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JAMKRAUT 2022 - Adelmannsdorf - 24.06.2022

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Nur zu gerne unterstützt unsere Seite neue, aufstrebende Festivals und Bands, die vom Idealismus und der Leidenschaft ihrer 'Macher' und aller Beteiligten leben. Ihr alle habt so viel Aufmerksamkeit und Anerkennung wie nur möglich verdient, darum veröffentlichen wir an dieser Stelle den gelungenen und leidenschaftlichen Erlebnisbericht zu JAMKRAUT 2022 von Ingrid Lohmann und die uns vom Veranstalter zur Verfügung gestellten Fotos.

Vielen Dank dafür!

 

mars mushrooms auf Erden: Im Land von Milch, Zombies, Walen, Familie und Freunden – JAMKRAUT 2022

Ein Erlebnisbericht von Ingrid Lohmann



Wessen Musikgeschmack von Südafrikanischer Musik hin zu Metal, von Klassik über die Musik der 60er-Jahre hin zum Aktuellen, einschließlich Prog Rock, Krautrock, Blues, Jazz, Balkan und transglobal reicht, dem scheint es unmöglich, sich rein auf eine Band zu beschränken. Es sei denn, die Band berührt einen bis tief ins Mark, indem sie genau die Akkorde trifft, die das wahre Gerüst und somit den Resonanzboden der eigenen musikalischen Emotion darstellen.

Ich bin wahrlich dankbar für die freudig-schicksalhafte Ereigniskette, die dazu führte, dass ich diese Zeilen schreibe, und bin mars mushrooms zutiefst dankbar für das unglaublich schöne Jamkraut-Wochenende vom 24. und 25.6. Juni 2022.

Mein Erstkontakt mit mars mushrooms fand auf ihrem Konzert in Finkenbach im Odenwald im Jahr 2015 statt. Unterwegs im Außendienst wurden die beiden CDs, die ich seither habe, zu ständigen Begleitern meines Musikhörens.

Während einer Recherche, ob nun in einer Post-mittel-prä-Covid-2022-Phase ein Immeldorf Open-Air von Walter Hertle stattfindet, traf ich auf 5 Erleuchtungen: mars mushrooms sind nach wie vor eine aktive Band; sie würden in Kürze ihr ureigenes Open-Air-Festival veranstalten; ihre Basis war weniger als 65 km entfernt; sie sind Franken; da musste ich hin.

Ich kam an, nach einem kleinen Abenteuer, und wusste augenblicklich: die Entscheidung war richtig gewesen. Das Eingangstor zum Festival war handbemalt in echter mars-mushrooms-Manier; der Keyboarder der Band, Lars Weißbach begrüßte mich persönlich am Einlass; die Bühne war verantwortungsvoll-ökologisch in Schwersthandarbeit errichtet worden; fast alles war handgemacht, von den Pfand- und Frühstücksmarken bis hin zu den dekorativen Wimpeln, die von der Bühne hinüber zum selbsterrichteten Schutzdach angebracht waren.



Adelmannsdorf bei Wolframs Eschenbach ist ein sehr kleines Dorf: „Alle“ – Einwohner, Familie, Freunde und Fans hatten mit angepackt, das Festival möglich zu machen. Jeder Besucher fühlte sich dadurch herzlich willkommen. Hier würde sicherlich die nächsten Tage niemand zum Außenseiter verkannt; Kinder jeden Alters spielten Beach-Fußball miteinander, Besucher, Einwohner und Crew vermischten sich zu einer kollektiven Synergie – es roch förmlich nach Urlaub. Ein weiteres wunderbares Detail war das Fehlen der Festival-typischen mobilen Örtlichkeiten – stattdessen gab es einen voll ausgestatteten Toiletten-Wagen, aufmerksam auf dem Weg zwischen Festivalgelände und Zeltplatz platziert.

Den Auftakt zum Festival, nur meines Nachtlageraufbaus wegen, durfte ich nicht verpassen; auf Nachfrage bugsierte ich meine Siebensachen unterm Mischpult, bis die untergehende Sonne mich zwang, mein Zelt zügigst am vorbereiteten autofreien Zeltplatz aufzuschlagen. Nebendran standen bereits die Camperwagen und Wohnmobile.

Ein bezeichnendes Gefühl insgesamt war eines der Dankbarkeit, das von Beginn an vorhanden war: als Bassist Christoph von der Heide die Eröffnung des Festivals begann, hieß er alle willkommen und bedankte sich im Namen aller beim Eigentümer des Geländes, Hans, für seine Zustimmung, JAMKRAUT dort stattfinden zu lassen, für seine harte Arbeit – an der Bühne, die Organisation und seine Unterstützung. Viel mehr Danksagungen sollten in den nächsten beiden Tagen noch folgen, für die kulinarische Verpflegung auf dem Festivalgelände, dem Team am Mischpult und für das geplante Frühstücksbüffet am folgenden und am Sonntagmorgen.

