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Interview mit Disbelief (14.06.2009)

Disbelief
DISBELIEF bringen mit „Protected Hell“ ihr achtes Studioalbum unters Volk, das extremen Metal der mitreißenden Art bietet. Sänger Karsten philosophiert mit uns…

Musikschreiber reden gerade bei extremen Bands immer gerne von Musik, welche die Abgründe des Menschen beleuchten, aber nur bei wenigen Bands wie euch gerät dies nicht zur Floskel. Wie weit kann man deiner Meinung nach sein Inneres über die Musik ausdrücken, ohne sich selbst dabei zu verlieren - beziehungsweise die Musik dabei zum rein subjektiven und für Außenstehende nicht mehr nachvollziehbaren Erlebnis zu machen?


Disbelief - Protected HellDafür ist die Magie von Disbelief, wie auch die heutige Zeit verantwortlich, denn diese bewegt mich als Textschreiber immer wieder dazu, (wenn es um neue Songs geht) die Dramaturgie eines Songs in Worte zu fassen, kombiniert mit meinem Blick für mein Umfeld, oder das, was mich bewegt, was ich für Eindrücke aus der Außenwelt so mitbekomme, um diesen Song perfekt für mich zu ergänzen.    

Gerät man bei der Beschäftigung mit Innerlichkeiten unweigerlich an die dunkle Seite des Ichs, oder ist dieser Art der Einkehr am Ende gar nichts Positives abzugewinnen? - Immerhin gelten diejenigen, die sich fröhlichen Themen in ihrer Kunst widmen, als oberflächlich, doch ist das wirklich so?

Es ist, glaube ich, ein Mix aus all dem. Zum Einen will man den Song perfekt unterstützen, sich selbst gut in Szene sehen, was die Vocals betrifft. Die Symbiose von Musik und Text muss stimmen, um gewisse Stimmungen zu erzeugen. Man sorgt sich um Menschen und würde gerne die schützende Hand in Form eines Textes darüber legen und aus der Ferne irgendwo einen Anstoß von Hilfe geben. Das macht es sehr interessant, Texte zu schreiben. Auf der anderen Seite wirkt es auch manchmal wie eine Bürde auf einem, die Symbiose zu finden, denn nicht immer funktioniert dies auf Anhieb, das zieht sich dann meistens bis ins Studio, wo es ja dann Ernst wird. Wenn alles getan ist, wirkt das dann immer wieder wie ein innerlicher Befreiungsschlag. Ob fröhliche Musik oberflächlich ist, mag ich gar nicht beurteilen, dafür begegne ich fröhlicher Musik zu selten, weil mich diese nicht so sehr interessiert und ich somit mit ihr auch oberflächlich umgehe. Natürlich gibt es auch Musik, die einem durch ihren Charme zu guter Laune verhilft, was auch eine gute Medizin sein kann.

Wenn du dich mit dem Leiden befasst: kommst du dann nicht unweigerlich auch vom Einzelnen zur Allgemeinheit? - Ist jede Art die Persönlichkeit betreffender Kunst demnach nicht irgendwann politisch?

Mit Politik hat das meiner Meinung nach nur gering zu tun, ich glaube eher, dKarsten von Disbeliefass die Menschen heutzutage immer mehr daran zugrunde gehen, dass das  normale Leben zu langweilig geworden ist. Ich glaube, dass eher die Medien statt die Politik viel zu viel Platz in den Köpfen der Menschen einnehmen. Wenn du schon krank im Kopf bist und du dann noch die Chance bekommen wirst, für ein bis zwei Wochen die Schlagzeilen der großen Tageszeitungen zu füllen, dann rennst du auch mal durch eine Schule und tötest mal eben ein Haufen Menschen, tötest dich danach selbst und bist dir dabei sicher, dass du danach das Gesprächsthema sein wirst. Aufmerksamkeit, die du in deinem realen Leben nie erlangt hast. Dafür sind aber keine Medien oder Politik verantwortlich, einzig und allein die Eltern sollen aufmerksam sein und kein anderer.

Kann man sich gesellschaftlichen Fragen heute noch verschließen? - Auch in deinen Texten klingt der öffentliche Aspekt wiederholt an. Das Soziale oder dessen Abwesenheit spielen schließlich eine Rolle bei der individuellen Lagebestimmung.

Deshalb habe ich den Weg des Heavy Metals gewählt, um meine persönliche Lagebestimmung zu finden und bin ganz zufrieden damit, weil ich hier nicht so viel Oberflächlichkeit finden kann. Meistens höre ich eigene Meinungen und kann immer wieder feststellen, wie viel Stärke der Heavy Metal, in welcher Form auch immer, den Fans bringt. Heavy Metal macht einen stärker, um sich im realen Leben durchsetzen zu können. Am besten passiert das dann noch mit langen Haaren, das auch jeder sehen kann, mich verarschst du nicht, weil ich einen starken Charakter habe, auch dank des Metals.

Wenn also der Einzelne als thematisches Hauptanliegen ins Allgemeine übergeht, muss  eine Botschaft für selbige vorhanden sein. Was also drücken Disbelief textlich und musikalisch aus, an dem sich potentielle Hörer bereichern, abreagieren oder was auch immer sonst tun können?

Trost zu spenden für diejenigen, die diese Kraft nicht besitzen, immer wieder an sich zu glauben. In verzweifelten Situationen Halt zu bieten, dass da was ist, was wie eine Art Medizin wirkt, ohne dass da ein Doktor, eine Apotheke oder ein Krankenhaus etwas mit zu tun hat. Diese Art von Aussagen haben wir jetzt schon vermehrt wahrgenommen, wenn wir nach Konzerten mit Fans sprechen, die schwierige Zeiten dank unserer Musik besser bewältigen konnten, was uns natürlich sehr glücklich macht. Wenn wir durch unsere Musik helfen können. Die nächste CD von uns wird es dann wahrscheinlich leider nur noch auf Rezept geben, tut mir leid!
Andreas Schiffmann (Info)
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