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Devin Townsend Project - Epicloud - Massen-Review

23.09.2012

Devin Townsend Project "Epicloud" CoverSchon wieder eine neue Platte vom DEVIN TOWNSEND PROJECT? So lange sind "Deconstruction" und "Ghost" doch noch gar nicht her. Der gute Devin ist eben das, was man einen Workaholic nennt. Ein Visionär, ein Querdenker, ein Grenzenloser, ein Künstler, im wahrsten Sinne des Wortes. Klar, dass wir sein neues Werk, getauft auf den Namen "Epicloud" da auch wieder genauer unter die Lupe nehmen und versuchen, zu verstehen, was Devin uns dieses Mal sagen will. Sein Ziel war es, ein optimistisches Album aufzunehmen, womit wir Berufspessimisten aber offenbar ein kleines Problem haben. Oder anders gesagt: kollektive Begeisterung löst "Epicloud" nun nicht gerade aus.

Review von: Andreas Schiffmann (Profil)

Als einer der wichtigsten Impulsgeber für zeitgenössische Musik welches Genres auch immer wird DEVIN TOWNSEND nicht erst seit gestern ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zuteil, die er mehr als verdient. Dass er auch mit "Epicloud" beim Gros der Kritiker und Fans gut abschneiden wird, ändert nichts daran: Das Album liefert keine neuen Erkenntnisse zum Künstler selbst, was mit Hinblick auf die Unmöglichkeit, ständig innovativ zu sein, nicht weiter schlimm wäre – hätte er gute, spannende Lieder geschrieben.

Dass DEVIN gerne swingt, wissen wir frühestens seit "Bad Devil" und spätestens seinem Sinatra-Cover, gleichfalls dass er stampfenden Bombast mag, den er diesmal mit "True North" oder dem offensichtlichen Hit "Lucky Animals" hochhält. Ferner hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass der Tausendsassa bis zu einem gewissen Grad mit sich und der Welt ins Reine gekommen ist, was heuer speziell "Where We Belong" und generell die auffallend im Vordergrund stehenden Gesangsharmonien belegen. Dies beginnt schon mit dem Intro "Effervescent", einer modernen Ode an die Freude im Gewand eines Gospels, und genau hier liegt der Hund begraben.

Beraubt man die Tracks nämlich ihrer Opulenz, ertappt man den Kanadier auf kompositorisch und inhaltlich dünnem Eis. Übrig bleiben oftmals erschreckend plumpe Melodien und leicht durchschaubare Songstrukturen. "Divine" ist textlich trivial, als Ballade minimalistisch wie ein Wiegenlied ausgefallen – und wer hört so etwas außer kleinen Kindern? "More!" will schmissiger Rock sein, hat aber einen Stock im Arsch und wird im Kern vom Produktionsfett erdrückt. Dazu passen punkig elektronische Egal-Heaviness wie "Liberation" oder der ebenfalls synthetische Indie-Popper "Save Our Now", den selbst Geheimwaffe Anneke nicht aus dem Mittelmaß reißen kann.

"Grace" ist bloßes Stakkato mit Chören ohne eigentliche Idee, "Kingdom" ein völlig unnötiger Rückgriff auf das angeblich schlecht klingende Album "Physicist", und allein das schwebende "Hold On" zeigt einen stimmigen Aufbau, wie man ihn sich häufiger gewünscht hätte. Klar, der Mann tönt immer noch einzigartig, aber die große Vision ging ihm beim Schreiben dieser Stücke vermutlich ab. Ansonsten zeigt sich TOWNSEND überraschend sinnfrei, nachdem er stets vermochte, Großes im Trivialen auszudrücken – denn wo sonst rührte vordergründiger Unsinn wie "It's oil, it's beef" einmal zu Tränen?

Wer bei allzu viel naivem Wohlklang kotzen muss und nicht ganz zu Unrecht meint, die neuen ANATHEMA klängen wie Stangenware aus dem US-Christenradio (ein unfairer Vergleich, aber dennoch), sollte auch "Epicloud" meiden, denn hier ist selbst das härteste Riff Zuckerguss. So unvernünftig es klingt: Dieser Rezensent wünscht sich den kaputten Sturm-und-Drang-Devin zurück.

FAZIT: Vielleicht schwadroniert man später einmal auf TOWNSENDs Gesamtwerk bezogen von einem Übergangsalbum; für den Augenblick ist "Epicloud" schlichtweg Durchschnitt, um nicht zu sagen die schwächste Scheibe des Meisters überhaupt und damit viel zu wenig.