Somit war die Stimmung für den zweiten wichtigsten Grund für JAMKRAUT 2022 gesetzt – Musik!

Jede Band hatte ihr eigenes, handgemachtes und -bemaltes Holz-Bandschild, in entsprechendem Band-Logo, vorne auf dem Bühnenrand zwischen zwei eingetopften Sonnenblumenpflanzen platziert. Nachts wurden diese von Mini-LED-Spots angestrahlt. Die Wand hinter der Bühne war behangen mit speziell ausgewählten, wunderschönen Boho-Wandtüchern.



mars mushrooms Musiker und die Musiker der anderen Bands spielten Sets – Keyboard/ Orgel, Gitarre, Gesang und Didgeridoo – innerhalb der Sets der anderen Bands, was ihre Interchemie betonte und unter Beweis stellte, und die Sets jeder Band zu einem entfesselten Sturm der puren Chemie werden ließ. Vielleicht war es gerade das, was ein rhapsodisches Didgeridoo-Set möglich machte, oder wo eine Gitarre im Backstage-Zelt vorm Gitarren-Set lachend vergessen werden konnte. Solche Details taten das ihre, einfach das Gefühl der liebenswerten Wertschätzung im Publikum zu verstärken. Möglicherweise liege ich falsch in der Annahme, dass das Miteinanderspielen ein zentraler Bestandteil von Jambanding ist; wenn nicht, sollte es so sein. Eine weitere enorm wichtig Kleinigkeit war: Band-Sets hatten Pausen, was ideal zum Verschnaufen war – und als Crashkurs zum Akkorde-Einstudieren genützt werden konnte, wenn ein dritter und/oder vierter Impro-Gitarrist auf der Bühne benötigt wurde.

Erstes Set nach dem Willkommens-Intro war, natürlich, mars mushrooms. Obwohl mir rasant bewusst wurde, wie wenig ich deren Musik kannte, war die Belohnung an Intensität, Vielfältigkeit und Tanzbarkeit, verwoben mit purem musikalischem Können, immens. Das wechselseitige Echo von Freude und Vergnügen hin und zurück zwischen Band und Publikum machte mein strahlendes Grinsen unendlich. Ihr musikalisches Repertoire traf meine Ohren bei Elementen von Blues, Reggae, Blue-Grass und Rock, während meine Seele sonnenbeschienen wurde bei nur der leisesten Andeutung von Kwela-Gitarre. Ich habe keine zusätzlichen Worte zur Beschreibung des Musikkonzepts und der -auslegung, oder des Genre – bereits bestehende Begriffe, wie #Jamrock und #Jamband sowie Phish-inspiriert (#Blaze On) und Grateful-Dead-lebensbejahend müssen reichen.

Hattori Hanzi's Organ-Explosion war für mich eine leere Leinwand, auch wenn ich sehr gespannt war auf die Hammondorgel, die beim Bühnenaufbau durch die kollektive Anstrengung von 6 Personen vom Boden auf die Bühne gehoben werden musste. Anfangs experimentell wirkend, setzte ihre Explosion die Nachtluft in Brand und haute mich komplett um, wo ich eh schon begeistert-fasziniert war – mein psychedelisch-getriggertes Gehirn, rein musikalisch, brauchte das Hören eines Instruments zusätzlich zur Orgel, Bassgitarre und Drums gegen Ende. Meine Hoffnung wurde übertroffen: da war sie, die Sitar, und eine Flöte kam hinzu; beide (?) erzeugt durch den Drummer (?) - Wow!

Die hohen Außentemperaturen, gepaart mit dem Mangel an ausreichend Regen in den langen Wochen vor dem Festival, machten das ursprünglich geplante Lagerfeuer zum Ausklang der Abende unmöglich. Dennoch, selbst nach Verstummen der Konzerte und der späten Stunde, trafen immer weiter Besucher ein. Der letzte Aufruf des Getränkestands blieb fast unbeachtet, während alte und neue Freunde sich unterhielten, nachholten und gemeinsam lachten. Als ich in mein Zelt kroch, konnte ich den Samstag kaum erwarten. Ich fühlte mich wieder wie mit Vier.

Nach einem perfekten Frühstück, einen Katzensprung entfernt vom Festival- und Campinggelände, sprach ich mit meinem ersten Deadhead. Er stellte die verteilt umherstehenden Flaschen in gewohnter Anpackmanier zusammen. Nachdem ich ihm etwas half, beschrieb er mir, wie ich am besten zu Fuß nach Wolframs-Eschenbach komme. Nachdem ich mich verlief und meinen Weg bei kletternder Temperatur wiederentdeckte, lief ich besagtem Deadhead und einem Freund im Ort an der Tankstelle über den Weg. Gemeinsam gingen wir dann zum ältesten Teil der mittelalterlichen Kleinstadt: Karma hatte uns einen Deadhead-Reiseführer zukommen lassen. Freddy wusste Unmengen, es war märchenhaft. Unser Trio fand unendlich viel zum Reden und wir unterhielten uns den ganzen Weg zurück nach Adelmannsdorf.



