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Interview mit ALVENRAD (03.10.2022)

ALVENRAD

Die Niederländer ALVENRAD gehen mit ihrem dritten Album „Veluws IJzer“ zum ersten Mal als komplette und zudem gut eingespielte Band an den Start. Was das Kernduo bereits vor der Bandgründung unter dem Namen Stormsterk mehr als nur andeutete, nimmt nun endlich ganz klare Gestalt an: Der landschaftsmalerische Folk erklingt im metallischen Gewand und verliert trotz bemerkenswerter Vielseitigkeit zu keiner Zeit seine ernste Ausrichtung. Keine Frage: In den Jahren erzwungener sozialer Zurückhaltung sind ALVENRAD zu einer musikalischen Einheit gereift, die bei aller nach wie vor hörbaren Begeisterung deutlich mehr in sich ruht – und nicht nur in ihren Liedern Bekanntes aufgreift und insbesondere an ihr Debüt "Habitat" anknüpft. Mark Kwint (Gesang, Gitarre) und Jasper Strik (Keyboard, Gesang) reflektierten diese Entwicklung auf ebenfalls ernsthafte Weise.

Hallo und willkommen zurück mit eurem dritten Album, von dem es heißt, dass es eine "make it or break it" Scheibe ist! Vielleicht bin ich etwas voreingenommen und hege große Hoffnungen, doch meiner Wahrnehmung nach handelt es sich bei "Veluws IJzer" um die fokussierteste, härteste und bodenständigste Platte von ALVENRAD bis jetzt - was meint ihr?

Jasper: Nun, zunächst einmal danke für das Kompliment. Es ist viel passiert, seit wir ALVENRAD anno 2011 ins Leben riefen, und diesem Album kann man definitiv das Wachstum und die Weiterentwicklung anhören, die wir seitdem durchgemacht haben. Die größte Veränderung betrifft, wie du erwähnt hast, unseren Fokus: In den letzten Jahren haben wir unsere Art, Musik zu schreiben, gestrafft. Damit meine ich, dass wir nicht mehr dazu tendieren, jede Idee, die wir haben, in einen Song einzubauen. Stattdessen haben wir die Songs als Individuen begrüßt und von allem Überflüssigen befreit. Zudem haben wir nun ein solides Line-Up, in dem es nicht darum geht, Egos zu befriedigen, sondern unsere gemeinsame Anstrengung richtet sich auf die Musik, damit wir ihr das zu geben können, was sie uns abverlangt.

Mark: Ich erinnere mich, was ein Hirte während eines Praktikums zu mir sagte: "Mark, du bist intelligent und sehr enthusiastisch, aber oft siegt dein Enthusiasmus über die Vernunft." Das war bei unseren früheren Alben bei mir definitiv der Fall: Ich wollte unbedingt gesehen werden, und habe in der Vergangenheit deswegen alle Register gezogen. Somit gingen meine Ideen in alle Richtungen und die Musik litt unter dieser Unruhe. Auf "Veluws IJzer" habe ich mich zurückgezogen und dem Kollektiv den Vortritt gelassen. In gewisser Weise galt das für uns alle. Somit konnten uns die Lieder selbst sagen, was sie brauchten – quasi anstelle dessen, was wir sagen wollten. Außerdem fühlten wir uns in unserer bisherigen Nische nicht länger wohl, und beschlossen daher, weiterzumachen, ohne dass Originalität und Unverwechselbarkeit ein maßgebliches Ziel waren. Ich denke, wir haben diese unreife Phase hinter uns gelassen. Mit einem nun klaren Fokus kam auch die Härte zum Vorschein. Diesmal gab es keine lustigen Spielereien, sondern wir wollten ganz klar Metal im Stil von Vintersorg, Borknagar, Hel, Falkenbach und Thyrfing spielen, um nur einige zu nennen. Ebenso wollten wir über unsere Heimat singen, und zwar in unserer Muttersprache. Nicht mehr und nicht weniger. Und in der Tat hat dieses Album eine bodenständige Qualität. Zwar gibt es auch einen mystischen Ansatz, doch mit beiden Beinen auf dem Boden gestaltete sich der Entstehungsprozess ruhiger. Meine Frau hat mir zum Beispiel ein großes Kompliment über "De Gevallen Veluwenaar" gemacht, als sie anmerkte, dass sich eine gewisse Ruhe durch das ganze Lied zieht, obwohl es ziemlich heftige Passagen darin gibt. Ich wusste sofort, was sie meinte.

