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Dave Willey & Friends: Immeasurable Currents (Review)

Artist:

Dave Willey & Friends

Dave Willey & Friends: Immeasurable Currents
Album:

Immeasurable Currents

Medium: CD
Stil:

Vertonte Gedichte im Stil von Thinking Plague

Label: AltrOck Productions / Just For Kicks
Spieldauer: 43:26
Erschienen: 27.09.2011
Website: [Link]

Ein Album, das gleich drei Persönlichkeiten im stillen Gedenken gewidmet ist (DALE & BRENT WILLEY sowie dem umtriebigen Ex-SOFT-MACHINE-Basser HUGH HOPPER), wird garantiert nicht die pure musikalische Lebensfreude versprühen. Und die Tatsache, dass zu einem der „Friends“ von DAVE WILLEY besagte Canterbury-Legende HUGH HOPPER zählte, der sogar noch auf einigen Songs des Albums in die Bass-Saiten haut, hebt garantiert auch nicht die Stimmung. Eine Stimmung eben, die manchmal etwas resignativ, dunkel, bedrückend, nachdenklich und sehr melancholisch daherkommt. Unterstrichen wird diese Stimmung aber ganz besonders von den Texten, die als Grundlage der Musik dienen und die von Daves verstorbenem Vater, dem Lyriker Dale Willey, stammen. Und so wurde aus „Immeasurable Currents“ die musikalische Vertonung der Gedichte eines Vaters durch seinen Sohn - so gesehen ein verspäteter Nachruf.

In Insiderkreisen ist Multiinstrumentalist DAVE WILLEY kein Unbekannter, auch wenn dies sein erstes offizielles Album ist. Bereits seine Band HAMSTER THEATRE sorgte mit ein paar von vielen Kritikern hoch gelobten Alben für einiges Aufsehen und auch THINKING PLAGUE, bei denen Willey mitwirkte, gelten als erste Adresse im Avantgarde- und RIO-Bereich. Doch Willeys Entscheidung, die vertonten Gedichte durch die Thinking-Plague-Sängerin DEBORAH PERRY intonieren zu lassen sowie mit MIKE JOHNSON, DAVE KERMAN und MARK HARRIS drei weitere TP-Musiker auf dem Album mit einzubeziehen, lässt unweigerlich bereits nach dem ersten Hördurchgang den Gedanken aufkommen, dass wir es hier mit einem neuen Thinking-Plague-Album zu tun hätten. Kein Wunder also, dass „Immeasurable Currents“ nicht nur der Texte, sondern auch der Musik wegen kein leicht zugängliches, sondern ein den Hörer vor einige „akustische Belastungsproben“ stellendes Album geworden ist.

Bereits Deborah Perry, die natürlich als des Vaters Lyrik interpretierende Sängerin einen riesigen Anteil an der Musik hat, wird mitunter in einigen Songs zur „Belastungsprobe“, weil sie atonal, schräg, mitunter langweilig und manchmal einfach nur nervend klingt. Aber ganz ehrlich gesagt hatte ich diesbezüglich die gleich Empfindung auch bei den Thinking-Plague-Scheiben. Irgendwie kommt das Gefühl auf, dass Dave seinem Vater einen größeren Gefallen getan hätte, wenn seine Entscheidung auf eine andere Sängerin gefallen wäre oder er sogar verstärkt auf eine männliche Stimme setzen würde.

Ebenfalls nicht jedermanns Sache wird der dominante Einfluss des Akkordeons auf die Musik dieses Albums sein. Multiinstrumentalist Willey scheint derzeit genau dieses Schifferklavier zu favorisieren und was dem OLDFIELD seine Gitarre, das ist dem WILLEY eben sein Akkordeon! Aber auch vor Glocken, Zithern, Harmonium und unendlichen Loops schreckt Willey nicht zurück. Unfreiwillig kommt dabei eine weitere Erinnerung an eine längst Verstorbene auf: NICO! Ihre Art von VELVET UNDERGROUNDs experimentierfreudigen Klängen und nihilistischen Gesängen erscheint wie die Blaupause für Willey und seine trauernden Freunde.

Doch eine ganz besondere Beachtung verdienen die Texte, die jede Menge zu bieten haben. Ob nun bei „I Could Eat You Up“ eine neue Variante des Märchens „Hänsel und Gretel“ Auferstehung feiert, in der besagter Hans mit besagter Gretel, die in einem Bremer Nachtclub Lieder singt, in der Hexenhütte ein inzestuöses Verhältnis miteinander haben oder bei „The Old Woods“ die ganze Menschheit infrage gestellt wird, weil sie einfach nicht kapieren will, dass sie ohne diese alten Wälder nur noch ein menschlicher Fliegenschiss sind, der ohne Natur komplett deplatziert sein Dasein fristen wird. Und um die Extravaganz der väterlichen Texte aufzuzeigen, versuche ich an dieser Stelle einfach das kürzeste davon, „The Conservatives“, zu übersetzen:

DIE KONSERVATIVEN

In der Nähe des Himmels begruben sie immer ihre Toten
Direkt auf einem Hügel über der Stadt.
Solche Art der Verehrung für ihre Vorfahren
Vergiftete zugleich den Blick auf das Wohl ihrer Kinder.

Es lohnt sich also wirklich, die Texte ganz genau zu betrachten.
Doch was mich zum Einen an den Texten fasziniert, fehlt mir manchmal im Besonderen bei der Musik. Gerade zum Ende des Albums hin schleppt sie sich einem Finale entgegen, das es im Grunde gar nicht gibt, und langweilt in ihrer trauervollen Langatmigkeit nur noch. Wogegen zur Halbzeit, genauer gesagt in „Winter“, besonders durch die intensiven Streicher-Einlagen wohl einer der schönsten Songs für diese dunkle Jahreszeit entstanden ist. Leider aber scheint nach diesem Titel der Schnee die musikalischen Hügel so sehr bedeckt zu haben, dass es ab diesem Zeitpunkt nur noch bergab geht, was definitiv nicht an den Texten liegt. Denn wenn ich die vorrangig bewerten dürfte, käme garantiert eine 13 dabei heraus!

FAZIT: Würde mich jemand fragen, ob ich ihm ein Album empfehlen könne, das todtraurig klingt, aber trotzdem niemals bei einer Beerdigung gespielt werden könnte, dann würde meine Antwort lauten: „Immeasurable Currents“ von DAVE WILLEY. Musik, nicht nur zum Gedenken an verstorbene Familienmitglieder und Musiker, sondern auch für eine universale Traurigkeit der Töne!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3828x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 8 von 15 Punkten [?]
8 Punkte
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Tracklist:
  • Too Much Light (Ionesco's Theme)
  • The Old Woods
  • If Two See A Unicorn
  • What A Night
  • The Conservatives
  • Winter
  • I Could Eat You Up
  • Wordswords
  • Autumn
  • Mitch
  • A Garland Of Miniatures
  • Nightfall

Besetzung:

  • Bass - Dave Willey
  • Gesang - Deborah Perry
  • Gitarre - Dave Willey
  • Keys - Dave Willey
  • Schlagzeug - Dave Willey
  • Sonstige - Dave Willey (Akkordeon, Percussion, Glocken, Zither und Harmonium), Elaine Di Falco (Gesang und Piano), Hugh Hopper (Bass und Loops), Farrell Lowe (Gitarren), Mike Johnson (Gitarren), Wally Scharold (Gesang), James Hoskins (Cello), Emily Bowman (Viola)etc

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