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Interview mit Kaura (14.06.2012)

Kaura

Die Alternative Progger KAURA von der sonnigen Westküste der USA haben mit ihrem nicht mehr gänzlich aktuellem Debütalbum auf diesen Seiten begeistert und werden, wenn es mit rechten Dingen zugeht, Freunde von Tool bis The Tea Party für sich einnehmen. Sprachrohr Malcolm stellte sich unseren Fragen redegewandt, wie man es von einem Weltreisenden erwarten konnte.

Was habt ihr von eurer Reise in den fernen Osten mit nach Hause gebracht, schlicht Weisheiten fürs Leben allgemein oder irgendeine spezielle philosophische Erkenntnis?

Gute Frage … Bei mir persönlich überschneidet sich beides so weit, dass ich Wissen fürs Leben und konkrete Philosophie, die sich wiederum darauf anwenden lässt, nicht trennen kann. Einen besonders starken Eindruck machten die Bewohner jener Länder dahingehend, dass sie ihre Spiritualität aktiv im Alltag ausleben. Auf Bali zum Beispiel schiebt man sie genauso wenig wie den individuellen Glauben nur aufs Wochenende oder Momente ab, in denen man Zeit dafür hat, sondern praktiziert beides andauernd in allen Lebenssituationen. Die eher spirituelle Religion bildet das Rückgrat kleiner Gruppen wie der ganzen Gesellschaft, prägt Kunst, Kultur und so weiter. Diese Völker setzen ihre Philosophie praktisch um, was auch für andere Länder in der Gegend gilt, soweit ich es beurteilen kann, also waren die Weisheiten und philosophischen Ansichten, die ich beim Beobachten gewann, mehr oder weniger ein und dasselbe.

Allerdings lernte ich viel mehr als nur das. Ich machte unterwegs sehr unterschiedliche Erfahrungen und sann darüber nach, wobei sich mein Horizont beträchtlich nach innen wie außen erweiterte. In den meisten Ländern, die wir besuchten, herrschte große Armut, und ein Teil deiner selbst ändert sich nachhaltig, sobald du einmal erlebt hast, wie sich Menschen unter solchen Bedingungen zurechtfinden. Was ich empfand, war riesige Dankbarkeit, und ich lernte wieder zu schätzen, was ich selbst besitze. Dass man dies für selbstverständlich hält, liegt für einen Bewohner der sogenannten Ersten Welt nahe, doch hat man das andere Extrem gesehen und ist zugleich unheimlich herzlich empfangen worden, kommt man nicht umhin, sich einer gewissen Verantwortung oder Pflicht bewusst zu werden: Wir sollten die Fülle an Möglichkeiten nutzen, die sich uns bieten, und zwar zum Wohle aller Menschen. Ich fühlte mich dazu ermahnt, mein Leben tatkräftig anzugehen, statt das Potenzial zu verschwenden, über das ich dankenswerterweise verfüge.

Wo sollte man zu forschen beginnen, wenn man am Lebensstil und den Lehren des Ostens interessiert ist? Schlägst du bestimmte Bücher vor, oder stürzt man sich am besten gleich selbst ins Abenteuer?

Ich würde sagen: Lasst euch von dem verzaubern, was euch spontan anspricht, und folgt dieser Linie. Ich fühlte mich stark zur indischen Kultur hingezogen, und sowohl Bali als auch Thailand inspirieren mich von jeher, also war klar, dass mein Weg dorthin führte. Folglich macht man bestimmt auch die besten Erfahrungen, wenn man die Länder bereist, von denen die größte Faszination ausgeht, denn kein Buch kann den Erfahrungsschatz aufwiegen, den man auf Reisen anhäuft. Eine niedergeschriebene Unterhaltung ist nichts im Vergleich zu jener, die ich an einem Tempel auf einer Anhöhe in der Nähe des thailändischen Dorfs Pai mit einem Mönch führte. Auch die Geschichten eines jungen Tibeter im indischen Dharamsala, der gerade einen zweimonatigen Fluchtmarsch durch den Himalaja hinter sich hatte, hätte keine aufwändige Filmproduktion derart eindrücklich aufbereiten können. Zieht hinaus in die Welt und gewinnt Eindrücke aus erster Hand. Ich glaube, Europäern fällt es leichter, ihre Heimat zu verlassen; viele Amerikaner haben ja nicht einmal einen Reisepass!