Das heißt also, dass Ihr in der Zwischenzeit als Band zusammengewachsen seid, und dass Ihr - wenn schon nicht das Beste - so doch zumindest etwas Gutes im Sinne einer künstlerischen Neuausrichtung in Zeiten des Covid-Chaos gemacht habt?

Mark: Wir sind in der Tat als Band zusammengewachsen. Wir sind wirklich ein Team. Außerdem dachten wir als Band im Großen und Ganzen genau das Gleiche über die gesellschaftlichen Entwicklungen um uns herum. Die ganze Sache hat also zum Glück keinen Keil zwischen uns getrieben. Zwar gab es auch bei uns einigen Stress, doch wir konnten wie Brüder aufeinander bauen.

Bei ALVENRAD gab es ja seit den Anfängen einen starken Fokus auf die Veluwe. Wie hat sich dieser in den letzten Jahren vertieft und können wir davon ausgehen, dass Eure Liebe zu altem und neuem Heavy Metal ein fruchtbarer Boden für Euren neuen musikalischen Fokus ist?

Mark: Die Veluwe zieht sich in der Tat wie ein roter Faden durch unser Schaffen: Hier leben wir und hier wachsen unsere Kinder auf. Die Verbindung zu unserer Region hat sich in den letzten Jahren auf verschiedenen Ebenen vertieft, und unsere größere Aufmerksamkeit wurde aus der Not geboren. Persönliche Ereignisse wie die Vaterschaft, aber auch größere und besorgniserregende gesellschaftliche Entwicklungen haben uns motiviert, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben und unsere Wurzeln zu stärken. Wie wir das allerdings genau machen, fällt mir schwer zu sagen, denn diese Verbindung ist eher eine Angelegenheit des Herzens als eine des Kopfes.
Doch nun zur Musik: Die Musik, die wir als Teenager hörten, schwingt immer noch in unseren naturromantischen Seelen mit. Wir lieben die rebellische Qualität des Metal in Verbindung mit der Naturverehrung. Große Bands haben vor uns diesen Weg eingeschlagen und nun stehen wir auf den Schultern von Giganten. Wir sind dankbar, dass wir diese Art von Musik weiterhin machen!

Was die Melodie und vor allem die Gesangslinien angeht, steht ihr wahrlich auf den Schultern jener Giganten, die den Enthusiasmus des Folk in den Metal transportiert haben, und einige der Arrangements auf "Veluws IJzer" präsentieren ALVENRAD in Hochform. Ist dies auch ein Ergebnis der Zusammenarbeit mit Markus "Skaldir" Skroch, seines Zeichens selbst ein toller Sänger?

Jasper: Da das Album schon fast fertig war, als wir es ihm zum ersten Mal vorstellten, denke ich nicht, dass es ein direktes Ergebnis unserer Zusammenarbeit war, allerdings sind sowohl Markus als auch wir von denselben Giganten inspiriert, von denen du sprichst. Dieser Aspekt und die Tatsache, dass wir Markus' Arbeit mit Hel und Ash of Ashes wirklich lieben, waren auch die Hauptgründe, warum wir ihn für die Produktion des Albums ausgewählt haben. Sein Produktionsstil passt absolut zur Musik des Albums und er hat das Talent, Ruhe in die Produktion zu bringen und nicht zu überproduzieren. In der Vergangenheit hatte ich die Tendenz, alle Elemente in einem Song klar und deutlich hören zu wollen, doch das ist eine utopische Vorstellung, die allenfalls für die Musiker selbst funktioniert; alle anderen werden sich verlieren oder werden überreizt und erkennen nicht die Seele des Songs selbst.
Für die Ausgestaltung der Melodien und Arrangements haben wir uns Zeit genommen, und bei den Orchestrierungen konnte ich mich richtig austoben, vor allem beim Titeltrack, und das habe ich auch gemacht. Besonders befriedigend war die Einbeziehung einer Reihe großartiger Gastmusiker, die den Arrangements noch mehr Leben einhauchten.
Ich denke, es liegt zum Teil an der Ausgewogenheit, die wir bei den Gesangsrollen gefunden haben, dass die Gesangslinien letztlich so ausfielen, wie es nun der Fall ist. Mark übernimmt immer meistens den Leadgesang, jedoch habe ich diesmal auch einige Passagen übernommen. Für die meisten Harmonien und Chöre bin ich ebenfalls verantwortlich. Dass wir vor und während der Aufnahmen von Tineke Roseboom, einer professionellen Sopranistin, gecoacht wurden, hat ebenfalls zu einem anderen Endergebnis beigetragen.