8 von 15 Punkten



Review von: Andreas Schulz (Profil)

Lassen wir die Gospelkirche mal im Dorf. Natürlich ist "Epicloud" kein Überalbum, dem man, wie Herr Jaschinski es im Legacy tut, genauso wenig 15 Punkte geben muss, wie man es, wie unser Thoralf es tut, mit vier Punkten abstraft, denn von Kernschrott ist das, was Meister Townsend uns hier vorsetzt, immer noch meilenweit entfernt.

Zwar kann man keine direkten musikalischen Vergleiche ziehen, aber mit Devin Townsend geht es mir in gewisser Hinsicht wie mit ANATHEMA. Beide Acts sind auf ihre Art und Weise unvergleichlich und rein musikalisch nahe an der Perfektion, zumindest in der Ausführung. So ist "Epicloud" ebenso hervorragend eingespielt, wie es seinerzeit "We’re Here Because We’re Here" war. Das Problem liegt auf der Hand. ANATHEMA sind erst dann richtig bewegend, richtig intensiv, richtig geil, wenn sie negative Gefühle wie Trauer musikalisch verarbeiten. Und Devin Townsend ist erst dann richtig packend, richtig großartig, wenn er negative Gefühle wie Wut und Aggression musikalisch verarbeitet. Wenn der Wahnsinn offenkundig und unkontrolliert ist. Zwar ist es auch eine gewisse Form von Wahnsinn, Breitwand-Metal mit Gospelchören zu vermengen, diese Kombination funktioniert aber nicht zwingend. Besonders in "Grace" empfindet man die Chöre und das treibende Drumgeknüppel als viel zu viel des Guten.

"I love you, I need you, I‘ll always be around you" trällert Devins beste Freundin Anneke van Giersbergen in "True North", "Loving you is the best thing and the worst thing in my life" säuselt der Maestro selber im sehr ruhigen "Divine" und angesichts von so viel kariesverursachender Zuckrigkeit ist man geneigt, sich zwischendurch die Zähne putzen zu gehen. Zum Glück gibt es aber auch andere Momente auf "Epicloud". Das musicalartige, swingende "Lucky Animals" mit Tim Burton-Atmosphäre ist das, was ich von einem Berufsirren hören möchte. Und wenn man schon meint, man müsste auf Pop machen, dann bitte so wie bei "Save Our Now", das eine Band wie MUSE auch nicht besser gemacht hätte. Stadionrock wie bei "Hold On" geht eigentlich immer und wenn es schon balladesk sein soll, dann so wie in "Where We Belong" und nicht so wie in "Divine". Und für Details wie die richtig hübschen Leadgitarren in "Angel" gibt es dann nochmal Szenenapplaus.

Über wirklich jeden Zweifel erhaben ist natürlich wieder die Produktion. Wenn man auf dicken, fetten Breitwandsound steht, dann ist Devin einfach unschlagbar und so tönt auch "Epicloud" wieder spektakulär und alles niederwalzend. Klar, muss man mögen, aber es muss ja nicht immer erdig und naturbelassen sein.

FAZIT: Devins Jünger werden mit "Epicloud" hochzufrieden sein. Wer den Meister aber nur beiläufig auf seinem Weg begleitet, wird angesichts ein paar zu wagemutiger Ideen die Stirn in Falten legen und in der Tat muss man nicht jede abstruse Idee zwingend umsetzen. Was nicht passt, muss nicht immer passend gemacht werden. Und was die Punkte angeht: (15 + 4)/2 = 9,5 ≈ 10. Knapp.

10 von 15 Punkten



Review von: Chris P. (Profil)

"Der hat doch nicht mehr alle Latten im Zaun!" ist in dieser oder ähnlicher Form wohl so ziemlich der meistgebrauchte Spruch, den man hinsichtlich des Schaffens dieses Townsendsassas gehört hat. Neben halbwegs "normalen" Scheiben brach der Kanadier gerne auch mal in Extreme wie Blümchenwiesen-Musik ("Ghost"), comichaften Wahnsinn ("Ziltoid The Omniscient", von dem bereits ein Nachfolger in der Pipeline steckt) oder Hysterie wie bei STRAPPING YOUNG LAD aus.

Vorliegendes Album ist wieder ein solcher Fall, bei dem man sich fragt, was Hevy Devy denn nun wieder geritten hat. Denn so pop wie auf "Epicloud" ging der Meister, der sich wie schon bei "Addicted" mit ANNEKE VAN GIERSBERGEN Verstärkung ans Mikrofon geholt hat, noch nie vor. Und da kommen wir bereits auf das einzige, aber schwerwiegende Manko zu sprechen. Nichts gegen hochgradige Eingängigkeit - die kam nämlich, wenn man sich einige Songs aus dem Backkatalog mal so anhört, immer locker und ungezwungen daher. Allerdings hatten jene Songs ein Mindestmaß an Substanz.

