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Interview mit BECULTED (16.06.2022)

BECULTED

Massive Finsternis evoziert das Darmstädter Quartett BECULTED auf seiner Debüt-LP "Arcane Manifestations" in drei hypnotisch langen Liedern, die sowohl mit ihren Details aufhorchen als auch die Grenzen zwischen ruppigem Post Black Metal, abgründigem Doom und fiesem Sludge verschwimmen lassen. Im Gespräch reflektieren Sängerin und Texterin P. sowie Gitarrist V. das offenkundig Unangenehme in ihrer Musik, die sie zwischen Wald und Bunker verorten können - und in der sich dennoch ungeahnte Heimat finden lässt.

Hallo nach Darmstadt und danke für ein Album, das zweifelsohne aus der Vielzahl der Veröffentlichungen heraussticht! Auch wenn es im ersten Moment nicht nach Lob klingt, attestiere ich BECULTED unangenehm echt und ziemlich unausweichlich zu klingen. Ich steige normalerweise nicht mit der Frage nach dem therapeutischen Nutzen von Musik in Interviews ein, doch drängt sich mir der Eindruck auf, dass da etwas durch Eure Musik raus muss… oder täuscht dieser Eindruck?

V.: Erstmal vielen Dank, dass wir die Gelegenheit bekommen, gemeinsam mit dir über unsere erste Veröffentlichung zu sprechen. Na klar, Musik ist für uns kein Selbstzweck, sondern immer im Kontext eines Schaffensprozesses zu verstehen. Das gilt natürlich gleichermaßen für viele andere Formen der Kunst. "Arcane Manifestations" ist nicht nur das Produkt der Motivation vieler Menschen, die uns bei dem Release unterstützt und begleitet haben, sondern auch die Möglichkeit, unseren manchmal sprachlosen Gefühlswelten ein Forum zu bieten. Ich spüre, dass mir dies in dieser Form zum ersten Mal gelungen ist.

P.: Ich denke auch, dass deine Vermutung nicht ganz abwegig ist. Bei den Lyrics habe ich das persönlich selbst erst gemerkt, als ich mir die fertigen Texte durchgelesen habe. Die Lyrics basieren meistens auf abstrakten Ideen oder einzelnen Sätzen, die in meinem Kopf aufgetaucht sind. Die habe ich nach und nach zu so etwas wie kleinen Kurzgeschichten ausgebaut. Und als ich fertig war, war ich dann doch überrascht, wie viel Abgrund da eigentlich drin steckt, ohne, dass es vorher meine Absicht gewesen wäre.

Wie können wir das verstehen - hat sich da quasi nach den Aufnahmen für Dich und Euch ein stärkerer "roter Faden" gezeigt als anfangs vermutet oder geplant? Mit welchen Ideen und Zielen habt Ihr "Arcane Manifestations" denn ursprünglich in Angriff genommen?

V.: "Arcane Manifestations" ist ein Teil unseres damaligen Schaffenszyklus, der durch unsere übergeordneten Leitmotive bestimmt war. Dabei spielt vor allem das Unaussprechliche und nicht Greifbare eine große Rolle, und das wollten wir sozusagen in Musik gießen. Die Songs, Texte und Aufnahmen sind über die Zeit dann nochmal gereift und haben unsere Erwartungen teilweise übertroffen. Auch weil es unser erster Release in der Form war, haben wir nicht damit gerechnet, dass sich alles so gut zusammenfügt. Der rote Faden, den du ansprichst, war sicherlich von Anfang an da, hat uns aber eher unterbewusst geleitet und war für uns erst rückblickend so deutlich sichtbar. Was zu Beginn allerdings nicht so ganz geplant war, war der starke Black-Metal-Einschlag. Ursprünglich wollten wir sludgy Doom Metal machen, sind aber so sehr im Black Metal verwurzelt, dass sich diese Einflüsse– zum Glück – doch sehr in unserer Musik widerspiegeln.

Wie schätzt Ihr das selbst im Nachhinein ein: Ist das ungemein Rohe und Direkte der Aufnahmen eben jener Tatsache geschuldet, dass es Eure erste Veröffentlichung ist, mit der Ihr Euch selbst quasi ein wenig überrascht habt – oder ist das ein Ergebnis, das Ihr in dieser Form angestrebt hattet?

P.: Wir haben das Projekt immer in seiner Gesamtheit gesehen und uns nicht nur auf die Musik fokussiert, sondern auch Sound und Ästhetik betrachtet. Gerade bei Doom Metal finde ich den Gitarrensound extrem wichtig, das muss einfach drücken. Bei den Aufnahmen haben wir dementsprechend lange am Sound gefeilt. Außerdem war von Anfang an der Plan, die Vocals mehr in den Vordergrund zu rücken, als das sonst bei den einschlägigen Genres der Fall ist. Ich finde, dieser sehr direkte Klang der Stimme lässt das Ganze beim Hören noch unangenehmer wirken.

