und natürlich das aktuelle Album „From Afar“.
 
ensiferum sami hinkka
Hi, ich bin Sami. Nett dich kennezulernen. Entschuldige bitte die Verspätung. Ich dachte, das Interview wäre erst jetzt um acht. Ich war grad mit Markus noch ein wenig shoppen und habe gesehen, dass es eine neue DVD von DARK TRANQUILITY gibt. Ich hab mir gedacht, die muss ich unbedingt haben, aber ich hatte leider kein Bargeld dabei (lacht)…

Schon in Ordnung.
Du siehst eigentlich so aus, als würde es dir gut gehen. Ich meine, das ist doch eine der letzten Auftritte eurer diesjährigen Europatournee. Ist es also gut gegangen bisher?

Ja, es ist gut verlaufen. Vor allem Deutschland ist wie ein zweites Zuhause für uns.

Für TRACEDAWN ist dies die erste wirklich große Tour. Spielt ihr für sie eine Art elterliche Rolle?

(lacht heftig) Nein!

Okay, also sind sie schon genug Profi für so etwas.

Naja, wir unterrichten sie streng (lacht). Aber ich muss sagen, dass sie, obwohl sie erst alle so um die 19 Jahre alt sind, um einiges professioneller sind als zum Beispiel ich selbst in diesem Alter war. Natürlich müssen sie noch sehr viel lernen, aber das wird schon.

TRACEDAWN und METSATÖLL kommen ja wie ihr auch aus dem hohen Norden, und es gibt davon noch so viele mehr. Warum, glaubst du, kommen so viele Metalbands aus Skandinavien und Finnland?

Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Also, ich bekomme diese Frage fast täglich gestellt…

…liegt es vielleicht an dem deprimierenden Klima? Naja, ich finde, du wirkst nicht gerade deprimiert…

(lacht) Nein, das bin ich wirklich nicht. Aber das ist auch das, was eine Freundin aus Deutschland dachte. Sie war sich absolut sicher, dass das ganze High-Tech-Zeugs wie Nokia und die vielen Bands aus Finnland daher kommen, dass das Wetter so scheiße ist, dass die Leute dort nichts anderes zu tun haben als drinnen zu sitzen und Sachen zu erfinden. Aber da kann ich nicht zustimmen (lacht). Ich liebe das finnische Klima. Natürlich ist es nicht so toll, wenn es aus Kübeln schüttet, aber das ist wohl überall so.

Mit welchem Album kamst du denn zum Metal?

(lacht) Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter mit einer Kassette von HANOI ROCKS zu mir kam.

…Ach, die mit ihrem rosanen Saxophon…

Ja, genau, irgendsowas in der Art (lacht)! Aber mein erstes eigenes Album war wahrscheinlich was von IRON MAIDEN – vermutlich „Killers“, aber so genau weiß ich das nicht mehr.

Okay, und wie hast du deine Jugend verbracht?

Ich?  Wie normale Kinder eigentlich. Also, ich habe angefangen Bass zu spielen, als ich elf war. Und dann habe ich in vielen verschiedenen Bands gespielt. Und das war eigentlich schon meine Jugend.

Hattest du jemals das Verlangen, Gitarrist zu sein?

Nein (lacht)! Ich habe zwar auch Gitarren, aber ich komponiere normalerweise auf dem Bass. Deswegen habe ich jetzt auch einen Siebensaiter, damit ich besser Melodien spielen kann.
 
Ich bin mir sicher, du erinnerst dich noch an die derben Anschuldigungen während des „Paganfest 2008“.

Ach, du meinst das Antifa-Zeugs?

Ja, genau. Gab es da wieder irgendetwas in der Art?

Nein. Diese Anschuldigungen waren sowieso nicht an uns gerichtet, sondern an TYR und MOONSORROW, weil die diese Runen in ihren Logos haben. Aber, nein, das gab es nicht wieder. Was ohnehin nicht so sein sollte, weil wir oder die anderen nichts damit zu tun haben. Keine Politik, keine Religion, was auch immer. Wir sind keine Rassisten oder so ein Dreck.

Das dürfte klar sein.
Du bist seit 2004 ein Mitglied von ENSIFERUM. Wie hast du das angestellt?

