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Interview mit KNOEST (29.09.2019)

KNOEST

Zugegeben, selbst als nordrhein-westfälischer Nachbar der Niederlande und gelegentlicher Urlauber habe ich die knorrige Pracht der dortigen Natur zwischen Heide und Wald erst näher entdeckt, als meine Freunde mich zum Wandern einluden, und wir uns wirklich Zeit nahmen, um die Landschaft auf uns wirken zu lassen. Warum ich mich daran erinnere, wenn ich nun KNOEST-Sänger Joris zu Wort kommen lasse? Ganz einfach, weil KNOEST genau dort wurzelt, wo das Schöne leicht übersehen wird, vor allem in der Hektik dieser Tage, die allzu oft rasch verstreichen. Auf seinem Debüt "Dag" hat sich das Trio aus Gelderland wiederum der Betrachtung - noch treffender wäre wohl das alte Wort "Schau" - eines Tageszyklus‘ gewidmet. Das Ins-Land-Schauen hat meditativen Charakter, der Folk Black Metal hat Ecken und Kanten. Keineswegs maulfaul, gibt der umtriebige Sänger Auskunft, wie das alles für ihn zusammenpasst.

Hi Joris, schön, dass Du Dir mal wieder die Zeit für einen Plausch nimmst! Ich hoffe ja, dass wir uns nicht allzu sehr wiederholen, doch ich bin fest davon überzeugt, dass KNOEST ein wenig Aufmerksamkeit verdient, und gleichwohl ich mir die Info auf Eurer Fratzenbuch-Seite durchgelesen habe, frage ich mich, ob jemandem von Euch ein Ast (= "knoest") auf den Kopf gefallen ist und somit die Bandgründung inspirierte?

Hi Thor, wie immer ist es schön, von dir zu hören! Wahrlich hat es den Anschein, als ob wir turnusmäßig schnacken, wogegen ich nichts einzuwenden habe. Zum Glück wurde niemand verletzt, als die Idee zu KNOEST Gestalt annahm, allerdings reagierte meine Freundin auf die frohe Kunde mit erhöhtem Puls: "Noch eine Band?" Doch mittlerweile hat sie ihren Frieden damit gemacht. Die Idee tauchte auf, als Harold und ich über De Planken Wambuis wanderten, einer Landschaft zwischen Arnheim und Ede. Wir unterhielten uns über das Konzept und einige Wochen später schickte mit Harold eine SMS, dass er die Musik geschrieben hätte. Wir trafen uns im Proberaum und zockten das ganze Stück, was mir gleich gut gefiel. Wir waren uns auch sofort einig, dass wir einen Schlagzeuger bräuchten, um Rhythmen und einige Strukturen besser herauszuarbeiten. Ich sprach mit Mink und fragte ihn, ob er Bock hätte, mit uns zu spielen, und glücklicherweise sagte er zu. Also gingen wir zusammen in den Proberaum, wo wir das Stück erneut spielten. Ich werde niemals seinen Gesichtsausdruck vergessen, als er diesen Batzen unausgegorener Musik vor den Latz geknallt bekam. Nach und nach gelang es ihm und Harold, aus diesen groben Ideen die Substanz freizulegen. Es war cool, das mitzuerleben. Nun war ich also an der Reihe, die Texte zu schreiben. Das erledigte ich vor allem auf Wanderungen und auf meinem Weg von und zur Arbeit. Nachdem wir die Aufnahmen abgeschlossen hatten, griffen wir auf die Hilfe von O. und Greg Chandler zurück, die beide beim Mischen und Mastern mit ihrer großartigen Arbeit genau unserem Geschmack entsprachen.