Der Titelsong ist also der Auftakt der B-Seite, nehme ich an? Neben der schönen Falkenbach-Tribute-Passage bietet dieser Song eine wahrlich herzerwärmende Version von Storyteller Metal, und ich habe mich sofort gefragt, ob ihr mit dieser Musik nicht nur die Herzen einiger entsprechend "verrückter" Metal Heads, sondern auch die Herzen von anderen Bewohnerinnen und Bewohnern der Veluwe gewinnen könnt... Wie würdet Ihr die Botschaft dieses Songs und des gesamten Albums zusammenfassen?

Mark: In der Tat, die B-Seite der LP beginnt mit einem großartigen Epos! Es gibt jedoch keine wirkliche Botschaft dahinter. Der Song erzählt von den blutigen Sachsenkriegen aus einer veluwischen Perspektive. Auf unserem Album beschäftigen wir uns mit verschiedenen Aspekten der Veluwe, und für den Titelsong haben wir einen historischen Ansatz gewählt, während andere Songs eine andere Perspektive eröffnen, z.B. eine folkloristische oder eine spirituelle. Bei dieser Nummer handelt es ich also um einen historischen Blickwinkel. Die Veluwe war früher wegen der mittelalterlichen Eisenindustrie von wirtschaftlicher Bedeutung. Es heißt, dass in der Veluwe die Schwerter der Franken, Sachsen und vielleicht sogar der Wikinger produziert wurden! Der Handel erfolgte über die IJssel, und dieser Fluss war in der Hand der Sachsen. Dies war den Franken ein Dorn im Auge. Als die Franken die Sachsen in blutigen Kriegen bekämpften, geschah dies nicht zuletzt aus religiösen Motiven. Aus veluwischer Sicht sticht jedoch die politisch-wirtschaftliche Komponente ins Auge. Von dieser eisernen Geschichte finden wir heute noch Spuren in der Landschaft wie zum Beispiel Schlacken.
Weder der Song noch das Album als Ganzes haben eine bestimmte Botschaft, sondern sie sollen die Menschen inspirieren. Wenn unser Album die Leute auf ihrem Lebensweg inspiriert, wäre das natürlich toll.
Das Album trägt den gleichen Titel, aber er bezieht sich in erster Linie auf die Musik selbst und nicht auf die Eisenindustrie. Ein vielsagender Titel, der "aus der Veluwe" und "Metal" bedeutet.  Schließlich sind wir eine Metal-Band aus der Veluwe, wenn ich mich nicht irre?

Nun, das scheint mir eine naheliegende Vermutung. Kürzlich habt ihr die erste Single "De Stuwwal" als Videoclip veröffentlicht, und dieser Song erinnert mich besonders an Stormsterk, allerdings auf eine sagen wir mal metallische Art. Wenn ich jemandem, der oder die ALVENRAD noch nicht kennt, nur einen einzigen Song vorspielen dürfte, würde ich definitiv dieses Stück wählen. Meiner bescheidenen Meinung nach ist es herzerwärmend "veluwisch" und präsentiert Eure Qualitäten auf eine ziemlich eingängige Weise. Es war einer der ersten Songs, den Ihr für "Veluws IJzer" geschrieben habt, oder? Was kannst Du uns über seine Entstehungsgeschichte berichten, warum habt Ihr ihn als Single ausgewählt, und bist Du zufrieden mit dem Clip, der auf einigen lokalen Fernsehsendern gespielt werden sollte?