Ohne Frage, die neuen Tracks (bis auf, "Kingdom", das bereits auf dem 2000er Album "Physicist" vertreten war und für diese Werk noch mal recycelt wurde) flutschen sofort ins Ohr, die Melodien sind stark - doch die Arrangements sind teilweise recht blutarm, man hat sich unglaublich schnell sattgehört, und nachdem während der ersten beiden Albumrotationen noch Arschwackeln mit Headbanging angesagt war, herrscht nun Langeweile. Zu repetitiv, zu platt, zu reduziert stampft die Scheibe vor sich hin, und der anfangs gewohnte Bombastsound wird immer mehr zu einer verfälschenden Außenhülle, die den kargen Inhalt kaschieren soll.

FAZIT: Es ist bestimmt nicht verkehrt, auch mal ein sehr simples, eingängiges Album auf den Markt zu bringen. Was das Genick der epischen Wolke bricht, ist nicht etwa das "Was", sondern das "Wie" - und das sorgt letzten Endes dafür, dass die anfänglichen elf Zähler zu einer Acht zusammenfallen. Vielleicht sollte Mr. Townsend nicht zwanghaft jeden Song veröffentlichen, den er schreibt?

8 von 15 Punkten



Review von: Joe A. (Profil)


Genie und Blödsinn lagen bei dem Mann ja schon immer nah beieinander, egal ob bei "Ziltoid The Kasperlpuppe" oder als Produzent von ZIMMER'S HOLE. Aber wer um jeden Preis Durchgeknalltheit als Markenzeichen etablieren will, der muss anscheinend auch mal die Grenzen des guten Geschmacks ignorieren.

Ich war bislang immer eher von den rhythmischen Kabinettstückchen des Herrn Townsend angetan, den extrem überproduzierten Breitwandsound seiner Alben fand ich hingegen immer etwas übertrieben, da zu viele kompositorische Details verschwanden. Doch das mag Geschmackssache sein. Fakt ist, dass Devin auf "Epicloud" in dieser Hinsicht noch eine Schippe drauflegt. Zumindest bei den wenigen echten Brettern, die dieses Album noch zu verzeichnen hat. Insofern ist aber auch nicht der Sound das Problem dieses Albums, sondern der Stilmix, den der Kanadier hier bietet.

Ein Metal-Gospel-Musical-Projekt mag ja eine lustige Sache sein und sicher wieder einige Lorbeeren in den Innovatorenkranz des Komponisten einwinden, die Aufgabe ist aber wahrlich groß. Und sie geht gleich zu Beginn schief. Man muss Musik nicht studiert haben, um Musiker zu sein, aber man muss Gospel kennen, um Gospel zu machen. Da hilft es auch nicht, dass der Meister zu Protokoll gibt, früher auf THE EURYTHMICS abgefahren zu sein. Für diesen windschiefen Eingangschoral würde der schmächtige Chorknabe mit seiner E-Gitarre hochkant aus jeder Südstaatenkirche fliegen. Ein Mal ist diese Mischung aber auch richtig stark: "Grace" vermag im ersten Teil Wumms und erhabene Gefühle miteinander in bislang ungehörter Form zu vereinen.

Leider rutscht Devin Townsend allzu oft dieses glückliche Händchen aus und landet einer Art "Rocky Horror Picture Show" meets "Raumschiff Enterprise". Nicht nur dank exzessiven Keyboardeinsatzes fühlt man sich schnell um das lieb gewonnene Progressive Feeling gebracht. "Lucky Animals", "Liberation" und "Kingdom" sind mit ihren vielen Chören, den simplen Riffs und den ständigen Wiederholungen eher Pop als Metal und könnten im Grunde ganz andere Zielgruppen ansprechen. Was soll zum Beispiel der alberne Knödelgesang in "Kingdom"? Vielleicht möchte Helene Fischer ja beim nächsten Album mitwirken? Es wäre wohl egal, denn richtig durchsetzen kann sich keine der Hauptstimmen zwischen diesen Durakkord-Wolkenkratzern.

Bei "Hold On", "True North" und "Save Our Now" (will hier jemand A-HA und THE POLICE zugleich ins Grab bringen?) wird es noch schlimmer. Diese austauschbare Radiorock-Grütze – was ist daran bitte innovativ und verrückt? Obwohl die meisten Stücke recht kurz gehalten sind, laufen gerade die schwachen Stellen zu oft in der Wiederholungsschleife.

