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Interview mit Blackwall (17.11.2010)

Blackwall

Im Underground brodelt es mächtig, und es gibt eine Menge wütende Bands da draußen, die so manch etablierte Aggrokapellen gegen die nächste Wand brüllen. BLACKWALL aus der Schweiz, genauer gesagt aus Biel, können es jedenfalls mit unzähligen Tönespuckern aufnehmen. Gitarrenwürger Roger Moser und Schreihals Rob Miola, zwei Viertel der Hardcore-/Metal-Recken, bekamen von mir fragenderweise den Baseballschläger gegen den Hals gedrückt – die abgenötigten Antworten kamen prompt.

Servus Buben, Euer Album habe ich ja schon hinreichend gelobt. Wie kommt die Scheibe denn sonst so in der Presse an?

Rob: Schön, dass es Dir gefällt, vielen Dank! Wir sind sehr zufrieden mit den Feedbacks, speziell aus Deutschland und den States. Doch sehr interessant und deshalb auch nennenswert ist der Fakt, dass wir fast von der ganzen Schweizer Fanzine-Szene ignoriert wurden, mit Ausnahme der überaus ordentlichen und szenekundigen „pitfire.ch“ und „skartnak.com“-Fanzines.  Den Grund kennen wir nicht… aber ein Kopfschütteln können wir uns dennoch nicht verkneifen. Übrigens findet Ihr alle Reviews auf unserer MySpace-Seite.

In der Tat interessant... aber der Spruch „Der Prophet im eigenen Land gilt nichts.“ ist sicher nicht grundlos in aller Munde. Nun, ihr habt sicherlich die ein oder andere Diskussion bezüglich Hardcore in unserem Magazin mitbekommen. Was ist eurer Meinung nach die Definition des „Hardcore“?

Roger: Mir gehen all diese Diskussionen über „Was ist Hardcore?“, „wann bin ich Hardcore?“ und so weiter ziemlich auf die Nerven. Das zu tun, was mir Spaß macht, das Leben zu geniessen, so gut es geht und mit meinen Freunden Musik zu machen ist mir viel wichtiger als all das Gelaber über Szenezugehörigkeit.

Blackwall BandRob: Genau. Und was ist denn schon „Hardcore“? Für mich ist jeder Mensch, der für sein eigenes Leben und für seine Freunde/Familie Verantwortung übernimmt, mehr „Hardcore“ als irgend ein dahergelaufener Yuppie in einem TERROR-Shirt. Meiner Meinung nach ist Hardcore sowie auch Punk eine Lebensart, die sich nur am Rande mit Musik oder Kleidungsart befasst. Nicht die Spitze des Eisbergs ist ausschlaggebend - wichtiger ist was sich darunter befindet…

Muss man sich überhaupt über ein bestimmtes Genre oder eine Szene definieren? Und ist es nicht ein wenig ärmlich, Zusammenhalt oder dergleichen in einer Musikszene zu suchen und zu finden?

Rob: Jede Band wird früher oder später mit irgendwelchen Genres oder Szenen identifiziert, oder die Band schubladisiert sich gleich selbst, sei es auch nur durch den einfachen Grund, dem Konsumenten auf diesem Weg den Einstieg in die Musik  zu vereinfachen.  Aber meistens passiert dies ja sowieso automatisch.  Doch wenn man sich die Frage aus der Sicht einer Person stellt, ist da sicher zu beachten dass dies nicht nur mit „Musik“ als solches zu tun hat, sondern ganz einfach mit sozialem Verhalten und Zugehörigkeitsdrang, jeder Mensch möchte irgendwo dazugehören. Und schlussendlich geht’s doch darum, dass Du am Ende des Tages zufrieden bist und es Dir gut geht. Wie dies schlussendlich erlangt wird, ist eine persönliche Entscheidung. Doch sich durch Musik zu definieren ist bedeutend gesünder, als sich sturzbetrunken herumzuprügeln…

Roger: Ausser Du säufst soviel, dass Du von selbst umfällst. Kommt dann fast aufs selbe raus...

Da stellt sich natürlich auch die Frage, ob ihr selbst euch einer Szene so richtig zugehörig fühlt – Gelaber darüber hin oder her. Oder gar mehreren, denn ihr befindet euch stilistisch ja irgendwo zwischen Metal und Hardcore und bedient dadurch ja gleich mehrere Felder...