Ich meine mich zu erinnern, dass wir uns schon mal über den Einfluss von Isengard unterhalten haben. Auch wenn er bei :NODFYR: anders zum Tragen kommt, ist er bei KNOEST ebenso offensichtlich. Zudem wohnt der Musik ein Geist inne, welcher mir derweil typisch erscheint für einige niederländische Bands mit Wurzeln im Black Metal: eine selbstbewusste Herangehensweise, harsch und zuweilen geradezu dissonant, jedoch auch irgendwie schön, ziemlich melancholisch oder nostalgisch... Bist Du zufrieden, wenn Du Dich umschaust und realisierst, wie der (nicht ausschließlich) "norwegische Vibe" derweil von niederländischen Bands aufgegriffen und zu etwas Eigenem geformt wird, so wie es bei KNOEST und :NODFYR: der Fall ist?

Ich finde es toll, wenn Musiker sich von der Geschichte und ihrer Umgebung inspirieren lassen, doch ich nehme das in unserer Gegend immer noch als eher seltenes Phänomen wahr. Es sind viele Jahre ins Land gegangen, seitdem Bands wie Grimm und Ancient Rites in den Niederlanden den Acker bestellten. Ich kann nur hoffen, dass ihnen weitere Bands auf diesem Weg folgen werden, denn es gibt immer noch viele Geschichten und inspirierende Quellen, die nur darauf warten, entdeckt und in großartige Musik umgemünzt zu werden.

Offensichtlich handelt es sich bei "Dag" um ein Konzept-Album, das in seiner Gänze gehört werden sollte, doch meinem Empfinden nach ragt die erste Hälfte des Songs "Nacht" aus allem heraus und gehört zum Besten, was anno 2019 bisher veröffentlicht wurde - diese Energie ist mörderisch!

Ich bin froh, dass es dir so gefällt. Auf mich macht das Stück den Anschein, als ob Harold die Dunkelheit einer ganzen Nacht in sich aufgesogen hat, nur um sie anschließend mit gewaltiger Kraft auszuspeien. Ich schätze, dass ich das nie so richtig begreifen oder dass ich mich an die schiere Gewalt und die blinde Panik in diesem Abschnitt gewöhnen werde. Wenn ich das höre, dann klingt es für mich wie der Todeskampf von um Gnade heischenden Menschen, die sich nachts im Wald verirrt haben, und vor lauter Furcht nicht mehr ein noch aus wissen.

Wo wir nun beim Thema hervorragender Metal sind: Natürlich war Ván Eure erste Wahl, und einer meiner beiden Favoriten für das Album des Jahres ist die neue Scheibe von OSDOU, und auch die Molasses-EP hat mich aufhorchen lassen. Nun wird Ván oft als Black-Metal-Label bezeichnet, dabei veröffentlicht es auch starke Psychedelic-Bands. Was sind Deine Favoriten und würdest Du es in Erwägung ziehen, bei einem Label anzuheuern, dass eher in punkto Folk (Black) Metal spezialisiert ist?

Bislang habe ich mir die eher psychedelischen Bands noch nicht angehört, doch mich haben Duivel umgehauen, deren Musik eine Faust in der Fresse all jener ist, die den Black Metal kastrieren und vom Bösen und Gefährlichen befreien wollen, um ihn "salonfähig" und für Hasenfüße gefällig zu machen. Wir sind mit Ván sehr glücklich und es gibt für uns keinen Grund, unsere Musik bei einem irgendwie spezialisierten Label zu veröffentlichen. Sven ist ein prima Kerl, der hervorragende Arbeit leistet.

Wie Du weißt, mag ich Reviews, in denen kein Blatt vor den Mund genommen wird, und insofern habe ich die Kritik vom Angry Metal Guy mit einem Schmunzeln gelesen: "At the dullest moments, even the vocals sound bored and lethargic as KNOEST take forever to get anywhere." Schon lustig, wie unterschiedlich Wahrnehmungen ausfallen können, wobei der Typ dem Namen seines Blogs immerhin alle Ehre macht. Gab es auch Kritik, die geholfen hat, bestimmte Aspekte noch mal aus einer anderen Perspektive unter die Lupe zu nehmen und zu verbessern?