FAZIT: Diesmal ist das Experiment im Musiklabor Townsend schiefgegangen. Zuviel Spielereien mit poppigen Strukturen und Arrangements machen aus dieser Platte eine langatmige, bisweilen richtig nervige Angelegenheit, die Musicalfans deutlich besser schmecken dürfte als Metalfans. Da stört auch eine gelegentliche Siebensaitige mit Doublebass-Ticken nicht. Ich freu mich schon mal auf das Death Metal Reaggae Salsa-Konzeptalbum über tollwütige Frösche im Amazonasbecken..

7 von 15 Punkten


Review von: Thoralf Koß (Profil)

Aha!?!?
Das "Alpha-Tier" DEVIN TOWNSEND sucht übers Internet nach Leuten, die sich für ihn und sein in Planung befindliches Video zu "Lucky Animals" zum Affen machen. Und diejenigen, die wohl diesbezüglich die idiotischsten Bilder von sich auf Kamera bannen, haben die Chance, im offiziellen Townsend-Video sich auf ewig zum Kasper zu machen.

Nun schreiben wir hier ja nicht über Videos, sondern über Musik – aber ähnlich wie diese Video-Aktion erscheint mir auch das neuste Album "Epiclouds". Nur dass sich hier DEVIN TOWNSEND nicht als "Alpha-Tier" erweist, sondern zum Musik-Kasper macht. Spätestens nach dem dritten Hördurchgang machte sich in mir die Frage breit: "Was soll denn das? Hat Townsend noch alle Tassen im Schrank?"

Bisher vermochte es DEVIN TOWNSEND immer wieder, seine Hörer zu überraschen und größtenteils davon zu überzeugen, dass die radikalen Schnitte, die er von Album zu Album vollzog, durchaus reizvoll waren. "Epicloud" aber ist ein steril bombastisch rockendes Album geworden, wie es eine Vielzahl x-beliebiger Bombast-Rockbands auch hinbekommen hätten. "Hold On", möchte man da rufen, aber nicht hören. Denn sowas haben wir schon tausendfach bei AYREON gehört. Bitte nicht "More!" davon. Das klingt höchstens wie der Hardrock für's Stadion, bei dem tausende Headbanger ihre Tollen durch die Gegend schütteln können, hat aber mit der hohen Messlatte, die ich bisher bei einem DEVIN TOWNSEND anlegte, nichts mehr zu tun.

"Lessons" ist eins der wenigen, zum Glück instrumentalen, Stücke, die durch ihr vertracktes akustisches Gitarren-Intermezzo überzeugen – doch das gerade mal eine gute Minute lang. Ansonsten ist "Epicloud" mit einem Haufen männlicher und weiblicher Vocals komplett überfrachtet, die auch noch Texte zum Besten geben, die auf jeder Peinlichkeits-Skala im oberen Bereich rangieren würden.

Anfangs erschien mir der Einstieg ins Album mit einem Gospel-Chor, den man wohl so in jeder Ami-Kirche Tag für Tag genießen darf, noch ganz interessant. Doch als dann der weibliche Gesang bei "True North" einsetzte, als hätten ABBA einen neuen Song kreiert, um dann von besagtem Bombast-Rock einen auf's musikalische Mützchen zu kriegen, war ich doch ziemlich bedient. Und genau diese seltsame Mischung durchzieht das gesamte Album.
Mitwippen ist angesagt oder bei "Where We Belong" über den Köpfen geschwenkte Feuerzeuge, aber besser nicht genaues Hinhören, denn:

Animals, animals, and we're lucky!
Animals, animals, and we're lucky!
Animals, animals, and we're lucky!
How do you know of your animal soul?
How do you know if you're outta control?

Da lasse ich mal ganz schnell das Tier in mir raus und komme zu folgendem FAZIT, das mich nicht glücklich macht:
"Epicloud" ist vielleicht ein tierisches, aber garantiert kein gutes Album geworden, das die ewig gleichen Zutaten von Titel zu Titel immer wieder neu aufwärmt. Ich alter Kritiker-Suppen-Kaspar kann dazu nur sagen: "Nein, dieses Süppchen ess' ich nicht!"

4 von 15 Punkten



Review von: Sascha Ganser (Profil)

Die Wolken und der Treppeneffekt: Hat man es einmal hinaufgeschafft, ist der Ausblick großartig von da oben. Das Gefühl der Euphorie benebelt die Sinne. Muss es eine Wolke höher nicht noch überwältigender sein? Ja! Man nimmt die nächste Wolke in Angriff. In der Tat: Dein Horizont raubt dir inzwischen halb den Verstand. Nur die Wolke darüber stört noch… da geht doch noch was? E-pi-cloud, Baby!

