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Interview mit ASH OF ASHES (07.05.2022)

ASH OF ASHES

Mit drei skandinavischen Gastsängern wartet "Traces" von ASH OF ASHES auf, darunter Lars Jensen von Myrkgrav, der sich vom Metal eigentlich verabschiedet hatte. Umso überraschender ist also sein Beitrag zu einem Album, welches ähnlich wie die Werke von Bathory, Windir oder eben Myrkgrav ganz wesentlich auf den Ideen eines Musikers beruht, der seit vielen Jahren ein feines Gespür für Melodien beweist und die metallische Tradition mit eigenen Akzenten bereichert. Daher bat ich Markus "Skaldir" Skroch zum Plausch, um mehr über die Entstehungsgeschichte von "Traces" zu erfahren.

Hi Markus! Nachdem Abscession vor einer Weile bereits sehr ordentlich mit dem zweiten Langspieler abgeräumt haben, steht nun also auch das zweite Album von ASH OF ASHES in den Startlöchern und ich werde das Gefühl nicht los, dass es für Dich unter so einigen persönlichen Schätzen ein ganz besonderes ist – oder täuscht dieser Eindruck?

Hallo Thor! Der Eindruck täuscht nicht. Ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich besonders darauf achte, dass meine musikalischen Outputs in allen Belangen den Test der Zeit bestehen. Musikalisch ist ASH OF ASHES wahrscheinlich das, was ich am besten kann, oder was mir am nächsten liegt. Auf jeden Fall eine Herzensangelegenheit.

Auch wenn Du sicher für die Musik weitgehend alleine verantwortlich bist: Ist "Traces" eher das Album einer Band als das Debüt, oder zumindest ein Album für eine Live-Band?

Der Vorgänger war auch schon als ein Album konzipiert, das man problemlos live spielen kann. Also keine sechs verschiedenen Gitarrenspuren oder andere unspielbare Sachen. Es war mir damals wichtig, mich dahingehend zu reduzieren, denn dann kommt dabei auch ein kohärentes Album raus. Beim neuen Album war die Herangehensweise dieselbe. Die Lieder stammen auch wieder komplett aus meiner Feder, aber ich habe den anderen Musikern bewusst auch etwas Freiraum gegeben, damit sie sich selber einbringen können, z.B. diese kurzen Blues Licks des Anfangsteils bei "To Those Long Forgotten": Da hatte ich die Grundidee, wusste aber das Sethras da bestimmt was richtig tolles hervorbringen wird, weil er früher viel Blues gespielt hat. So war es dann auch. Auch für Schlagzeuger Stryx gab es z.B. in "Southbound" eine Stelle, in der es von mir nur einen groben Vorschlag gab, was dahin sollte. Er hat dann diese tolle Mischung aus Drumfill und Drumsolo gespielt. So etwas kann man sich als Nicht-Schlagzeuger gar nicht ausdenken. Und bei den Gastsängern wurde es natürlich besonders spannend.

Gerade beim Schlagzeug habe ich mir fast so etwas gedacht… Ja, die Gastsänger – ich erinnere mich noch gut daran, wie abgetörnt Lars vom Metal war, umso mehr überrascht mich sein Beitrag zu "Into Eternity". Hast Du da im Vorfeld bereits gemerkt, dass er auf so etwas mal wieder Bock haben könnte, oder musstest Du ihn überreden? Seine Leistung spricht ja für sich…

Also eigentlich wollte ich Lars ursprünglich dazu überreden, ein Gitarrensolo zu spielen. Er meinte dann, er will aber auch etwas singen. Ich hatte erst gar nicht so recht an den Song gedacht, doch irgendwann hatte ich das Gefühl, dass die zweiten Teile der Strophen, die er jetzt singt, bei mir irgendwie nicht so gut klingen und konnte mir vorstellen, dass es für seine Stimme perfekt passt. Er war tatsächlich etwas eingerostet und musste erst einmal seine Aufnahmegeräte wieder zum Laufen bringen. Er hatte auch schon jahrelang nichts mehr gesungen, doch nach ein paar Versuchen war die Stimme wieder da. Ach ja, das mit dem Gitarrensolo haben wir dann nicht weiterverfolgt. Ich wollte ihn ja auch nicht überstrapazieren. Wir chatten öfters, und ich glaube, er hört mittlerweile lieber Rock bzw. Vintage Rock als Metal. Aber ihm gefallen die ASH OF ASHES Lieder. Ich bin froh, dass er unser Gast war.

Bei Thomas Clifford waren Deine Überredungskünste wahrscheinlich nicht gefragt, denn Ihr seid das Musizieren auf Entfernung ja gewohnt. Wie fiel Deine Wahl auf "Vem kan segla förutan vind"?