Davon abgesehen gibt es noch etwas, das die hautnahe Erfahrung jener Länder im Osten ausmacht: Ich kann zwar vielen Aspekten des Buddhismus, Taoismus oder Hinduismus etwas abgewinnen, aber wenn man erfährt, wie die Menschen sie anwenden, offenbaren sich auch Schattenseiten. Religionen, Glaubenssysteme oder Philosophien stellen bloße Grundsätze dar, und es kommt darauf an, inwieweit sie sich praktisch gebrauchen lassen. In diesem Sinn gibt es nichts gänzlich Vollkommenes, und indem man erkennt, was wirklich hinter alledem steckt, erhält man eine großartige Möglichkeit, mit sich selbst auszumachen, inwieweit man damit übereinkommt oder eben nicht. Letzten Endes ist mir aber auch klar, dass es leichter fällt, ein Buch zu kaufen als ein Flugticket, also würde ich spontan einen Band empfehlen, Paramahansa Yoganandas Autobiografie.

Kommen wir zu den Texten. Der von „2C&B“ liest sich, als würdet ihr das Leben als ewigen Kreislauf betrachten, also auch an Reinkarnation glauben …

„Die Lyrics beziehen sich zumindest teilweise auf Wiedergeburt, das stimmt. Ich glaube daran und habe das Konzept als Grundlage für „2C&B“ verwendet. Von einem rein physischen Standpunkt aus betrachtet – denn von nichts weniger geht die Physik nach wie vor aus – können Energie und Materie laut Einstein niemals im eigentlichen Sinn zerstört werden, sondern nur ihre Erscheinungsform ändern. Dies passt analog zu der Auffassung, das Bewusstsein gehe von einem Wesen, von einer Inkarnation zur nächsten über. Da sich mein Bewusstsein nur durch die Gestalt meines gegenwärtigen Selbst äußert, bleibt mir nichts weiter übrig, als dieses eine Leben zu leben … Ich werde nie wieder Malcolm sein, aber ziehe ich den Körper nicht in Betracht, so warten noch viele weitere Existenzen auf mich, nachdem die von Malcolm zu Ende gegangen ist.

Sera Phi“ spricht sich gegen Gotteshörigkeit aus, weil man sein Leben in die eigenen Hände nehmen sollte, nicht wahr?

„Es ist kein eigentlicher Affront, sondern soll nur daran gemahnen, dass wir selbst die Quelle sind – Götter, Buddhas oder was auch immer sonst. Demnach sollten wir nur uns selbst gegenüber hörig und ehrerbietig sein, der Gottheit in unserem Inneren gewahr werden. Das hat aber nichts mit Narzissmus oder Überheblichkeit zu tun; indem man die göttliche Natur des Selbst erfasst, begreift man, dass wir alle jeweils Teile desselben höheren Bewusstseins sind und uns gegenseitig in unserer tatsächlichen Göttlichkeit widerspiegeln. Sich selbst als Gott zu wissen bedeutet, auch allen anderen Menschen diesen Status einzugestehen. Der Song mag wie eine Kritik wirken, entstand aber während einer sehr aufregenden, inspirierenden Zeit.

Stößt „Ephemeral Fall“ in eine ähnliche Richtung? Schließlich geht es darum, seine Zeit zu nutzen, statt auf ein Leben nach dem Tod zu spekulieren …

Ja, nur der Fokus und die Perspektive unterscheiden sich. Das Paradoxe am Kreislauf des Lebens besteht darin, dass er unendlich ist und sich dennoch niemals wiederholt. Nichts wird je wieder genau so sein, wie es einmal war, was ich ja bereits vorhin mit Bezug auf den Menschen Malcolm gesagt habe. Die Kernaussage lautet: Wir haben nur diesen einen Augenblick – das Jetzt, in dem wir leben und sein, uns ausdrücken und erschaffen können, lieben und teilen, Erfahrungen sammeln und dergleichen. Deshalb muss man sich vor allem die Frage stellen, was man mit diesem Moment anfangen möchte, denn wenn man etwas von sich an die Welt weitergeben will, gelingt dies nur jetzt. Eine unendliche Zahl weiterer Momente wird folgen, aber diese sind eben anders. Der eine, dieses Dasein und diese Erfahrung – darauf kommt es an.