Rob: Also persönlich sind wir Verfechter unserer heiss geliebten Musikrichtung, und irgendwo durchaus auch stolz, ein Teil dieser lebendigen Szene zu sein. Doch am ehesten würde ich BLACKWALL in die Metal-/Hardcore-Ecke stecken, doch neben der Intensität des Metal und der Einfachheit des Hardcore hört man bei uns auch viel Punk, Death Metal und sogar ein bissl Black Metal raus.

Metal und Hardcore ergibt im Grunde ja Metalcore. Doch vieles wird Metalcore genannt, obwohl es sich bei den betreffenden Bands meistens nur um gewöhnliche Metalbands handelt, die hier und da mal einen Breakdown oder Beatdown einbauen und halt textlich ähnliche Themen wie im Hardcore verbraten werden. Was ist Eure Meinung hierzu?

Blackwall LogoRob: Hmmm, Metalcore… Nimm als Beispiel Death Metal; der Skandinavische wurde dermaßen durch den Sound der Anfangstage beeinflusst (HELLHAMMER, CELTIC FROST, BATHORY, dann die ganzen Sunlight Studios-/Thomas Skogsberg-Produktionen), wodurch die Definition massiv vereinfacht wird. Dies kann man auch vom amerikanischen Death Metal behaupten (die ganzen Morrisound Studio-/Scott Burns-Produktionen). Doch mit dem Begriff Metalcore werden zwei riesig breite Musikstile vereint, wodurch die Definition extrem schwierig wird. Doch für mich persönlich passt die Definition Metalcore am ehesten zu älteren Alben wie TURMOILs „The Process Of“, M.O.Ds „Rhythm of Fear“ , PRONGs „Beg to Differ“ oder LENGTH OF TIMEs „Approach to the New World“.  Um etwas Neueres zu nennen, auch HEAVEN SHALL BURNs „Antigone“ - ohne vorerst gar nicht an all das andere „Core“-Gedöns zu denken, wo die Songs nur noch aus „Wie viele Noten passen in zwei Sekunden“-Riffs bestehen und dann in einem schon 6329-mal gehörten Breakdown gipfelt. Dazu passend Lacoste-Hemden, TOKIO HOTEL-Frisuren und der Grundkurs beim dörflichen Kung-Fu-Club.  

Roger: Cooler Death Metal á la BOLT THROWER, OBITUARY, BLOODBATH oder HAIL OF BULLETS ist mir 1000-mal lieber als 95% aller Metalcore und Deathcore bands!

Hehe, hinzu kommt ja noch, dass gerade BOLT THROWER, zum Teil auch OBITUARY, hier und dort manchmal 'ne ganz schöne Hardcore-Kante haben. Aber anderes Thema: Irgendwie scheint die Schriftart, wie ihr sie auch in eurem Logo verwendet, momentan ja der letzte Schrei zu sein. Wie kommt das?

Roger: Als wir uns damals für diese Schriftart entschieden haben, war die noch nicht so verbreitet wie heute. Also sind wir so quasi per Zufall up to date. (lacht)

Nach welcher schwarzen Wand habt ihr Euch denn benannt? Oder ist
blackwall irgend etwas Umgangssprachliches, das ich noch nicht kenne?

Roger: Wenn ich im Übungsraum furze, wird’s den anderen schwarz vor Augen, daher BLACKWALL! Nein im Ernst, BLACKWALL ist das Ergebnis einer verbalen Rumblödelei im Übungsraum. Hat für uns keine weitere Bedeutung, aber klingt doch verdammt cool! Oder nicht?

Passt auf jeden Fall ziemlich gut zur Musik. Aus der Schweiz erreicht uns zumindest hier in Deutschland recht wenig aus der Hardcore- beziehungsweise aus der metallisch angehauchten Hardcore-Ecke. Was passiert denn sonst noch musikalisch bei euch, besonders in und um Biel? Gibt es da noch weitere empfehlenswerte Bands?

