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Interview mit Grüßaugust (12.11.2013)

Grüßaugust

Robert Beckmann ist Sänger und Geiger einer Band mit dem etwas seltsamenen Namen GRÜßAUGUST. Nicht minder seltsam war der Name einer Band, in der er vorher aktiv war und die hierzulande einigermaßen bekannt war - THE INCHTABOKATABLES. Die liegen seit langem auf Eis und bleiben da auch liegen, der Fokus liegt auf GRÜßAUGUST, die Anfang des Monats ihr zweites, dennoch selbstbetiteltes Album veröffentlicht haben. Und so eigensinnig, wie seine Musik, ist Beckmann auch im Interview.

Schönen guten Tag, ich hoffe, es geht gut. Es ist der 04.11., es ist kalt, dunkel und nass. Bei euch dürfte trotzdem eitel Sonnenschein herrschen, denn vor drei Tagen erschien "Grüßaugust" als Ergebnis einer Pledgekampagne. Da ist man schon erleichtert, oder?


In erster Linie ist man froh, dass das Album, dieses Album, so wie es aufgenommen, gemischt, gemastert und layoutet wurde, tatsächlich da ist.

Wie fühlt es sich an, so eine Kampagne ins Leben zu rufen, nicht wissend, ob sie von Erfolg gekrönt sein wird? Wir oft am Tag klickt man auf die Projekt-Seite, um das Ergebnis abzurufen?

Am Anfang war, wie so oft, die Unzufriedenheit Triebkraft darüber, nachzudenken, wie man unsere CD besser machen kann. Die erste haben wir mit der Hand zusammengeklebt, was durchaus Spaß macht, aber eben auch sowohl die Lebensdauer als auch die Freude, so eine CD in die Hand zu nehmen und einzulegen, deutlich verringern dürfte.

Man hat... wir jedenfalls haben nicht jeden Tag nachgeschaut. Es gibt genug anderes zu tun, als Statistiken zu lesen und auf das Resultat hatten wir auch nur Einfluss durch unsere Kleinstwerbeaktionen mit Videos etc. auf den bekannten Portalen.

GrüßaugustEnde September war es so weit, das Ziel der Kampagne wurde erreicht. Daraufhin habt ihr doch sicher erst einmal eine Kiste Champagner vernichtet, oder?

Klar waren wir froh, bedeutet es eben doch auch, dass einige mehrere, fast viele Leute auf dem Weg ihr Interesse an der Band und der Musik kundtun konnten und uns direkt unterstützt haben. Champagner gab es nur für die Oberente Frolln. Trenks :-) (die sich um die organisatorischen Belange der Band kümmert - d. Verf.)

Zwar behauptet ihr, dass jene Band mit dem Namen THE INCHTABOKATABLES weitestgehend vergesen sei, aber letztlich dürfte eben doch eure Vergangenheit bei dieser Band geholfen haben, das "Grüßaugust"-Projekt erfolgreich zu gestalten oder meint ihr nicht?

Schon bei der alten Band war es so, dass wir mit jedem Album etwas anders klangen. Bis hin zu "Mitten im Krieg", der letzten und für mich schönsten Platte, die verglichen mit älteren Sachen komplett anders klingt. Stilistisch wie musikalisch – und die Fans erzählen dir, es klänge so schön nach den Inchies. Nach welchen?

Das ist die Hypothek. Die Vergleicherei.

Das Pro ist sicher, das neben uns auch noch andere Leute da sind, die sich erinnern (können :-) ).

Ihr habt im Februar dieses Jahres beschlossen, genannte Band weiterhin ruhen zu lassen. Bei wem hat das am meisten Frust verursacht? Oder sind da keine negativen Gefühle bei?

Einige Fans dürfte es schlimmer treffen als uns – Inch pausieren ja nur wieder für elf Jahre.

Die Band GRÜßAUGUST gibt es ja schon mindestens seit 2010. Wie kam es zur Bandgründung und wie seid ihr, Robert und Titus, an die anderen beiden Bandmitglieder gekommen?

Titus rief mich Ende 2010 an und fragte mich, ob wir nicht wieder zusammen Krach machen wollten. Den Bassmann Schlaf kannte Titus, Tomoko kam nach Gitarristenwechseln als absoluter Glücksfall zur Band. Die Geschichte ist etwas zu lang an dieser Stelle.

Die Frage nach dem Bandnamen muss ja kommen. Warum gerade dieser, zunächst etwas ulkig und albern wirkende Name (was ein Grüßaugust ist, steht in der Wikipedia)?

GrüßaugustFrag mal Titus und mich nach Bandnamen. Da lachen ja die Enten.

Und warum wurde es ein deutschsprachiger Bandname? Eure Texte sind ja zum größeren Teil nicht deutsch gehalten.

Da lachen sie jetzt zum Beispiel finnisch.

Ein Song, nämlich "Parad" ist gar in Russisch gesungen. Warum das? Und worum geht es in dem Song, den ich als latent aggressiv empfunden habe?

Im Wesentlichen geht es um die Frage einer jungen postkommunistischen Generation, die eben agressiv fragt, ob sie noch an die von den Alten in ihrem Namen unterzeichneten Verträge gebunden ist.

In meinem Review schrieb ich, dass eure Musik prima zum nasskalten, düsteren November passt und bei warmem Sommerwetter weniger gut funktionieren würde. Würdet ihr das unterschreiben?