Tatsächlich hatte ich erst überlegt, ob Lars nicht dieses Lied singen soll. Ich dachte Schwedisch und Norwegisch sind doch bestimmt nicht so unterschiedlich, aber Lars meinte das würde komisch klingen, wahrscheinlich so ähnlich, wie wenn Niederländer Deutsch singen. Gut, dann musste also ein Schwede her.
Tatsächlich habe ich das Lied in der Version von Bianca Stücker gehört, als ich es und andere Songs für sie gemastert habe. Ich fand das Lied total schön und habe sie dazu befragt. Sie sagte, die Mutter ihrer damaligen Mitmusikerin hätte es ihr immer vorgesungen. Es ist ein schwedisches Volkslied, das häufig als Schlaflied gesungen wird. Ich wollte es dann direkt auch selber in einer Version spielen, die zu uns passt. Als ich Thomas fragte, ob er es kennen würde und singen möchte, sagte er: "Haha, I sing it to my kid every night". Er hat es wirklich toll gesungen, finde ich. Er hat so viele verschiedene Gesangsstile drauf, es ist phantastisch. Wer möchte, kann mal in sein Projekt Profaned reinhören.

Apropos Gesangsstile, ich hatte Dir ja bereits meine Hochachtung für "The Eternal Traveller" ausgesprochen, und Du deckst ja mittlerweile nicht nur eine beachtliche Bandbreite ab, sondern singst enorm sicher und variabel. Als Musiker und Produzent hast Du wahrscheinlich ein besonders ausgeprägtes Verständnis für die Entwicklung vom DIY-Charakter klassischer Aufnahmen der Wegbereiter hin zu vergleichsweise professionellen Aufnahmen. Wie leicht oder schwer fällt es Dir, mit ASH OF ASHES eine Balance zu finden zwischen dem ursprünglichen Vibe, der zum Beispiel Bathory oder Windir ausmachte, und einer Aufnahme, die ein Hörvergnügen auf anderer Ebene darstellt?

Danke erstmal für das Kompliment. Das mit dem Gesang ist wirklich eine sehr persönliche Sache und ganz anders als ein Instrument zu spielen. Es gibt so viele Dinge, die Einfluss auf die Stimme haben. Man kann einen guten oder schlechten Tag haben. Manchmal macht man einen Fehler in der Position oder stützt zu wenig und hat dann gleich Probleme und muss erstmal eine Pause machen. Bei Instrumenten, die man mit den Händen spielt, ist man da viel konsistenter.
Ich habe den Anspruch an mich selber, den Vibe in der Musik zu erhalten und gleichzeitig aber eine hochwertige Produktion abzuliefern. Die Mischung von "Traces" hat ziemlich lange gedauert, aber ich bin jetzt absolut zufrieden damit. Klar, es klingt am Ende anders als die großen Meister, aber man will ja auch kein Klon sein, sondern nur den Spirit weiterführen.

Meiner Wahrnehmung nach gelingt Dir genau das: “Traces” klingt einerseits traditionell und lässt mich etliche andere Bands und Alben erinnern, und gleichzeitig persönlich nach Deiner Handschrift, die vor allem national heraussticht, und auch international von einigen Musikern und Fans geschätzt wird. Geht Dir das derweil auch so, dass Du dieses Persönliche und je nach Maßstab “Unperfekte” mit dem Alter immer mehr schätzen lernst?

Es wäre ja traurig, wenn die eigene Persönlichkeit in den Liedern, die man schreibt, nicht durchklingen würde. Aber niemand erschafft ja etwas völlig Neues, das von gar nichts beeinflusst ist. Das war in der Kunst ja immer schon so, dass jeder von etwas inspiriert wurde, und durch die eigene Handschrift dann trotzdem wieder etwas Besonderes dabei herauskam. Und das hört dann wieder ein anderer, es inspiriert ihn, und dann schafft der wieder etwas einiges daraus. Ich weiß nicht, ob ich deine Frage richtig verstanden habe, aber ich habe manchmal Aha-Momente bei alten Alben, die ich schon seit Jahrzehnten höre. Mir fällt dann teilweise auf, was es ist, das dieses Album zu etwas Besonderem macht. Oft ist das tatsächlich, dass viele Bands in den frühen Neunzigern ohne Clicktrack gespielt haben und dadurch das Zusammenspiel einen unwiderstehlichen Groove hatte. Iron Maiden sind ein Beispiel dafür. Wahrscheinlich wäre die Energie eine ganz andere, wenn jeder einzeln auf Click eingespielt hätte. Ich selbst spiele zwar zu Clicktracks, achte jedoch immer sehr auf das richtige Tempo oder den richtigen Groove. In den letzten Jahren verstärkt. Manchmal machen zwei oder drei beats per minute schon viel aus.