Bei „One Becomes Two“ dachte ich, du würdest die Gefühle eines Menschen beschreiben, der eine Familie gegründet hat und seine Träume deshalb hintanstellen muss, in erster Linie wegen der Zeilen „One becomes two and then three, time is slipping away from me.“ Belehre mich eines Besseren.

Interessante Deutung, und ich werde mich davor hüten, solche Ansichten als falsch abzutun, aber nein, davon handelt der Text nicht. Eigentlich will ich nicht zu viel preisgeben, aber im Grunde genommen gestaltet es sich recht einfach, denn das Abzählen verweist auf nichts weiter als das Verstreichen der Zeit: Eins, zwei, drei, und so weiter. Trotzdem mag ich deine Interpretation, weil mich der Gedanke daran, dass Lebewesen Nachwuchs zeugen können, immer wieder zum Staunen bringt. Es ist ja auch irgendwie unglaublich, zumal wir zwar sehr viel über den menschlichen Körper wissen, aber einen noch größeren Teil eben nicht. Dennoch besitzen wir die Fähigkeit, neue Menschen anhand der Information zu schaffen, die in unserer DNS steckt. Das ist absolut brillant. Ich hadere vielleicht mit Fernbedienungen und verstehe auch nichts davon, wie man Autos repariert, kann aber Leben zeugen – keine geringe Leistung, oder? Der Mensch tut dies seit je, aber sorry, wir schweifen wohl ab. Ich gerate deswegen eben immer wieder aus dem Häuschen.

Kein Problem, denn mit „Silence Speaks Louder“ bleiben wir beim Thema: Es gibt ein „you“ und ein „us“. Um wen handelt es sich?

Ohne im Detail darauf einzugehen und die Katze aus dem Sack zu lassen: Es geht um zwei einzelne Menschen, die Bande miteinander knüpfen. Die Konversation dreht sich um die Dynamik und psychologischen Hintergründe ihrer Vereinigung, womit ich im Übrigen keine Gewerkschaft oder so meine, ha ha!

Und worauf spielt ihr mit „Apathy“ an – unserer Ohnmacht angesichts auswegloser Situationen? Geht es dabei auch um die Neigung des Menschen zur Selbstzerstörung?

Ah ja, man könnte es vielleicht als unser „Aktivistenstück“ bezeichnen, denn es handelt sich weniger um einen persönlichen Song als einen Kommentar zum gegenwärtigen Stand der Dinge allgemein, also auf der gesamten Welt. Alles hat zwei Seiten, aber hier geht es in der Tat um die Trägheit, die uns alle teuer zu stehen kommen kann. Jeder Handlung geht eine Entscheidung voraus, und momentan scheint es, als hätten wir uns darauf geeinigt, die Folgen unserer Apathie, der Entfremdung von unserem Heimatplaneten sowie allen Mitlebewesen spüren zu wollen. Ich glaube daran, dass alles exakt so laufen wird, wie es das Kollektivbewusstsein provoziert, ohne Abschweifung und genau nach unserer Vorgabe, damit wir Lehren daraus ziehen, um weiter fortschreiten zu können. Manchmal manifestiert sich die Stoßrichtung gegensätzlich zum allgemeinen Tenor bezüglich dessen, was das Beste für uns sei, doch erheblich ist es nichtsdestoweniger, zumal wir dabei klar und deutlich erkennen, was wir eigentlich wollen. So mögen wir die Erde und alles Leben an den Rand der Zerstörung führen, nur um alle Zweifel daran aus dem Weg zu räumen, dass es doch gesünder ist, im Einklang mit dem Planeten und seinen Bewohnern zu leben. Der Mensch tickt dahingehend interessant, dass er oftmals genau jene Szenarien heraufbeschwört, die er sich überhaupt nicht wünscht. Erst dann wird er sich dessen auch vollends bewusst.