Die Platte ist im schönsten Spätfrühling aufgenommen worden, meistens sogar nackt, wegen der Stimmung – das war nicht sonderlich depressiv.

Ist es ein beabsichtigter Kontast zwischen dem "lustigen" Bandnamen und der allgemein eher schwermütigen Stimmung auf dem Album?

Es gibt so eine Art heimlicher GRÜßAUGUST-Hymne. Bevor es ans Schreiben von neuen Songs geht, zwingen wir uns, selbige mehrere Stunden zu singen. Das wird aufgenommen und unter Zwang abgehört. Danach fällt dir nicht mehr so viel Lustiges ein.

Ihr sprecht von der ehrlichsten Platte, an der ihr mitgearbeitet habt. Warum ist das so?

Die Platte ist mit einfachsten Mitteln in unserem 16,5 qm großen Probenraum aufgenommen worden. Live eingespielt auf zwölf Spuren. Zusätzliche Spuren gab es nicht (bis auf die Vögel). Nur Gesänge wurden zum Teil neu aufgenommen.

Was bedeutet, dass Mikrofone nicht da standen, wo sie hingehören, sondern wo wir meinten, dass sie stehen sollten – purer Dilletantismus also.

Resultierend aus unserer offensichtlicher Unfähigkeit einem ausgebildeten Toningenieur zu erklären, wie diese Band klingt. Die Band weglassen wäre Quatsch – also ohne Ingenieur. Damit schränkt sich dann auch die Wahl der Studios ein.

Und zu Hause ist es sowieso am Schönsten, wie wir schon immer wussten.

Niemand außer uns hat mit dieser CD zu tun. Wir können nichts irgendjemandem in den linken oder rechten Schuh schieben, geschweige denn ihm eine Grube daraus graben. Nur wir.

Im Umkehrschluss müsste das ja bedeuten, dass andere Platten, an denen ihr mitgewirkt habt, weniger ehrlich waren. Warum war dem so?

Quatsch. Wir waren einfach weniger selbstbestimmt, haben mehr Kompromisse gemacht. Vorbei.

Ein paar Worte zu eurer Heimat Berlin. Ich selber komme aus der Ecke Rheinland/Ruhrgebiet und finde Berlin, nun ja, interessant. Ich mag in gewisser Weise das Hässliche, das die Stadt ausstrahlt, betrachte aber das Hippe mit etwas Argwohn bzw. empfinde das als überbewertet. Ich denke mal, dass ihr das ganz anders seht, oder? Inwieweit seht ihr die (kulturelle und soziologische) Entwicklung eurer Stadt kritisch?

Wir leben in Berlin. Diese Sicht von außen auf die Stadt als Stadt funktioniert für Berliner oder  assimilierte Langzeitwahlberliner nicht.

Wenn in meinem Kiez ein Laden dicht macht, ist es meine Entscheidung, etwas dagegen zu tun. Nach Steglitz fahr ich dafür nicht.

Was macht authentische Berliner Kunst aus? In gewisser Weise sehe ich eure Musik als eben das.

GrüßaugustDas kann ich überhaupt nicht sagen. Was Musik angeht, gibt es ja immer irgendwie etwas auch aus Berlin.

IDEAL war sicher sehr Berlin, INTERZONE, EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN – die Aufenthalte von Bowie, Cave – alles ganz schön Berlin, aber ein bisschen her.

Ich denke, wenn man in Berlin lebt, einen Trends nicht sonderlich interessieren und auch musikalische Grenzen ihren Schrecken verloren haben, hat man gute Chancen nach der Stadt zu klingen. Hoffentlich :-)

Wie ist eigentlich aus eurer Sicht das Berliner Publikum bei Konzerten? Ich komme eher aus dem Metal und da liest man immer mal wieder, dass zu den Konzerten nicht gerade viele Leute kommen und die dann auch lieber mit dem Bier in der Hand herumstehen, als mitzugehen.

Stone cold faces – aber in unserem Fall bisher selbige mit Mundwinkeln nach oben.

Und im letzten Drittel tanzen und – huch! – sogar Gerammel.

Die nächsten beiden Fragen bezogen sich auf ehemalige Mitmusiker wie Oliver Riedel, der inzwischen bei RAMMSTEIN tätig ist, und Cellist B.Deutung, den man von Engagements bei vielen namhaften Acts kennt. Die Fragen wollte Beckmann aber nicht so recht beantworten und kommentiert wie folgt:

In Kontakt sind wir alle und die Vereinbarung ist für alle gleich. Ich kann dir etwas über Titus (da bin ich autorisiert glaub ich :-) ) oder mich erzählen, ein bisschen auch über Tomoko und Schlaf. Es ist 2013.

Inwieweit waren THE INCHTABOKATABLES aus eurer Sicht Vorreiter für die Entstehung des Mittelalter-Metals in Deutschland? Und wie betrachtet ihr die Entwicklung dieses Genres in den letzten Jahren?

Wer hat den Schweizer Kräuterzucker erfunden?

Danke fürs Beantworten meiner Fragen und alles Gute für die Zukunft.

Danke sehr!

Alle Bilder: Janice Mersiovsky, Kleinesfoto.de

Andreas Schulz (Info)
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