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Konstantin Wecker: Utopia (Review)

Artist:

Konstantin Wecker

Konstantin Wecker: Utopia
Album:

Utopia

Medium: CD
Stil:

Deutscher Liedermacher und Lyriker

Label: Sturm & Klang
Spieldauer: 58:49
Erschienen: 18.06.2021
Website: [Link]

„Ich bin zwar ein alter Anarcho, aber eigentlich bin ich im tiefsten Herzen immer auch schon ein Romantiker gewesen...“ (Konstantin Wecker im Booklet zu „Utopia“)

Grade erst wirft unser aller UDO LINDENBERG seine x-te „Best Of“-Sammlung unter dem Titel „Udopium“ auf den Markt, schon zieht ein KONSTANTIN WECKER mit einem neuen Studio-Album, das einen sehr ähnlichen Titel hat, aber eben das 'echte Utopia' (also ein Land oder eine Gesellschaft bzw. Utopie, welche auf einem idealen Wunschtraum basiert) meint, nach.
Weckers Tür zu „Utopia“ steht also weit offen, zumindest wenn man sich das Album-Cover sowie das 24-seitige Booklet mit allen Texten und einem Wecker-Geleitwort genauer betrachtet – und natürlich ist der Hintergrund geprägt von der Farbe rot, welche zugleich nach wie vor der Gesinnung des altehrwürdigen Liedermachers entspricht, der nach eigener Aussage im Geiste immer jung und kämpferisch geblieben ist, selbst wenn der Körper diesbezüglich nicht mehr so richtig mitzieht, genauso wie er es auch in „An die Musen“ ausdrückt: „Ich will – ich geb es zu, es ist vermessen - / dem Alter trotzen, das sich ungefragt / in meinem Körper breit macht und ich will vergessen, / dass dieser Zahn nun auch an meiner Zeit nagt.“

Die Tür nach „Utopia“ ist demnach keine moderne Schnick-Schnack-Einbautür, sondern aus altem Holz mit knarrenden, ungeölten Scharnieren gemacht sowie mit einem kommunistischen Anstrich übertüncht und führt im Grunde mehr in die Vergangenheit, in der beispielsweise auch als 2021er-Version noch immer ein „Willy“ lauert, als in die sonnige Zukunft. Die ist eher klimageschädigt und ungerecht und überhaupt verseucht durch den ganzen Egoismus der Wohlstandswelt, von dem auch, selbst wenn er es immer weniger akzeptieren möchte, ein KONSTANTIN WECKER profitiert.

Weckers neues Album ist wohl auch aus diesem Grunde deutlich zu verkopft geworden, sich zwingend viel klassisch angehauchter Poesie hingebend und deutlich zu ruhig für einen Alt-Anarcho. Noch dazu baut es auf der nicht wirklich klugen Entscheidung auf, die fast durchgängig ruhigen Lieder mit dem Rezitieren eigener Gedichte zu kombinieren.

Das beginnt bereits mit der gesprochenen Album-Eröffnung, die weit in die Vergangenheit der Dichter und Denker mit dem „Prolog“ zum 'Faust' zurückgeht, in dem Wecker tatsächlich die Dreistigkeit besitzt, das Lebenswerk von Goethe umzudichten, um zu folgendem Schluss zu kommen: „Das war's dann schon. Ein Ahnen nur. / Kein Wissen. Nie. Nur eine Spur / von dem, was diese Schöne Welt / im Innersten zusammenhält.“
Kurze Zeit später dichtet er uns ein Sonett, um in „Warum Sonette?“ zu erklären, weswegen diese Gedichtform, mit der man nur zu gerne Schüler in ihrer Deutsch-Prüfung quälte, noch immer so wichtig ist.
Oftmals hat man beim Hören der Lyrik und/oder Lieder den Eindruck, Wecker hätte sich irgendwo in der Klassik verfangen, sei stehengeblieben in althergebrachten Strukturen und bringt mit jedem einzelnen Text seine immerwährende Unzufriedenheit zum Ausdruck, verbreitet Pessimismus statt sich um einen optimistischen Blick zu bemühen. Dieses „Utopia“ werden nicht wirklich viele als erstrebenswert erachten. Selbst wenn darin dieser wunderbare (Er-)Wecker-Satz, der eigentlich jedermanns Leben bestimmen sollte, doch leider viel zu oft in einem tiefen Schnarchen untergeht, auftaucht, den man sich nicht nur übers Bett, sondern auch über alle öffentlichen Gebäude hängen sollte: „Nur weil sie uns unsere Träume ausreden wollen, heißt das nicht, dass wir sie nicht verwirklichen können.“

FAZIT: Ein Album mit wenigen Lichtblicken oder wahrhaft kämpferischen (statt ständig vorwurfsvollen) Ansagen ist dieses ruhige, schon fast lyrisch-altersweise, in klassischen Gedicht- und Lied-Schemata stecken gebliebene „Utopia“ von KONSTANTIN WECKER geworden, in dem er seine Lieder (größtenteils ruhig) singt und eigene Gedichte rezitiert. So wird das Stück „Es gibt kein Recht auf Gehorsam“ zum besten des Albums, aus textlicher wie musikalischer Sicht. Nur warum hält sich Wecker eigentlich nicht an diesen Grundsatz und verstrickt sich in viel zu festgefahrenen Strukturen, die ihn höchstens nach Klassiker, aber kaum noch nach Kämpfer klingen lassen, selbst wenn er auch in „Utopia“ seinen Willy mit einziehen lässt?

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3738x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 8 von 15 Punkten [?]
8 Punkte
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Tracklist:
  • Prolog: Faust
  • An die Musen
  • Was einem der Regen raunend erzählt
  • Warum Sonette?
  • Bin ich endlich angekommen?
  • Was mich wütend macht
  • Es gibt kein Recht auf Gehorsam
  • Das wird eine schöne Zeit
  • Was uns am Leben hält
  • Die Tage grau
  • Es lebe die Zerbrechlichkeit
  • Wir werden weiter träumen
  • Schäm dich Europa
  • Utopia
  • = Zugaben =
  • Wie lieb ich es, den Tieren zuzusehen
  • Anstatt zu siegen
  • Willy 2021

Besetzung:

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