(lacht) Ich denke, es fing alles damit an, als ich mit meiner alten Band RAPTURE das dritte Album aufgenommen habe. Und Markus [Toivonen] arbeitete damals für „Spinefarm Records“ und fuhr mich und Samuel [Ruotsalainen], dem Schalgzeuger, zum Studio. So, und ich dachte mir „Na gut, ich muss morgen nichts aufnehmen, weil Samuel die Drums machen wird.“ Und ich fragte Markus, ob er mitkommen wolle. Ja und dort haben wir dann rausgefunden, dass wir sehr viel gemeinsam haben, vor allem Bands, die wir beide mögen. Ein paar Monate später rief er mich total betrunken an und meinte „Hey, wir brauchen möglicherweise einen Bassisten. Willst du vorbeikommen?“ Ich dachte mir, ich versuchs mal, und, tja, hier bin ich nun.

Cool!
Lass uns mal zu eurem neuen Album gehen. Wie habt ihr es – oder wahrscheinlich hauptsächlich Markus – komponiert?
ensiferum from afar
Wir hatten schon ein paar Ideen, zum Beispiel die Strophenmelodie von „Twilight Tavern“. Naja, wir hatten schon paar Sachen, die nach den Aufnahmen zu „Victory Songs“ noch keine fertigen Songs waren. Also wir hatten schon einen Anstoß, womit wir anfangen konnten. Wir komponieren auch sehr viel auf Tour. Zum Beispiel machten wir letztes Jahr eine Tour mit AMON AMARTH in Nordamerika, wo wir beinahe jeden Abend komponiert haben. Nach den Gigs sind wir sofort in die Backlounge geflitzt. Wir haben uns so kleine Reisegitarren gekauft und haben irgendwelches Zeugs mit unseren Handys aufgenommen und so weiter (lacht). Und nachdem wir von dieser Tour nach Hause gekommen waren, sind wir jeden Morgen in den Proberaum und blieben dort immer so ungefähr acht Stunden. Wir konzentrierten uns völlig aufs Songwriting und arbeiteten mit den Ideen. Aber Markus ist natürlich wieder hauptsächlich der Songwriter des Albums. Ich und Pete [Lindroos] haben manchmal auch ein paar Einfälle.

 
Habt ihr noch ein paar Sachen für ein mögliches neues Album übrig?

Ja, wir haben sogar zwei komplette Songs! Das nächste Album kommt also hoffentlich sehr bald. 2011 wäre nett.

Ich finde, die Songs wirken immer sehr verspielt. Ist das Absicht oder liegt das an euren Persönlichkeiten, die ihr in den Songs nicht unterdrücken könnt?

(lacht) Ich denke, das liegt an unseren Persönlichkeiten.

Persönlich mag ich den Frauenchor in „Twilight Tavern“ sehr gern. Wer von euch hatte die Idee dazu?

Das war ich, weil ich die Lyrics zu „Twilight Tavern“ geschrieben habe. Als wir eine Demoversion des Songs aufgenommen hatten, sagte ich „Okay, dafür muss ein Frauenchor her!“ Und die anderen dachten sich alle „Was zur Hölle…?“, aber ich meinte „Lest euch doch die Lyrics durch, das sind eindeutig Walküren! Das dürfen keine Männer sein!“ Ich wollte einen sehr stolzen Frauenchor dafür haben und es stellte sich als sehr gut heraus. Mir gefällt es sehr gut.

Das ist es auch!
Obwohl das schon euer fünftes Studioalbum ist…

Ist es das?! Woah!

Na gut, wenn man „Dragonheads“ dazuzählt. Also, sagen wir das viereinhalbste…

Viereinhalb, einverstanden (lacht)!

Ok, obwohl das schon euer viereinhalbstes Studioalbum ist, kann ich trotzdem noch keinen Qualitätsverlust erkennen, ganz im Gegenteil. Liegt das einfach nur an Markus The Great oder gibt es da noch etwas anderes?

Ja, es ist wirklich nur Markus The Great (lacht). Er ist Herz und Seele von ENSIFERUM. Weißt du, jeder einzelne Song, jede einzelne Note ist genauestens durchdacht. Er probiert mit uns alle Möglichkeiten durch, wenn es um die Melodien und Refrains geht. Und so kann eigentlich nichts Beschissenes auf ein Album kommen. Er ist wirklich ein Perfektionist – genau wir Jari [Mäenpää, WINTERSUN]. Du kannst dir also vorstellen, wie es gewesen sein musste, als sie beide noch in der gleichen Band waren. Du weißt ja, dass er an „Time“ schon seit vielen Jahren arbeitet.

