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Höyry-Kone: Hyönteisiä Voi Rakastaa - 1995 (Review)

Artist:

Höyry-Kone

Höyry-Kone: Hyönteisiä Voi Rakastaa - 1995
Album:

Hyönteisiä Voi Rakastaa - 1995

Medium: CD
Stil:

Avantgarde Progressive Jazz-Rock

Label: Nordic Notes / Beste! Unterhaltung
Spieldauer: 46:21
Erschienen: 14.02.2014
Website: [Link]

„FINN CRIMSON“ - genau so lautet der musikalische Spitzname dieser finnischen Prog-Rock-Band, die in den 90er Jahren leider nur zwei Alben veröffentlichten, bis sie wieder in der Versenkung verschwanden. Dieser Spitzname aber ist geblieben und er passt wie die Saphir-Nadel auf das schwarze Vinyl, das damals noch unser wahres Musik-Heiligtum war. Unfassbar, dass nach zwei Alben von solch phänomenaler Qualität dann alles vorbei war.

HÖYRY-KONE haben eine musikalische Strahlkraft, die besonders in Schweden im progressiven Rock eine typisch skandinavische Grundierung erfuhr und bis zur gänzlichen Perfektion in ÄNGLAGÅRD, ISILDURS BANE & ANEKDOTEN ihre Verwirklichung fand. Nur besitzen die Finnen zusätzlich einen sehr ausgeprägten Sinn für Humor, was im Prog Rock, der sich oftmals noch viel zu ernst nimmt, beileibe nicht gewöhnlich ist. Und von satirischen bis hin zu zynischen Wendungen gibt’s auf „Hyönteisiä Voi Rakastaa“ so etwa jede musikalische (wie wohl auch textliche) Klangschattierung zu bewundern, wobei die DAMPFMASCHINE (deutsche Übersetzung des Bandnamens) jede Menge Fahrt aufnimmt – und wortwörtlich höllisch unter crimsonesken Dampf setzt, der seine Umgebung aber in keiner Weise klonend verpestet, sondern durch die ungewöhnlich hohe Einbindung von Streichern jeglicher Art in gänzlich neue Höhen schweben lässt. Selbst der Gesang, der von russischen Kosaken-Chören über feurige Arien bis zu röhrendem Rock seine Felder zieht, weicht deutlich von dem ab, was ein JOHN WETTON, GREG LAKE oder ADRIEN BELEW unter der KING CRIMSON-Flagge feilboten.

Ganz offensichtlich wird dies bei „Luottamus“! Der Hörer glaubt anfangs, in „Starless“ vom „Red“-Album versetzt zu werden. Doch erfährt der Song dann eine der wohl ungewöhnlichsten Transformationen zu einem Bar-Jazz-Verschnitt, welcher, während man noch über diese ungewöhnliche Wendung grübelt, dann mit einem Schlag wieder die Crimson-Pfade beschreitet, allerdings diesmal die des „erwachten Poseidons“!

„Kosto“ wiederum präsentiert uns eine abgefahrene Kombination aus „Lizard“ und „Islands“, die urplötzlich dem totalen Wahnsinn verfällt, mit brachialen Männer-Chören und schiefen Klangexperimenten, bis es dann wieder in Richtung „Starless“ abgeht – das muss wohl der KING CRIMSON-Lieblingssong der Finnen sein – und zwar in den Bereich, der sich nach dem Gesangsteil ähnlich wie ein Bolero steigert und immer mehr Dynamik entwickelt, bis er regelrecht zu einem Jazz-Monstrum mutiert und wie der Urknall explodiert.

Das folgende Instrumental „Hätä“ erinnert an eine andere, nämlich die „Discipline“-Neuzeit der Crimson-Ära mit ADRIAN BELEW an der Gitarre.

Die wilde musikalische Achterbahnfahrt „Made in Finlandia“ geht darauf hin in eine völlig neue Runde, wobei einen das den Titel im Booklet illustrierende Bild mit einem herrlichen Sonnenauf- oder -untergang völlig in die Irre leitet. Hier ist nichts entspannt oder verträumt. Jetzt geht’s zur Sache, erst mit Gesang, der durchaus auch in einer Arie auftauchen könnte, und mit Gitarren, die dermaßen drauflosbrettern, dass sogar alle Freunde der Metal-Fraktion vor Glück ein feuchtes Höschen bekommen, während sie headbangend mit abgespreizten kleinen und Zeigefinger wild durch die Bude hüpfen. Das ist eben das ganz Besondere an der Musik von HÖYRY-KONE: sie nehmen sich nicht zu ernst, beherrschen aber handwerklich und kompositorisch das, was sie da von sich geben, gänzlich perfekt.

Würde man jetzt noch die finnischen Texte verstehen, die sich garantiert auf dem gleichen Niveau wie die Musik bewegen, dann wäre das wahr Prog-Rock-Glück komplett! Das ist allerdings noch nicht das Ende, denn auch der letzten Song – ja, genau jener, der mit einer ekligen, überdimensionalen Scheißhausfliege, die in einem Suppenteller sitzt, im Booklet illustriert wurde – verarscht uns noch einmal gehörig. Während wir kurz danach glauben, wir hätten diese schwindlig machende Prog-Achterbahnfahrt unbeschadet und ein wenig benommen überstanden, weil Stille eintritt, dann haben wir uns gehörig geschnitten. Von hinten rast noch ein Wagen in voller Geschwindigkeit auf uns zu, der noch einmal mit regelrecht markerschütterndem Metal-Krach durchstartet. Einsteigen, festschnallen und die Augen schließen! Was uns „Hyönteisiä Voi Rakastaa“ (dt. „Es ist möglich, Insekten zu lieben“) zu bieten hat, macht jeden Prog-Freund, dem KING CRIMSON ein Begriff ist, schwindlig.
Garantiert!

FAZIT: Für HÖYRY-KONE müsste man eigentlich eine neue Musikschublade erfinden: „Höllischer Streicher-Prog im crimsonfarbenen Gewand“ - aber der Begriff Finn-Crimson tut's schließlich auch!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3220x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Örn
  • Raskaana
  • Hämäräm Joutomaa
  • Pannuhuoneesta
  • Luottamus
  • Kaivoonkatsoja
  • Kosto
  • Hätä
  • Myrskynmusiikkia
  • Hyönteiset

Besetzung:

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