Man nehme einen Schuss Genesis der späten 70er, einen Hauch abgeschwächten Canterbury Sound, nah an Camel dran, aber nicht ganz dabei, etwas frickeligere Momente, die aber nie wehtun und vor allem eine Riesenportion YES, fast fertig ist die Rezension zum Debüt der kalifornischen Band MOTH VELLUM. Fast, denn ein paar Worte gibt es schon zu sagen.

Sechs Titel, wenn man „Against The Sun“ samt „Reprise“ nur als einen Song wertet, sogar nur fünf. Davon drei weit über 10 Minuten („Against The Suns“ als Suite betrachtet, kommt auf über 16 Minuten), das schreit natürlich nach purem klassischen Progressiv-Rock. Nicht weniger wird auch geboten.

Das ist nicht neu, das ist wenig überraschend, aber MOTH VELLUM gehen bei ihrem Album derart gefühlig zur Sache, dass man ihnen einfach nicht böse sein kann. Zu keiner Zeit wird in allzu vertrackte Sphären abgehoben, die gerade YES in frühen Jahren mal kongenial, mal hohl technokratisch zelebrierten; bei MOTH VELLUM bleibt alles Gefühl und Melodie; hier wird nicht gehetzt, hier wird sachte geglitten und glücklicherweise vermieden, in allzu seichte Bereiche und gehaltlose Fahrstuhlmusik abzudriften. Das Album klingt wie der Missing Link zwischen „Going For The One“ und „Tormato“.

Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, ob dazwischen überhaupt etwas fehlt; anständigerweise gibt das Album selbst die Antwort: offensichtlich ja, auch wenn wir es vorher nicht bemerkt haben. MOTH VELLUM bieten ihre Songs mit einer typisch amerikanischen Leichtigkeit dar, die sich selbst genügt und in ihren besten Momenten auch galant damit durchkommt.

Manchmal plätschert es etwas zu sehr vor sich hin („Walk It Off“, das allerdings eine nette „Wind And Wuthering“ Reminiszenz enthält), und auch wenn der Bass ordentlich zu pumpen versucht, klingt es irgendwie nach den Flower Kings auf Valium. Passt aber wunderbar zur unaufgeregten Attitüde des gesamten Werks und hat selbst im Banalen schöne Einfälle zu bieten. Ein Album zum Wohlfühlen – wenn man sich entscheidet, es nicht zu hassen.

FAZIT: Was Starcastle recht war, ist MOTH VELLUM nur billig – ein großes englisches Vorbild genommen, angereichert mit naheliegenden weiteren Koryphäen, das Ganze in einen Shaker gepackt und völlig relaxt zu einem sahnigen Cocktail verarbeitet; ergibt eine knappe Stunde surfen mit Steve Howes Gitarren auf Tony Banks Keyboardteppich und zwei Jon Andersons als Reiseleiter.
Irgendwie hoffnungslos veraltet und doch zeitlos; ein amerikanisches Carefree-Produkt des reinen Wohlklangs. Kann man verächtlich ablehnen, aber auch (un)heimlich ins Herz schließen. Hier wird schließlich nicht schlecht geklaut, sondern nur gut zitiert. Und das reichlich. Musik für alte Säcke. Also genau richtig für mich... und dich.