Nein, nicht wirklich. Diese Musik kommt aus unserem Inneren und wurde nicht geschrieben, um irgendjemand anderem als uns selbst zu gefallen. Wenn wir sie noch mal neu aufnehmen müssten, würde sie kein bisschen anders klingen, denn das Ergebnis entspricht absolut unseren Vorstellungen. Natürlich steht es jedem frei, sich dazu eine Meinung zu bilden oder eine Expertise kundzutun, doch für uns ist "Dag" über Kritik erhaben. Wenn es anderen gefällt: Super! Wenn es nicht gefällt, dann ist das genauso in Ordnung. Die Veröffentlichung fühlt sich für uns im Grunde so an, als ob wir unser eigenes Kind in die Welt gesetzt hätten. Daher kümmert es uns nicht, was andere darüber sagen oder schreiben, denn wie alle stolzen Eltern lieben wir unser Baby genau so, wie es ist. Wenn ich die bisherigen Rezensionen resümiere, dann wird das Album entweder geliebt oder gehasst, und das ist gut so. Für manche ist es Müll, für manche eine Schatzkiste.

Plant Ihr, KNOEST auf die Bühne zu bringen?

Aktuell gibt es dazu keine Pläne, und KNOEST pausiert erstmal. Es bleibt abzuwarten, ob wir ein weiteres Album aufnehmen.

David Thiérrée ist berüchtigt für seinen extrem unrealistischen Stil und seine sturköpfige Faszination für Trolle und andere Unterwelt-Wesen, also letztlich für eine Kunst, die kaum mehr ist als Eskapismus und als "Fantasy" verklärt wird. Umso überraschender, dass dieser fiese Franzose für "Dag" ein Kunstwerk gemalt hat, das wirklich aus seinem üblichen Schaffen herausragt. Welchen Druck musstet Ihr auf ihn ausüben, damit er mit solchen einem außergewöhnlichen Bild um die Ecke kam?

Eine einfache Anfrage reichte aus, und glücklicherweise stimmte er zu! Ich bin ein Fan dieses Künstlers und seiner Werke und so lag es in der Natur der Sache, ihn zu fragen. Sein Kunstwerk fängt die Stimmung von "Dag" perfekt ein! Ich war durchaus überrascht, als er mit diesem an Van Gogh erinnernden Stil um die Ecke kam, doch genau dadurch kommt die Dynamik eines aufstrebenden Tages zum Ausdruck.

Wo wir gerade im Gespräch sind: Ihr habt mit :NODFYR: vor einer Weile Euer erstes Konzert gespielt, und zwar auf dem Dark Troll Festival. Da ich ja einige Deiner Mitmusiker recht gut kenne, gehe ich mal davon aus, dass es mindestens ein solides Bühnen-Debüt war? Inwiefern hat das Schloss bzw. die Ruine Eure epische Musik noch besonders betont?

Es war eine ideale Umgebung, und wir haben jede Minute auf der Bühne genossen! Die Atmosphäre dort ist eine ganz besondere, und das hat uns sicher geholfen, die gewünschte Stimmung auf der Bühne zu entfachen. Ich kenne Kelly und Maik auf Seiten der Organisatoren bereits seit langem, und es ist jedes Mal aufs Neue ein Vergnügen, mit ihnen zu arbeiten.

Die Alvenrad-Jungs haben sich offenbar für das Wildschwein als Totem-Tier für ihre Band entschieden - auf welches Tier würde Deine Wahl für KNOEST fallen?

Wahrscheinlich auf einen Esel.

Und wo wir gerade über Alvenrad reden: Stimmst Du zu, dass die Band in den vergangenen Monaten ihre bisher stärksten Songs geschrieben hat?

Da muss ich beschämenderweise zugeben, dass ich die neuen Songs noch gar nicht gehört habe, doch das ist nur eine Frage der Zeit. Ich freue mich, dass die Jungs nun häufiger live spielen, und ihr neuer Schlagzeuger scheint ihnen einige starke Impulse zu geben.

Danke, Joris, dass Du Dir erneut die Zeit genommen hast - und bis bald!

Es war mir ein Vergnügen, Thor. Bis bald in Ede!

Thor Joakimsson (Info)
Alle Reviews dieser Band:
  • Knoest - Dag (2019)