Mark: Meiner Einschätzung nach handelt es sich um den Song, der ALVENRAD am besten darstellt, und wir hoffen, dass neue Hörer durch ihn so angesprochen werden, dass sie sich mit dem Rest unseres Oeuvres beschäftigen. Bisher hatte ich das Gefühl, dass Lieder wie "Woudakoestiek" oder "De Raven Wodans" dieser Aufgabe nicht gerecht wurden. Mir kam es so vor, als würde etwas Relevantes fehlen, um ALVENRAD in seine Gänze zu repräsentieren. Mit "De Stuwwal" ist uns das gelungen, denke ich.
Dieser Song ist auf ganz natürliche Weise entstanden. Ich meine mich zu erinnern, dass ich die Riffs spontan in rund zehn Minuten eins nach dem anderen geschrieben habe. Dazu gehörte auch die Gesangsmelodie im eingängigen Refrain. Ich hatte den Song bereits in meinem Kopf gehört, bevor ich wusste, wie ich ihn spielen würde. Als Jasper einige Backing Vocals hinzufügte, wusste ich, dass dieser Song sich in genau die richtige Richtung entwickelte, und war mir ganz sicher: Das ist genau die Art von Musik, die wir wirklich spielen wollen. Von Anfang an war klar, dass es sich um den Album-Opener handeln musste, weswegen wir einen anderen Song dafür nicht einmal in Betracht zogen.
Anschließend habe ich den Text geschrieben, und zwar inspiriert von eddischen Mythen im Stil der Alliteration. Es sollte eine veluwische Schöpfungsgeschichte werden, in der Frostriesen die Bühne betreten. Also auch thematisch sehr passend für Hörer, die uns neu entdecken.
Auf den Videodreh blicken wir mit einem breiten Lächeln zurück. Es war ein großartiger Tag, an dem wir uns von Arbeit und Familie freigenommen hatten, um über die Heide und durch die Wälder zu rocken. Das Video ist nicht perfekt, doch es transportiert den Spirit von ALVENRAD.

Zum ersten Mal veröffentlicht Ihr ein ALVENRAD-Album auf Eurem eigenen, neu gegründeten Label namens Luidheim, das Euch die Produktion einer bemerkenswert schönen Vinyl-Edition ermöglicht. Damit geht sicherlich ein weiterer Traum in Erfüllung? Würdet Ihr der Aussage zustimmen, dass Ihr nun ein Potential als Band ausschöpft, das schon in den Stormsterk-Tagen erkennbar war?

Mark: Dieses Album fühlt sich quasi so an wie ein Debüt, also wie ein Neuanfang. Wir haben eine Menge aus unserer Zeit bei Trollmusic gelernt und sind dankbar dafür. Damals hat uns die Anerkennung beflügelt, die Reise zu beginnen. Außerdem ist der Umgang zwischen den Bandmitgliedern sehr entspannt und fröhlich. Wir teilen die gleichen Ziele als Band und haben die gleichen Vorstellungen davon, wie wir die Band mit unseren Prioritäten in unseren Familien und unserer täglichen Arbeit verbinden können. Eine Vinyl-Schallplatte ist in der Tat das Produkt unserer Wahl. Wir denken, dass unsere Musik und unser Artwork auf diesem Format am besten zur Entfaltung kommen.

Jasper: Ja, dem würde ich auch zustimmen. Die Veröffentlichung von Musik auf unserem eigenen unabhängigen Label Luidheim gibt uns jetzt die Freiheit, das Vinyl-Format zu verwirklichen, das wir so sehr lieben. Das ist es, was wir von Anfang an mit der Band anstrebten. Der neu gefundene Fokus hat uns ermutigt, eine Gatefold-LP und eine Jewelcase-CD zu gestalten, die zur Musik wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge passen und den Spirit von "Veluws IJzer" spiegeln. Inspiriert von den typografischen Arrangements, die Gust van de Wall Perné in den frühen 1900er Jahren gestaltet hatte, raffte ich mein ganzes Können und meine Kreativität zusammen für das Layout.

Kurz vor der Veröffentlichung des neuen Albums habt Ihr nun Maurits van der Held als neues Bandmitglied an der Lead-Gitarre präsentiert, also können wir davon ausgehen, dass Euer Live-Sound an metallischer Härte gewinnen wird. Die Zeit ist reif für ein paar hoffentlich gut besuchte Konzerte, oder?

Mark: Thijs und Maurits zocken zusammen in einer von The Grateful Dead inspirierten Band, und Thijs hat Maurits auf ALVENRAD aufmerksam gemacht. Wir bekamen schnell mit, dass Maurits sowohl ein begnadeter Lead-Gitarrist als auch ein Metal-Fan ist, und wir haben gerade die erste gemeinsame Probe hinter uns, die sich gut anfühlte.

Jasper: Ja, wir hoffen sicher, dass wir auf die Bühnen zurückkehren und dort einiges von unserem frisch geschmiedeten Metal spielen können. Wir haben auf einigen Ebenen dazugewonnen, und ich schätze, Maurits wird live eine enorme Bereicherung darstellen. Wir sind bereit, zu rocken!

Thor Joakimsson (Info)
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