Wichtig ist es ja auch und mehr denn je, gleich mit dem ersten Song die Hörer zu fesseln, und die tragende Melodie von "Beyond White Waters" ist ja vom Feinsten. War Dir, als Du sie zum ersten Mal gespielt hast, schnell klar, dass Du das Album damit eröffnest?

Es handelt sich dabei ja um die Melodie des Outros vom letzten Album. Damals hatte ich dieses Klavier-Outro und dachte schon die ganze Zeit, wie gut sich das doch als Metal-Song machen würde. Ich wollte es dann direkt als Opener nehmen. Man kann praktisch nahtlos von dem letzten Album in das neue wechseln und kennt direkt etwas. Übrigens habe ich alles Mögliche versucht, noch mehr Riffs in den Song zu bringen, aber es hat einfach nicht funktioniert. So gibt es jetzt nur die zwei Riffs, aus denen der Opener besteht, also ist er mehr als ein Intro zu sehen. Es ist sozusagen ein Abschluss mit der letzten Reise und danach ist alles bereit für die neue Reise.

Deshalb klang es so vertraut, haha, doch erst auf der Gitarre bekommt es diesen mächtigen Moonsorrow-Vibe. Wohin geht die Reise denn dieses Mal und inwiefern führt Dich die Musik in ferne Lande angesichts weithin deprimierender Anblicke in unserem aktuell nicht mehr so schön anzuschauenden märkischen Sauerland?

Ist es nicht furchtbar, unser Sauerland so zu sehen? Die Bäume an den Orten, an denen wir damals mit Hel Fotos gemacht haben, sind mittlerweile komplett verschwunden. Da steht nichts mehr. Klar, die ganzen Fichten gehörten hier ursprünglich auch nicht hin und wurden eben für die schnelle Holzgewinnung angepflanzt, aber für dich und mich war es trotzdem immer der Anblick, der es zu unserer Heimat machte. Es wird sich da demnächst sicher noch einiges verändern, wie sich auch unsere ganze Welt gerade verändert. Vor ein paar Jahren war ich noch positiv gestimmt und dachte, dass die Menschheit sich zum Guten entwickeln und irgendwann friedlich miteinander leben wird, aber jetzt denke ich das nicht mehr. Was das Klima betrifft, werden wir wahrscheinlich zu spät handeln. Vielleicht ist der Mensch auch einfach so gestrickt, dass er immer erst in der Katastrophe landen muss, um sie wahrzunehmen; ich weiß es nicht. Aber noch stehen ja einige Bäume und bekommen gerade wieder Blätter. Ich denke, die Natur wird uns auch weiterhin inspirieren können, jedenfalls hoffe ich das.

Ja, wir "Kinder der Fichtenmonokultur" werden uns an ein anderes Erscheinungsbild gewöhnen müssen, und ich hoffe sehr auf eine Rückkehr stärkerer Wälder. Nun, wohin führt uns die Reise auf "Traces" und inwiefern spielt das - grandiose! - Cover Artwork von Christopher Rakkestad darauf an?

Unser Arbeitstitel für dieses Album war "Reise". Die Texte entwickelten sich dann aber, anders als geplant, auch teilweise weg von historischen und mythologischen Themen. Ich machte mir dann Gedanken über den Albumtitel und fand, dass die Gemeinsamkeit darin liegt, dass alles, was man aktuell schreibt, und alles, was einmal passiert ist, Spuren hinterlässt oder hinterlassen hat. Selbst Dinge, die schon so lange her sind, wie die Geschichte der Warägergarde, haben bis heute Spuren hinterlassen. Im Cover-Bild sind ein paar Details aus den Texten und Themen, die ich Christopher erzählt habe, angedeutet. Das konnte man zwar nicht alles vereinen, und in eine Landschaft packen, doch es ist trotzdem sehr passend zur Musik und den Texten. Es geht praktisch um die Spuren, die bleiben. Sein Bild ist wirklich grandios und stimmungsvoll geworden.

Du hast zu Beginn des Interviews ja angedeutet, dass Deine Qualitätskontrolle mit den Jahren andere Maßstäbe an die Musik richtet, und in meinen Ohren klingt ASH OF ASHES auf angenehme Weise "erwachsen", nicht zuletzt dank Morten jedoch auch immer noch grantig. Inwiefern hat sich Eure Zusammenarbeit mit "Traces" weiter eingespielt, und worüber könnt Ihr ab und zu dabei lachen?

