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Flittern: Flittern (Review)

Artist:

Flittern

Flittern: Flittern
Album:

Flittern

Medium: CD/Download/LP farbig
Stil:

Deutsch Rock und Punk auf Rezept

Label: AL!VE/Unter Schafen Records
Spieldauer: 41:10
Erschienen: 21.10.2022
Website: [Link]

Aber hallo, FLITTERN flirten auf punkige Weise mit den ÄRZTEN – und haben's doch tatsächlich drauf, sich auf ihrem gleichnamigen Album locker und lässig musikalisch (nicht ganz) wie textlich (voll und ganz) mit den Musik-Medizinern auf eine Stufe zu stellen. Dabei brauchen sie nicht beschwerlich zu klettern, sondern meistern locker den Aufstieg, besonders auch wegen ihrer nicht etwa Hau-drauf-auf-die12-Texte, sondern wegen der klugen Poesie mit Botschaften durch die Blume, aber auch als pure Provokation. Genau das braucht gute Rockmusik aus Deutschland – gute Texte, ähnlich wie die von FLITTERN.

Aber nicht nur das: FLITTERN verbinden diesen poetisch Eindruck zugleich mit dem intellektuellen Charme von KETTCAR und TOCOTRONIC und anderen, die man gerne zur sog. 'Hamburger Schule' zählt. Nur dass bei FLITTERN eben der Punk die musikalische Richtung vorgibt und bei der einen oder anderen geschrieenen Passage leider die textliche Botschaft nicht ganz richtig zu verstehen ist.

Mitunter holt man sich nicht nur ein paar aufgeschlagene Knie – wie auf dem Cover zu sehen – sondern gleich ein eingeschlagene Nase und im schlimmsten Falle noch ein blaues Auge mit dazu. Zumindest im übertragenen Sinne, womit der Albumopener „Delirium“ gleich zum großen Schlag ausholt: „Die einzige Arznei, die den klammen Herzen bleibt, ist die Hoffnung, dass die gottverdammte Welt zu ändern sei.“ Obwohl der nächste Song dann fragend mit „Willst du mit mir aussterben gehen?“ gleich noch einen draufsetzt und die Apocalypse heraufbeschwört, während die Gitarren und das Schlagzeug wild mit Punk-Attitüde drauflosbrettern.

Oder wenn in „Hügel überm Dorf“ ein paar Anekdoten aus der Jugend- und Dorf-Zeit, die einen sozialisiert hat, erzählt wird und wie wichtig die 'Onkelz' damals waren, während man ein wenig auf deren Zug aufspringt. Aber haben die nicht auch irgendwie eine Form von Punk fabriziert? Deutsche Härte, die eben auf „Alman Angst“ trifft.
Und dann gibt’s absolut verständlich und mit klaren Worten, die in gewisser Weise auf andere Art das wiedergeben, was uns WIR SIND HELDEN längst wissen ließen, das „Denkmal“ präsentiert, welches die gelbvinylige LP-A-Seite abschließt: „Weil der Tod dir ein Denkmal baut, das mir nichts nützt, hab' ich in meinen Holzkopf deinen Namen eingeritzt […] Deinetwegen ist und bleibt immer noch jedes Grab nur ein etwas schöneres Loch.“

Genau in diesem Sinne setzen sich Musik und Texte auch auf der B-Seite fort und man ist sicher auch hier froh, dass die gelbe Innenhülle alle in rot gedruckten Texte enthält, egal, ob sie nun von dem erfolglosen Versuch, sich anzupassen („MTV Made“) oder das Abgehängtsein eines 'Downer' („Stadt aus Flitter“) sowie ferne und bleiche Tage wie die „Flaggen auf dem Mond“ erzählen. FLITTERN hört man gerne zu, weil sie eben mehr als ein „Alles scheiße“ oder „Supi-dupi-trallala“ zu sagen haben und am Album-Ende den Mut aufbringen, den Zombies Zucker zu geben („Die meisten sind zum Sterben hier und warten auf den Leichenschmaus.“) oder mit „Viva Widerstand“ tatsächlich zum Widerstand aufrufen: „Schreibt es groß auf alle Türen, sprüht es rot an jede Wand: Viva Widerstand! Viva Widerstand!“

Und selbst als alter Kritikersack denkt man sich, während einem die punkigen Klänge noch in den Ohren tönen: „Oh ja, solch ein Widerstand, der sich nicht gegen Kunst wendet, sondern (musikalische) Kunst schafft und zehnmal mehr zu sagen hat, als Tomatensuppe auf Van Goghs 'Sonnenblumen', wäre gar nicht so falsch...“
Also – ab geht’s zum widerständigen Flirten mit FLITTERN!

FAZIT: Sollte man FLITTERN etwa einen Besuch bei den ÄRZTEN empfehlen? Ganz bestimmt nicht, denn mit ihren intelligent-provokativen Texten und ihrer punkigen Unbeschwertheit landen sie mit ihrem Debüt-Album genau da, wo DIE ÄRZTE einstmals angefangen haben, ohne sich dabei zu verbiegen. Die drei Jungs machen es einem mit ihren unbeschwerten, aber immer wieder berechtigte Beschwerde erhebenden Texten nicht leicht und beweisen so, dass deutschsprachiger Rock im fetten Punk-Gewand präsentiert noch immer Wirkung hinterlassen kann, ohne auch nur im geringsten peinlich zu wirken. Kein Wunder, dass dabei gerade die 'Alman Angst' immer wieder zum Thema wird: „Wäre die Nation ein einziges Gefühl, dann sicher Angst.“ Wie recht die Jungs doch haben – also keine Angst, auf FLITTERN sich einzulassen, kann durchaus ein geiler musikalischer Flirt werden.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1355x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
11 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (22:00):
  • Delirium
  • Willst du mit mir aussterben gehen?
  • Alman Angst
  • Satt
  • Hügel überm Dorf
  • Denkmal
  • Seite B (19:10):
  • MTV Made
  • Viva Widerstand
  • Stadt aus Flitter
  • Flaggen auf dem Mond
  • Zombiezucker

Besetzung:

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