Mein Ersteindruck von den bis dahin völlig unbekannten Groovergnügen war das Conga-bestimmende Drumset, was Wärme und Sonnenschein, Ausstrahlung und Leuchten verhieß. Weil ich jedoch vermutete, mit meinen Kräften haushalten zu müssen, blieb ich weiter hinten und schaute Anderen zu, wie sie eingefangen und mitgerissen wurden vom Reggae-Blue-Grass-Jamband-Sound der Murnauer Band. Am meisten gefiel mir eine junge Mutter, die mit beiden Kindern – eins im Kinderkrippenalter und ein Baby – unterm Arm tanzte. Alle drei liebten es. Später, als ich zum drölften Mal zurückkam vom Zeltplatz, sah ich die gleichen Drei, diesmal in Begleitung des Flötisten und Saxofonisten von Groovergnügen – ich kam nicht umhin, ihm unbedingt zu sagen, wie es mich freute, dass es seine Drei sind.

Selbst wenn ich seine Drei verpasst hätte, mein einziges 'aber' des Festivals ist: Es gibt Kaffee. Und Mate Tee. Ich hätte näher an der Bühne sein sollen, und hätte mehr grooven müssen.

In dem besonderen Raum zwischen Konzerten, in dem man im Letzten schwelgt und mega gespannt ist auf‘s nächste, nannte Freddy die Einflüsse hinter mars mushrooms, Phish, Grateful Dead, Deadheads, deren DE-Website, Festivals mit Musik für Deadheads und die DE-Archive-Website. Heute weiß ich, dass er einzelne Eismoleküle von titanischen Eisbergen aufzeigte, und ich nun erst beginne, sie leise zu erahnen.



Und dann waren sie da, die Dead Mushrooms – beinahe ein mars-mushrooms-Paralleluniversum, mit zwei „Flügelmännern“ an zusätzlichem Drumset und Gitarre. Was Grateful Dead, deren Musik und Texte anbetraf, wandelte ich im Tal der Ahnungslosen. Einzig #Roseanne gab mir mit ihrer Fernsehserie und der Namensgebung ihres verspäteten jüngsten Sohnes, Jerry Garcia, einen Hinweis auf die Bedeutung der Band und ihren Einfluss. Dead Mushrooms liebevoller Tribut an Grateful Dead und Gerry Garcia war die perfektionierte Ein(An)leitung – ich hätte mir keine bessere wünschen können. Gibt es überhaupt eine? Das Publikum liebte jeden Takt, und wessen Lieblingslied drankam, bewegte sich zu seinem inneren Herzecho und verdeutlichte es somit zweifelsfrei. Als ob er zusah, stand ein respektvoll-dimensioniertes, zweifarbiges Gemälde von Jerry mit vorne am Bühnenrand, nahe dem handgemachten und -bemalten Holz-Bandschild der Dead Mushrooms. Noch einmal war mir so: Alles war richtig.

Das konnte unmöglich übertroffen werden. Und doch. Wer auch immer dachte, das Festival hätte seinen Zenith erreicht, würde sein pilziges Wunder erleben. Links von der Bühne war eine Leinwand installiert worden. Als mars mushrooms zur Bühne zurückkehrten leuchtete die Leinwand mit entrückten, mir unbekannten Bildern und Filmbildern, die ich im Nachhinein einzig 'vershroomt'nennen kann. Sie haben es geschafft, den Kreis geschlossen, es war wunderschön. Klar könnte ich jeden weiteren Song und Titel beschreiben, jede Begeisterung, jeden Herzschlag… So etwas würde ich nicht wagen – warum sollte ich es dem Leser oder dem zukünftigen Selbstentdecker nehmen, so etwas zu erleben? Heute muss es genügen, dass Neugierdewecken und -entfachen mein einziges Ziel war.

Für meinen Teil kann ich sagen, JAMKRAUT 2022 und Freddys Einfluss führten mich zur Voranmeldung beim Veranstalter zum Playing in the Band-Summer Special VII (Später entdeckte ich, dass mars mushrooms dort im letzten Jahr auftraten. Im übrigen traten mars mushrooms häufig in Walter Hertles Weißem Roß Immeldorf, quasi in ihrem Proberaum, auf und fanden sich regelmäßig auch im Line-Up vom Immeldorf Open-Air.) Keine Ahnung, wie viele Besucher dem Ruf nach Adelmannsdorf gefolgt sind nach dem Wudzdog Open-Air in Dornstadt,bei demmars mushrooms am Vorwochenende vor JAMKRAUT 2022 glänzten… Ich bin überzeugt, dass jede Person, die begeistert mit dabei war, die Dankbarkeit und ihr Leuchten verbreiten werden. „See you at the show!“

 

 

Text: Ingrid Lohmann

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info)

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