Was denkst du über Jari und sein derzeitiges Projekt?

Jari ist ein sehr netter Kerl und ich wünsche ihm alles Gute. Und ich hoffe wirklich, dass er irgendwann den Punkt findet, an dem er sagen kann „Ok, das ist es. Jetzt ist es fertig!“
Er ist der größte Perfektionist, den ich jemals kennengelernt habe. Ich hoffe wirklich, dass er das bald hinbekommt und dann wäre es cool, wenn wir zusammen auf Tour gehen können. Darüber haben wir schon oft gesprochen, auch mit Kai Hahto [WINTERSUN]. Das letzte Mal, als wir im Studio waren, stand uns Kai als Schlagzeugtechniker bei, der uns das Schalgzeug getunt hat und so Zeugs. Da haben wir auch noch mal drüber gesprochen, dass wir irgendwann mal zusammen auf Tour gehen. Warum auch nicht? Das sind sehr nette Menschen und es wäre bestimmt auch sehr interessant für die Fans, denke ich.

Nächsten Monat geht ihr aber erstmal auf Tour in den Vereinigten Staaten...

Genau. Am Sonntag kommen wir endlich nach Hause und am Donnerstagmorgen gehen wir schon wieder los, um weitere vier Wochen im Tourbus zu verbringen – mit HYPOCRISY.

Und wie sieht es mittlerweile mit eurer Popularität in den USA aus?

Besser als ich jemals erwartet hätte. 2007 hatten wir sechs Shows in Osten von Kanada, bevor überhaupt ein einziges Album von uns dort offiziell veröffentlicht war. Jede Scheibe musste dort importiert werden. Aber fünf oder sogar alle sechs Gigs waren total ausverkauft, obwohl dort noch keines unserer Alben veröffentlicht war. Wir hatten also wirklich schon eine große Fangemeinde dort, obwohl wir noch nie eine Show dort gehabt hatten. Nordamerika hat uns also schon sehr gut getan, weswegen wir uns wirklich auf den nächsten Monat freuen. Vor allem mit HYPOCRISY, die sind eine Legende! Und es fühlt sich ganz schön eigenartig an, dass die uns supporten. Aber wir sind alle Menschen, also das wird schon (lacht).

Sag mal, woher kommt eigentlich das Interesse für diese Kriegshymnen und Schlachtenmärsche? Gibt es da irgendeinen Hintergrund dafür?

ensiferum band
(lange Pause, seufzt) Ich habe keine Ahnung. Ich denke,… Keine Ahnung… (lacht) Ich würde sagen, wir sind einfach tief in unserem Inneren immer noch kleine Jungen, die diese ganze Heldenzeugs mögen wie Conan der Barbar und dieser Mist (lacht). Und natürlich interessieren wir uns auch für nordische Mythen und Kultur. Ich denke, das könnte das Geheimnis sein. Aber dazu solltest du eher Markus fragen, denn er war es schließlich, der die Band gegründet hat, als er sechzehn war. In diesem Alter nimmt man die Sachen wahrscheinlich nicht so ernst sondern will einfach nur Musik machen mit Leuten, die man gerne mag. Und so will ich es immer noch sehen: loslassen von dem ganzen Businesskram und einfach das Leben genießen, mit Freunden Spaß haben und Musik machen, die wir mögen. Wir sind privilegiert, in so einer Situation zu sein – ich bin sehr geehrt und glücklich darüber, allerdings war es auch ein harter Weg. Zum Beispiel habe ich meinen eigentlichen Job erst Anfang des Jahres aufgegeben.

Wirklich? Als was hast du gearbeitet?

Ich war Erzieher in einem Kindergarten. Selbst Markus hat seinen Job erst vor ungefähr einem Jahr verlassen. Hoffentlich waren das die richtigen Entscheidungen. Ich meine, es war schon immer sehr stressig, wenn man am Wochenende einen Gig hatte und dann am Montag darauf nicht arbeiten konnte und so weiter. Tja, so ist das eben…

Okay, vielen Dank für deine Zeit und das tolle Gespräch. Viel Erfolg mit eurer Tour in den USA!

Vielen Dank! Und ich bitte nochmals zutiefst um Entschuldigung für die Verspätung, aber dafür hast du ja ein Bier bekommen (lacht). Machs gut!

Henning Seidt (Info)
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