Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Interview mit ELLA WILLIAMS a.k.a. SQUIRREL FLOWER (11.06.2021)

ELLA WILLIAMS a.k.a. SQUIRREL FLOWER

Wer im Web nach dem Begriff SQUIRREL FLOWER sucht, der findet oft genug Bildchen von Eichhörnchen, die an Blumen riechen oder knabbern. Dabei ist ja eigentlich der Künstlername der Indie-Musikerin ELLA O'CONNOR WILLIAMS aus Boston gemeint, die sich den blumigen Begriff SQUIRREL FLOWER als Künstlernamen ausgesucht hat. Nachdem ELLA letztes Jahr ihr offizielles Debüt-Album „I Was Born Swimming“ veröffentlicht hatte – und mit ihrem Mix aus poetischem Ambient-Folk, sprödem Indie- sowie Whisper-Pop und angedeuteten Rock-Elementen alle offenen Türen von Freunden potentieller Indie-Queens eingerannt hatte und Vergleiche mit allen wesentlichen Vertreterinnen dieser Gattung provozierte - legt sie nun bereits das nächste Album mit dem Titel „Planet (i)“ vor. Das neue Werk produzierte Ella dieses Mal nicht selbst, sondern traf sich mit Produzent ALI CHANT in Bristol, um mit dem neuen Album wieder an die „reine“ Qualität ihrer ersten musikalischen Gehversuche anzuschließen und dabei gleichzeitig ihr musikalisches Universum auf den im Albumtitel besungenen Planeten (i) auszudehnen. Grund genug, einmal anzufragen, worum es ELLA dieses Mal gehen könnte.



Den Künstlernamen „Squirrel Flower“ hast Du Dir ja bereits als Kind ausgedacht. Damals war das aber vemutlich noch gar kein Künstlername, sondern mehr so eine Art Alter Ego, oder?

Ja, ich habe mir den Namen nämlich schon im Alter von vier Jahren ausgedacht. Das war halt so eine Sache, die Kinder sich ausdenken – schon so eine Art spielerisches Alter Ego. Ich kann Dir aber gar nicht mehr sagen, wie ich auf die Idee mit der Eichhörnchen-Blume gekommen bin, denn die Worte bedeuteten mir damals ja noch gar nichts. Ich mochte wohl einfach, wie sich das anhört. Jahrelang habe ich gar nicht darüber nachgedacht. Ich bin dann wieder darauf gestoßen, als ich nach einem Künstlernamen suchte, denn ich war fest entschlossen, nicht meinen richtigen Namen zu verwenden, weil ich das einfach zu langweilig fand. Den Namen SQUIRREL FLOWER fand ich dagegen perfekt geeignet.

Ging es Dir dabei darum, eine 'Bühnenpersona' zu erschaffen, die sich von ELLA unterscheidet – oder ging es wirklich nur um den Künstlernamen?

Ein bisschen von beidem, würde ich sagen. Ich wollte auf jeden Fall auch deswegen einen Bühnennamen annehmen, um ein wenig Distanz zwischen mir und meine Musik zu bringen. Und dann wollte ich mir selbst auch auf diese Weise mehr künstlerische Freiheit einräumen. Das hängt damit zusammen, dass ich sehr viele verschiedene Arten von Musik mache und meine Musik als SQUIRREL FLOWER ist nur eine Facette meiner musikalischen Persönlichkeit. Wenn ich mich also so nenne, wie ich in Wirklichkeit gar nicht heiße, erlaubt mir das, andere musikalische Stile ausprobieren zu können und vielleicht auch andere Projekte nebenher.


Wie würdest Du denn heutzutage Deine SQUIRREL FLOWER-Persönlichkeit beschreiben?

Das ist schwierig … also nicht wirklich schwierig, sonder eher kompliziert: Die Musik ist ja schon sehr persönlich und intim. Aber es gibt auch eine gewisse kognitive Dissonanz zu der Tatsache, dass der Name ja Distanz schaffen soll, obwohl es auf der anderen Seite sehr persönlich ist.

Ist SQUIRREL FLOWER dann vielleicht auch eine Art Schutzschild?

Nun ja - es ist weniger ein Wall oder eine Barriere, sondern eher eine Möglichkeit für mich, andere Aspekte von mir betonen zu können, als das unter eigenem Namen möglich wäre. Die Musik ist also sehr nah und persönlich, doch das ist ja nur ein Teil dessen, was mich als Persönlichkeit ausmacht. Hm – wenn ich darüber nachdenke, dann ist SQUIRREL FLOWER ja doch wohl eher ein Teil meiner Persönlichkeit als ein Alter Ego – wenn das Sinn macht.