Folglich kündet „A Lament For Change“ vom Ende der Welt. Interessiert ihr euch für apokalyptische Theorien?

Nein, wir fühlen uns nicht zu Mutmaßungen hingezogen, die vor allem Angst schüren. Natürlich kann selbige unsere Entscheidungen positiv beeinflussen, aber nur um der Dramatik willen mit Furcht zu spielen, reizt mich selbst nicht unbedingt. Allerdings denke ich, dass die Menschen mit ihrer Expansion gleichzeitig beide Enden des Spektrums miteinkalkulieren, Licht und Schatten. Wenn wir letzteren akzeptieren können, erlangen wir zugleich die Möglichkeit, uns das Positive umso besser zunutze zu machen. Als unerhebliches Menschlein habe ich bewusst Grenzerfahrungen gemacht und nicht zuletzt deshalb gelernt, die Wirklichkeit von beiden Seiten zu betrachten – als sei das Glas halbvoll oder eben halbleer. „A Lament For Change“ wurde in einer negativen Stimmung geschrieben, jedoch mit Hoffnung im Hinterkopf, denn ich weiß, dass das Glas auch randvoll sein kann. Was KAURA vor allem antreibt, ist das Bestreben, Dunkelheit in Licht umzuwandeln und mit Gegensätzen zu spielen, etwa Finsternis und Anmut, vordergründiger Intensität und dem eher Subtilen, Lautem oder Leisem und so weiter. In diesem Song schreiten wir von einem Pol zum gegenüberliegenden.

In „Alarmico Saturn“ fiel mir die Zeile „Turning this bed of feather down to one of broken glass“ auf. Muss man ein hartes Brot kauen, um über sich selbst hinauszuwachsen? Was bedeutet Saturn in diesem Zusammenhang?

Du hast dir wieder Gedanken gemacht, und die will ich dir wie gesagt nicht nehmen, aber daran dachte ich beim Schreiben nicht. Wachstum passiert einfach, und wie wir es beschreiben, bedingt schlichtweg unsere Sprache. Dies gilt allgemein für Entwicklung, die ja unvermeidlich ist, und wenn wir sie als schwierig oder „hartes Brot“ bezeichnen, zeigen wir nur unseren Widerwillen dagegen. Fassen wir sie indes als Vorgang in Übereinstimmung mit dem Göttlichen auf, können wir auch nicht behaupten, irgendetwas in unserem Leben laufe „falsch“, denn dann gehört jedweder Wandel zu einer andauernden Ausweitung, einer Befreiung und Verzückung. Prägen wir einer Erfahrung den Stempel der Unbill auf, bewirken wir nichts weiter, als dass es schneller bergab mit uns geht. Uns steht ja frei, wie wir uns diesbezüglich ausdrücken, aber zurück zu deiner Frage: Das Lied spricht von Selbstgefälligkeit, und die Metaphern Feder beziehungsweise Glasscherben bedeuten, dass wir uns unbehagliche Situationen zurechtlegen, um nicht müßig zu werden, denn auf Daunen zu liegen ist weit angenehmer als ein Bett aus Splittern. Der Text entstand kurz bevor Ben und ich unsere Reise antraten, wobei wir uns strikt vor Augen hielten, dass wir dazulernen und wachsen wollten. Wir steckten nämlich beide tief im Routineloch, quasi wie Arbeitssklaven, und mussten uns emanzipieren.

Was Saturn betrifft, muss ich ehrlich sagen, dass Ben den Song so genannt hat, aber ich erinnere mich nicht mehr an die Gründe dafür. Ausgehend von der Astrologie würde ich sagen, der Planet steht symbolisch für Strukturiertheit und Begrenzung beziehungsweise Einschränkung, auf die wir uns zu jener Zeit ja gefasst machen mussten. Immerhin gaben wir unsere Jobs auf, zogen von zu Hause aus, beendeten Beziehungen und schlugen uns gen Osten. Die Energie des Saturn wirkte damals also besonders stark auf uns und half wohl dabei, diese schwerwiegenden Entscheidungen zu fällen.