DEVIN TOWNSEND übersteigert bekanntlich für sein Leben gerne. Das steht immer in enger Wechselwirkung mit einer (selbst-)ironischen Komponente, ist zugleich aber auch Sounddesign und vor allem Ausdruck von Unberechenbarkeit im Sinne von Grenzenlosigkeit. Deswegen all die Meere, Himmel, Landschaften, Wurzeln und nicht zuletzt das Weltall der "Ziltoid"-Geschichte auf den Plattencovern. "Epicloud" kommt dem zweiten Teil um den außerirdischen Welteneroberer zuvor – weil es sich Townsend zufolge vom Songwriting her zunächst mal einfach aufgedrängt hat. Anders gesagt, Devy ist momentan eher auf dem Trip "Epic Pop Metal" als "Orchestral Puppet Metal". "Epicloud" ist das neueste Topping in der "Project"-Reihe, eine Metastufe, die auf den eigentlichen Super-Meta-Doppelblocker "Deconstruction" / "Ghost" noch mal eins drauflegt. Soll heißen, inzwischen musiziert Mr. Townsend umgeben von einem Dolby-Surround-Gospelchor UND einer Big Band ("Lucky Animals") mitten im Himmel – dort, wo das helle Blau bereits beginnt, sich mit dem Dunkel des Alls zu verfärben.

Problematisch ist daran, dass gerade Townsends Musik immer ein wenig den Surprise-Effekt braucht – und "Epicloud" ist eher logisches Kontinuum aus den vier vorangegangenen Veröffentlichungen mit dem Schwerpunkt "Addicted". Um sich nach der Tetralogie einen kometenhaften CD-Himmelskörper mit Synthesizer-Kleister und Mann-Frau-Duettgesang vorzustellen, braucht es nicht allzu viel Fantasie, doch genau das bietet der Kanadier.

Wo "Deconstruction" noch reinstes Zitatekino war und mit Reprises nur so um sich warf, lehnt sich "Epicloud" auch in diesem Punkt wieder an "Addicted" an, indem es einen alten Song in das aktuelle Soundgewand kleidet. Damals war es "Hyperdrive" vom Ziltoid-Album, diesmal ist es "Kingdom", das ursprünglich auf "Physicist" veröffentlicht wurde. Das Stück macht mit seinen grellen "Aaaaah"-Chören im Hintergrund und den opernhaften Gesangslinien im "Epicloud"-Kontext durch aus Sinn, aber, die Frage sei erlaubt: Wieviel Sinn verträgt ein Townsend? "Hyperdrive" war mit van Giersbergen an Bord ein herrlich freakiger Superlativ des Originalstücks, "Kingdom" möchte aufs Gleiche hinaus und ist gerade deswegen allenfalls noch eine Verfeinerung, ohne die Überraschung, die damit einhergehen sollte.

Nun, es wird auch sehr viel von Liebe und gegenseitiger Zuneigung gesungen; so fällt beispielsweise nur kurze Zeit nach "Kingdom" die verkitschte Zeile "Loving You Is The Best Thing And The Worst Thing In My Life", und schon nach dem eröffnenden Gospelchor verkündet eine Frauenstimme "I Love You, I Need You, I Want You, I’ve Always Been Around You" – DAS wiederum könnte man durchaus als den Faktor "Durchgeknallt" interpretieren, der in den musikalischen Arrangements ein wenig fehlt. Damit im Hinterkopf blasen die Bombastchöre aus "Liberation", "Kingdom", "Grace" oder "Angel", die zarten Balladen von "Where We Belong" oder "Divine" und die Soundtrack-Einsprengsel von "Lessons" wieder die Gedanken frei und das wunderschöne Duett von "Hold On" kann in vollen Zügen genossen werden.

FAZIT: So ganz möchte ich mich mit dieser Veröffentlichung nicht anfreunden – es fehlt einfach das WHOAAAA. Von DEVIN TOWNSEND sind wir Veröffentlichungen wie diese inzwischen gewöhnt, und es wäre einfach mal wieder Zeit, dass die Härte beim Meister auch mal wieder – wie in seligen Zeiten von STRAPPING YOUNG LAD - ohne begleitende Wattebäusche einkehrt… auch wenn seine Seele ihm anderes diktieren mag.

8 von 15 Punkten


Durchschnittspunktzahl: 7,5 von 15 Punkten

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Andreas Schulz (Info)