Kommen wir mal zur Musik: Was zeichnet einen guten Song für Dich aus?

Ein guter Song lässt mich in dem, was ich tue, innehalten. Ich glaube nicht, dass das Geheimnis eines guten Songs sich durch das Format oder den Sound auszeichnet. Es ist etwas, was schwer in Worte zu fassen ist und was – speziell in der gegenwärtigen Musik – nur noch sehr selten zu finden ist.

Gibt es eine Art Leitmotiv auf „Planet (i)“? Es scheint jedenfalls so, als sängest Du viel über die Elemente wie Wasser, Wind, Luft usw.
Ja, in der Tat geht es viel um die Elemente und vor allen Dingen die Naturgewalt dahinter sowie die Angst, die ich davor habe. Ich habe zum Beispiel immer schon Angst vor Flutwellen und Tornados gehabt und davor, von diesen weggespült zu werden. Als Kind hatte ich sogar Angst vor der Sonne, weil ich dachte, dass sie ein großer Feuerball sei, der auf mich zukomme, was sie ja auf gewisse Art auch ist. Ich wollte diese Ängste auf jeden Fall ansprechen. Besonders im Angesicht des Klimawandels erschien mir das wichtig. Wir sind ja wirklich diesen unglaublich mächtigen Kräften ausgesetzt, gegen die wir nichts wirklich ausrichten können.

Ging es Dir also darum, Deine Ängste vor den Naturgewalten mit den Songs therapeutisch zu verarbeiten?

Ich denke schon. Einer der ersten Songs, den ich für das Album schrieb, war 'Desert Wildflowers'.

In dem Song kommst Du ja zu der Erkenntnis, dass man (etwa als Wüstenblume) auch in einer feindlichen Umgebung mit der richtigen Einstellung überleben kann. Dann hast Du Dich ja wohl mit Deinen Ängsten versöhnt, oder?

Okay cool – dankeschön. Der Song quoll aus mir hervor, wie das viele meiner Songs tun. Als ich ihn schrieb, stellte ich fest, dass er zwar meine Ängste vor den Elementen direkt anspricht, aber auch eine Metapher dafür ist, generell frei und tapfer ohne Angst leben zu wollen. Das war – wie ich fand – ein interessantes Konzept. Nachdem ich das nun gesagt habe, muss ich auch erwähnen, dass ich nicht mit der Absicht an die Sache heranging, ein Konzept-Album zu schreiben, denn das ist nicht die Art, wie ich Musik mache.

Geht es Dir auch darum, in Deinen Songs Antworten auf Fragen zu finden, die Du Dir selbst gestellt hast?

Auf jeden Fall würde ich sagen, dass ich nicht für mich in Anspruch nehme, irgendwelche Antworten zu haben. Aber ja, es geht mir um Fragen. Viele Sachen widersprechen sich ja auch. Ich stelle aber sicher mehr Fragen, als dass ich etwas kommentiere oder gar Antworten anbiete.

Eine interessante Technik, welche Du in Deinen Texten verwendest, ist die, bestimmte Phrasen mantraartig zu wiederholen. Machst Du das bewusst?

Ja, das stimmt. Das mache ich absichtlich, denn Wiederholungen sind mir sehr wichtig. Das hat angefangen, als ich mit ungefähr 18 zu experimentelleren Shows gegangen bin und dann diese Künstler gesehen habe, die etwas Wunderschönes erschufen, indem sie es immer und immer wieder wiederholten. Das Thema taucht in Drones auf oder auch in Chor- und Kirchenmusik, die ich sehr mag. Etwas einzufangen und zu wiederholen macht die Dinge mächtiger. Wenn ich Live-Musik anschaue, sind Augenblicke der Wiederholung auch immer das, was am nachdrücklichsten auf mich wirkt.

Die Frage zielte auch darauf ab, dass es ja die Theorie gibt, dass sich die Bedeutung von Dingen verändern kann, je öfter sie wiederholt wird. Siehst Du das auch so?

Das hängt ja davon ab, wie jeder einzelne die Sachen wahrnimmt – und jeder tut das ja auf unterschiedliche Weise. Ich weiß also nicht recht, ob ich dazu etwas sagen kann.


Die meisten der Songs auf „Planet (i)“ sind ja vor der Pandemie entstanden?