An was klammert sich der Protagonist von „If This Were To End“ so verbissen, und warum fürchtet er sich davor, dass es nicht mehr besteht?

Nennen wir sein Verhalten einfach leidenschaftlich. Es geht um Liebe, Passion, Träume oder Hoffnungen. Oft erweisen sich die Dinge, die wir mit größter Leidenschaft verfolgen, als die besten Lehrer fürs Leben. Wenn wir Liebesbeziehungen eingehen, sei es mit Menschen, Kunst oder anderen Kanälen, durch die wir unsere Ziele zu erreichen suchen, gewinnen wir am meisten Aufschluss, und der Weg lässt sich häufig als Mühsal bezeichnen. Auch ich bin in mancher Hinsicht ein großer Eiferer und kenne dieses Empfinden. Beim Erkunden der Welt kommt es wiederholt zu folgenschweren Wendepunkten oder Durchbrüchen, und oft sieht es so aus, als sei dasjenige, was man am liebsten tut, zugleich mit den schlimmsten Schmerzen und Enttäuschungen verbunden. So bekommt man das Gefühl, vor- und zurückzuspringen; man wünscht sich zuerst, loszulassen, um die Quälerei zu beenden, denkt dann aber an den Verlust dessen, was lieb und teuer ist, falls man die Waffen streckt. Es handelt sich also um eine Furcht vor einem solchen Ende, dem bittersüßen Verschwinden von etwas Schmerzhaftem, aber auch über alle Maßen Geliebtem.

Tether's End“ steht offensichtlich mit „If This Were To End“ in Verbindung. Behandelt der Text den Hang des Mensch zur Routine und damit auch seine Furcht vor Veränderungen?

Es ist eines meiner persönlichsten Stücke, und ja, ich würde sagen, es hat auch mit „If This Were To End“ zu tun. Sowieso kehren wir auf dem Album wiederholt zu bestimmten Themen zurück, die die Songs sozusagen überspannen, bloß jeweils aus einem anderen Blickwinkel beschrieben. „Tether's End“ stellt so etwas wie den Vorläufer zu „If This Were To End“ dar, das wie angedeutet beschreibt, dass man keine andere Wahl hat, als an dem festzuhalten, was man am meisten schätzt. Dieser Track hingegen setzt sich mit der Lage auseinander, in der sich der Sprecher nach dem vorigen befindet. Das mit der Routine würde ich so stehenlassen, denn hier und in anderen Liedern berufen wir uns auf einige der bewussten wie unbewussten psychologischen Muster, die wichtig dafür sind, wie wir die Welt als Ganzes wahrnehmen. Dazu gehört eben auch unsere Neigung zu geordneten Strukturen.

Atmen und Luft sind so etwas wie Leitmotive auf „That Which Defines Us“. Kommt dies auch aus dem Osten, beispielsweise den Lehren des Buddhismus?

Sicher, Buddhisten beschäftigen sich ebenfalls damit, aber davon abgesehen ist Atmen ein schlichter wie schöner Ausdruck dessen, was Lebewesen ausmacht. Wir kommen nicht umhin, Luft zu holen; es muss sein, wenn man auf diesem Planeten lebt, und steht sinnbildlich für den Dualismus, der in allem steckt, was lebendig ist – Licht und Dunkelheit, Kontraktion und Entspannung, Mit und Ohne, Gestalt und Formlosigkeit, Positiv oder Negativ und so weiter. Beim Ausloten der Themen, mit denen ich mich in den Texten befasste, stieß ich immer wieder auf den Atem, also wurde er zwangsläufig zum Leitmotiv.

Was zu alledem überhaupt nicht passt, ist der Umstand, dass ihr „Now Or Never“ für einen Ford-Werbespot hergegeben habt.