Roger: Biel ist leider nicht gerade das Mekka des Metal oder Hardcore in der Schweiz. In der Westschweiz oder in Zürich geht bedeutend mehr. Da gibt es auch ein paar sehr geile Bands, natürlich CATARACT, UNVEIL, VALE TUDO, A THOUSAND YEARS SLAVERY, PIGSKIN oder auch LIFE AS WAR. Natürlich hat auch Biel noch was zu bieten, TREEKILLAZ oder PACK sind zum Beispiel durchaus erwähnenswert.

Wie steht ihr denn zu den eher aggressiven Auswüchsen bei Gigs? Wo ist für Euch die Grenze zwischen Spaß und Verdruss?

Roger: Bei uns ist es zum Glück noch nicht ganz so derb wie bei Euch in Deutschland. Wir haben da ein paar ganz üble Dinge gehört, die auf Shows passiert sind. Ich habe nichts gegen Violent Dancing, solange das ganze im Rahmen bleibt, sprich niemand verletzt wird. Allerdings kann ich absolut kein Verständnis aufbringen für Leute, die Shows besuchen, nur um sich zu prügeln!

Wie schauen eure Pläne bezüglich Liveaktivitäten aus?

Rob: Wir sind eigentlich allzeit bereit und auch willig, in jedem Loch zu spielen, Geld spielt da sicher keine Rolle. In der nächsten Zeit ist leider nicht all zu viel geplant, wir haben demnächst einen Supportslot für CATARACT beim „Burn The Stage“-Festival in Oberentfelden (Schweiz), da freuen wir uns wie kleine Kids! Eventuell sind ein paar Gigs in Frankreich für nächstes Jahr geplant, aber noch nicht Sicheres. In Deutschland haben wir 3-mal mit unseren Kumpels von STRENGTH gespielt. Es war super, bei Euch zu spielen - wir wurden immer sehr gut behandelt, und die Leute sind extremst freundlich und zuvorkommend. Immer wieder gerne! Ihr seht, in unserem Terminplan hat’s noch reichlich Platz, also zögert bei Interesse nicht, uns zu kontaktieren: blackwall@gmx.ch

Da bleibt zu Hoffen, dass die Szeneaktivisten mitlesen. Wo nehmt ihr eigentlich die Wut her, die ihr bei Eurer Musik recht beeindruckend rauslasst?

Roger: Die kommt aus alltäglichen Situationen. Egal, ob eigene negative Erfahrungen, religiöse oder politische Themen, oder auch die Zerstörung unserer Umwelt, das alles bringt genügend Stoff, um einen auf die Palme zu bringen und daraus neue Songs zu schreiben.

Rob: Schau Dir nur den Mist an, der tagtäglich um uns herum passiert, da kommt Dir ja die kalte Kotze hoch. Es hat aber sicher auch damit zu tun, dass in den letzten 2 Jahren neben vielen positiven Dingen, die uns widerfahren sind, ein paar richtig beschissene Geschichten passiert sind, die wir auf diesem Weg verarbeiten konnten.  

Könntet ihr euch vorstellen, auch einmal ein richtig friedliches Stück zu komponieren?

Rob: Ja klar doch, aber erst wenn wir bei einem Major einen 5-Millionen-Deal unterschrieben haben.  Spätestens da scheißen wir auf Szeneintegrität und spielen Crabcore mit Vocalharmonizern! Har har har!

Blackwall Band„Crabcore“, hmm, das habe ich gerade mal nachgeschlagen... ist ja ein, ähm, interessanter Auswuchs... a propos Auswüchse: Wie steht ihr generell zu Experimenten bezüglich Eurer Musik? Oder habt ihr da gar andere Spielwiesen, auf denen ihr euch austobt?

Roger: Wir sind viel zu schlecht, um groß herumzuexperimentieren. (lacht) Die neuen Songs werden sicher wieder in die selbe Richtung gehen. Natürlich suchen wir immer nach neuen Ideen und wollen uns auch stets verbessern, jedoch wird das unseren Sound nicht groß verändern. BLACKWALL ist und bleibt eine Knüppelband!

Rob, Roger, ich danke Euch für Eure Zeit! Das Schlusswort gehört Euch.

Rob: Vielen Dank euch allen! Und Leute, kramt eure alten DEAD KENNEDYS-Scheiben nach vorn und lernt die auswendig, denn Stumpf ist Trumpf! Checkt http: //www.myspace.com/blackwallbnc und stay in touch! Cheerz!

Chris Popp (Info)
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