V.: Der Sound und dessen Wirken sind zentrale Werkzeuge, um das zuvor Beschriebene zu unterstreichen. Insbesondere für mich lag ein entscheidender Fokus der Arbeit im Kreieren eines entsprechenden Klangerlebnisses. Vor allem die Doom Metal Parts müssen in meinen Augen auch körperlich erfahrbar sein. In dem Zuge möchte ich L. und Kylan für die Unterstützung dabei danken!

Dass die Gitarren massiv tönen und der Gesang etwas unausweichlich Direktes hat, wird wohl niemand ernsthaft bestreiten wollen. Doch wie ich in meiner Rezi bereits angedeutet habe, gibt es hinter oder neben diesem Schroffen und Finsteren auch andere Klänge zu entdecken, und zumindest der Titel des ersten Songs ermutigte mich, in Euren dichten Klängen Zuflucht zu suchen. Fühlt Ihr Euch in Eurem mehr als nur musikalischen Schaffen mit BECULTED geborgen?

P.: Mit "Arcane Manifestations" erzählen wir etwas über unser Inneres. Damit hat das Projekt auch etwas mit Geborgenheit und Zuflucht zu tun, denn es bietet uns einen Rückzugsort, an dem wir uns ausdrücken können. Gleichzeitig hat auch die Bindung, die zwischen uns durch den kreativen Prozess entstanden ist, einen sehr hohen Stellenwert für mich. Wenn alle auf einer Wellenlänge sind und man nicht mit vielen Worten erklären muss, was man gerade zum Ausdruck bringen möchte, ist das auch eine Form von Geborgenheit. Abgesehen davon freuen wir uns, dass dich gerade diese leiseren Nuancen von BECULTED ansprechen, weil diese ein ganz zentrales Element von uns sind.

Diese Bindung kommt wohl auf dem Photo bei Bandcamp zum Ausdruck, und auch die beiden in ihrer Ästhetik und vom Aufbau her ähnlichen Alben-Cover bringen Bindungen zum Ausdruck, wobei mir die Farbgestaltung von "Arcane Manifestations" sehr gefällt. Und wie es in Eurer Musik leisere Klänge gibt, so gibt es auch in Euren Artworks "leisere" Details, die dennoch Aufmerksamkeit erregen, weil sie eben eigen scheinen. An welchen Orten – draußen und drinnen – fühlt Ihr Euch als BECULTED gut aufgehoben und wohin würdet Ihr ein interessiertes Publikum einladen, wenn die Chance dazu bestünde, einen Abend mit BECULTED zu erleben, wie Ihr ihn Euch ausmalt?

P.: Uns zieht es immer in den Wald. Der vereint dieses Rohe und Schroffe, das du aus unserer Musik heraushörst, mit Rückzugsmöglichkeiten und Einsamkeit. Wenn das technisch machbar wäre, hätte ich nichts gegen einen Gig bei einem Felshaufen im Wald.

V.: Die Vielschichtigkeit der Natur ist ein wichtiger Bestandteil unserer Komposition. "Arcane Manifestations" ist natürlich ein Versuch, die Sehnsucht nach solchen Kraftorten einzufangen. In diesem Kontext kann ich mir ebenso gut vorstellen, ein künstlerisches Zusammentreffen, ein "Happening", an naturnahen Orten zu veranstalten. Geplant ist dies jedoch bisher nicht.

Erst vergangene Woche plauderte ich mit einem Bekannten auf dem Konzert von Grift über seine Idee, ein Konzert im Siebengebirge zu veranstalten. Eure Musik kann ich mir auch "gut" in engen, Bunker-ähnlichen Räumlichkeiten vorstellen, und ich gehe davon aus, dass Ihr Eure Musik auf jeden Fall live erschallen lassen möchtet? Wie geht es sonst unter dem eigenwilligen Namen BECULTED voran, was sind Eure nächsten Ziele?

V.: Die Akustik spielt für unseren Sound - und ich denke für viele ähnliche Bands - natürlich eine zentrale Rolle. Wahrscheinlich wäre da der Bunker tatsächlich die erfahrbarere Variante. Wir freuen uns überhaupt auf die ersten kleineren Konzerte, die nun im Sommer anstehen. Dazu würden wir uns natürlich über ein Gastspiel bei uns zuhause freuen. Das hat sich bisher noch nicht ergeben. Zudem sind wir gerade dabei, unseren ersten Schaffenszyklus zu komplettieren. Wenn alles gut läuft, lässt der nächste Release wahrscheinlich nicht so lange auf sich warten.

Thor Joakimsson (Info)
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