Das riecht nach Ausverkauf, nicht wahr? Andererseits kann man es als Möglichkeit auffassen, denn dadurch gelang es uns, ein breiteres Publikum anzusprechen, zumal wir Geld verdienten, das wir wiederum in die Band steckten. Ich hege persönlich gewisse Ansichten, die den Abschluss eines solchen Werbevertrags tatsächlich erschwerten, aber solange Monsanto oder Haliburton keinen unserer Songs wollen, kann ich guten Gewissens damit leben. Ford steht nicht an der Spitze der Liste „böser“ Weltkonzerne, also sind wir auch nicht in Konflikte mit unserem eigenen Ethos geraten. Obendrein fühle ich mich wohl beim Gedanken daran, dass wir als Band gewissermaßen Robin Hood spielen, obwohl wir niemanden im eigentlichen Sinn berauben, um die Armen zu beschenken. Vielmehr bekommen wir Geld von denjenigen, die es verschmerzen können, und verwenden es für eine Form von Kunst mit einer Botschaft, um Gutes in die Welt hinauszutragen. Ford hätte wenn nicht uns, dann eine andere Band gewählt, weshalb wir die Chance nutzten und unser Spielraum über eng gesteckten Grenzen hinaus vergrößerten.

Was dürfen wir in Zukunft von KAURA erwarten? Raus aus den Staaten?

Genau darauf haben wir es abgesehen. Natürlich werden wir nicht davon ablassen, in unserer Heimat von uns reden zu machen, aber besonders Europa und Australien haben es uns sehr angetan, weshalb wir dankbar für jede Art von Hilfe sind, um in diesen Gebieten auf uns aufmerksam zu machen. Down under herrscht momentan ein klasse Klima für Musik wie unsere. Im Zuge des Erfolges von Bands wie Karnivool oder Dead Letter Circus sind auch eine Menge Fans dort auf uns angesprungen. Dank des Internet können wir mit der ganzen Welt kommunizieren und wissen, in welchen Ländern wir gut ankommen. In Spanien und England zum Beispiel klappt es von jeher bestens, also strengen wir uns nach Kräften an, uns zunehmend auch dort zu behaupten. Im Augenblick konzentrieren wir uns aber vor allem auf neue Songs und spielen in Los Angeles live. Außerdem arbeiten wir an elektronischen Remixes einiger Stücke des Albums.

Wie schafft es eine kleine Band, mit relativen Schwergewichten wie Alex Newport oder Sylvia Massey zu werkeln?

Sylvias Studio befand sich nur fünf Stunden von unserer Bleibe in San Francisco entfernt, als wir gerade aus North Carolina dort aufschlugen. Wir setzten uns mit ihr in Verbindung, erläuterten unsere Vorstellungen und stellten ihr die Musik zur Verfügung. Sie gefiel ihr, also lud sie uns zu Besuch in den Räumlichkeiten ein. Es handelte sich um einen atemberaubenden Aufnahmebunker, der dem Vibe, nach dem wir suchten, perfekt entsprach. Zudem ist Sylvia ein unheimlich netter Mensch und versteht ihr Handwerk sehr gut. Wir waren sowohl von ihr als auch dem Studio begeistert, und da sie auf unsere Songs stand, lief alles recht zwanglos ab.

Mit Alex hingegen unterhielten wir eine Fernbeziehung. Weil er von New York aus arbeitet, fragten wir bei seinem Manager an, bevor wir Material zum Abmischen schickten. Ich hatte Alex allerdings bereits Jahre zuvor einmal getroffen, als ich Soundmann im Troubadour in Los Angeles war. Während unserer Unterhaltung damals hatte ich ihm gesagt, wie gern ich Fudge Tunnel mag, und möglicherweise spielte diese Begegnung eine Rolle, was den späteren Schulterschluss mit KAURA betrifft.

Recht herzlichen Dank, Malcolm. Das war sehr aufschlussreich, und wir sind gespannt, was es demnächst aus eurem Lager zu hören geben wird!

Andreas Schiffmann (Info)
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