Ja. Ich habe einen Pool von ungefähr 30 Songs für die Scheibe geschrieben und davon etwa die Hälfte während der Pandemie. Die Songs, die es dann aber auf die Scheibe geschafft haben, sind hauptsächlich die, die ich vorher geschrieben habe.

Der Hintergrund für diese Frage besteht darin, dass Du die neuen Songs mit Hilfe des Produzenten ALI CHANT und ADRIAN UTLEY von PORTISHEAD als Gäste während der Pandemie in Bristol eingespielt hast. Was war der Grund dafür und wie hast Du das umgesetzt?

Tatsächlich hatte ich zunächst vorgehabt, das Album selbst zu produzieren. Aber ich habe auch mit Produzenten gesprochen um zu sehen, was da möglich wäre und mit Ali per Telefon eine gute Verbindung aufbauen können. Außerdem habe ich eine Corona-Infektion überstanden und konnte aufgrund dessen, dass ich Antikörper entwickelt hatte, auch tatsächlich sicher reisen. Ich bin sehr froh darüber, dass ich es so angegangen bin, denn Ali war ein toller Mitarbeiter. Und viel gelernt habe ich von ihm auch. Ich hatte zwar meine spezifischen Ideen und habe Regie geführt, aber Ali hat produziert und viel Zusätzliches beigetragen.

Welche Art von spezifischen Ideen waren das denn?

Musikalisch wollte ich an meine erste EP 'Early Winter Songs From Middle America' anschließen, welche die erste war, die ich mit 18 als SQUIRREL FLOWER für mich selbst gemacht habe. Damals noch ohne den Hintergedanken, dass es andere hören sollten. In diesem Sinne war sie das Reinste, was ich je gemacht habe und genau dieses Gefühl wollte ich dann anzapfen. Aber es sollten auch mehr Folk-, Country-, Doom- und Ambient-Elemente einfließen und alles miteinander verschmelzen, was es im Endergebnis auch tat.



Zugleich ist „Planet (i)“ auch ein tolles Gitarrenalbum – vor allen Dingen, weil viele verschiedene Gitarrensounds zum Einsatz kommen. Was bedeutet die Gitarre als Lead-Instrument für Dich?

Also der Sound ist zwar schon recht variantenreich. Doch es ging mir gar nicht darum, die verschiedenen Möglichkeiten an der Gitarre zu demonstrieren. Das ist zwar eine coole Idee, aber bei mir passiert das einfach so, weil ich sowieso gerne mit verschiedenen Stilen arbeite und auf keinen bestimmten Sound fixiert bin, wenn ich spiele. Ich mag es einfach, mit viel Hall und je nach Stimmung die Sounds zusammenzumischen. Die Gitarre ist für mich dabei einfach eines der vielen Werkzeuge, mich und meine Inhalte mitzuteilen. Die Gitarre war nicht mein erstes Instrument – als das betrachte ich nämlich meine Stimme. Später kamen dann Klavier und Geige hinzu. Mit der Gitarre fing ich erst mit 14 an, was für meine Verhältnisse spät in meiner Laufbahn war, weil ich schon sehr früh angefangen habe, Musik zu machen. Es gibt nichts Schöneres, als akustische Gitarre für Freunde zu spielen, weil das so intim wirkt. Es ist aber auch so, dass eine Gitarre auf der anderen Seite wie eine Waffe sein kann. Wenn ich laute, verzerrte Gitarre spiele, dann fühlt sich das sehr mächtig an – so als könnte ich machen, was ich will und keiner kann mir etwas anhaben.

Was ist als Musikerin die größte Herausforderung für Dich?

Meine größte Herausforderung ist sicherlich, Musik aufzunehmen und zu veröffentlichen, während ich daran arbeite. Wie ich bereits erwähnte, hatte ich für 'Planet (i)' 30 Demos zur Verfügung. Außerdem schreibe ich auch ständig neue Sachen. Ich will immer alles sofort umsetzen, denn ich mag es gar nicht, längere Zeit auf der eigenen Musik zu sitzen. Der normale Kreislauf eines Albums dauert etwa ein Jahr – und das ist eine große Herausforderung für mich, denn es spielen ja auch Marketing und organisatorische Dinge eine wichtige Rolle. In einer idealen Welt würde ich einfach konstant Musik schreiben und veröffentlichen.

Foto-Credits Tonje Thilesen

https://www.squirrelflower.net/

https://www.facebook.com/sqrrlflwr

Ullrich Maurer (Info)