Letztes Mal war Morten ja zum Einsingen bei mir im Studio, und das war auch gut so, weil wir dann zusammen seine Stimme finden konnten. Also die Art der Stimme, die passend ist. Dieses Mal wäre ein Treffen wegen der Corona-Einschränkungen so schwierig zu planen gewesen, dass er sich dann selber in seinem Proberaum aufnahm. Er schickte mir erstmal nur einen Song, damit ich ihm ein Feedback geben konnte. Nicht nur zum Gesang, sondern auch aus aufnahmetechnischer Sicht. Er klang total angepisst, viel extremer als damals bei mir. Wir haben dann immer wieder darüber gescherzt, wie wütend er klang und daraus entstand dann ein neuer Name für ihn - Wüterich!
Morten ist ein toller Kerl, ich mag seine norddeutsche Art. Meist fasst er sich kurz, aber wir haben trotzdem ein sehr herzliches Verhältnis, würde ich sagen. Man schätzt sich gegenseitig.
Ich hatte dieses Mal ein paar wenige Anmerkungen zu den Texten, aber grundsätzlich rede ich ihm da nicht rein. Und er redet mir nicht in die Musik rein. Wir haben jedoch so etwas wie ein Veto eingeführt. Wenn einem von uns irgendetwas, das der andere macht, gar nicht gefällt, dann darf man ein Veto einlegen. Es hätte z.B. eine "Yeah"-Stelle in "Evermore" gegeben, aber Morten machte mir klar, dass das so nicht zum Text passen würde und er hatte selbstverständlich Recht. Überlassen wir die "yeahs" also lieber James Hetfield.

Dafür hast Du ja angesichts einiger weitgehend toller Reaktionen auf die Singles Deine Schwäche für "cheesy" Arrangements "eingestanden", und aus Deiner Begeisterung für Asia, Kaipa und Konsorten machst Du ja keinen Hehl. Achtest Du da trotzdem auf eine gewisse Balance auf Albumlänge? Und welche Alben hörst Du gerade gerne, die vielleicht auch ein wenig in der Musik von ASH OF ASHES nachhallen?

Ich hatte bereits im Vorfeld einige Songideen nicht umgesetzt, weil diese so cheesy waren, dass es Teile der Bevölkerung hätte verunsichern können. Im Ernst, ich passe schon auf und möchte den Bogen nicht überspannen. ASH OF ASHES ist eben keine AOR-Band, und ich achte da auf ein gutes Gleichgewicht. Das heißt jedoch nicht, dass ich Musik für andere Leute schreibe. Melodisch wird meine Musik z.B. immer sein. Letztens hatte ich mit Adam von Schattenpfade die Diskussion, dass es ja tatsächlich Leute gibt, die keine Melodien mögen. Die hören den ganzen Tag nur irgendein dissonantes Zeug. Die kann und will ich natürlich nicht mit meiner Musik erreichen, und das sollte auch nicht das Ziel sein. Aber in gewissen Grenzen kann man den Cheese-Faktor ja trotzdem halten.
Ganz aktuell habe ich unter anderem für mich das 1988er Album "Hungry for a Game" der dänischen Band Skagarack für mich (wieder)entdeckt. Außerdem lief hier noch "Somewhere in time" von Iron Maiden und gestern hatte ich einen Danzig-Tag. The Flower Kings und The Alan Parsons Project laufen letzte Zeit auch des Öfteren. Inwieweit die Alben aber in mein künftiges Songwriting einfließen, kann ich gar nicht sagen. Was hörst du denn im Moment?

Seit dem Konzert in Wuppertal höre ich mit Begeisterung die Minenfeld-CD, deren rohen, teils primitiven Krach ich ebenso stimmig finde wie den super klaren und voluminösen Sound von ASH OF ASHES für Eure Art des "Storyteller Metal". Und ansonsten finde ich Einvigis zweites Album ziemlich grandios, weil es ungewöhnlich ermutigend, hell und groß klingt, und angesichts der aktuellen Nachrichtenlage tun mir solche Klänge gut. Bevor wir zum Ende dieses Interviews kommen: Was ist Dir im Zusammenhang mit "Traces" noch wichtig, und wie stehen die Chancen, ASH OF ASHES live zu erleben?

Mir ist wichtig, die Leute zu erreichen, denen unsere Musik gefallen könnte. Es gibt ja unendlich viele Bands, und auch wenn es einfacher ist als jemals war, in eine bestimmte Band reinzuhören, wird es immer schwieriger, die ganzen Musikhörer überhaupt auf sich aufmerksam zu machen, vor allem ohne eine große Promo-Maschine hinter sich zu haben. Aber ich denke, mit diesem tollen Interview ist ein weiterer Schritt getan.
Wir wollten nach unserem Live-Debüt ja eigentlich noch mehr Konzerte spielen, doch dann kam erstmal Corona, was alles wieder auf Pause gesetzt hat, bevor es für uns so richtig angefangen hatte. Im Prinzip spricht aber nichts dagegen, dass wir wieder spielen werden.

Thor Joakimsson (Info)
Alle Reviews dieser Band:
  • Ash of Ashes - Traces (2022)