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Rock Hard Festival 2011 - Sonntag - Amphitheater Gelsenkirchen - 12.06.2011

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Die Sonne strahlt am Sonntag über Gelsenkirchen als hätte sie nie etwas anderes getan. Und doch hegt man insgeheim die Sorge, dass es trotzdem nochmal regnen könnte. Aber der Wetterbericht verspricht, dass es trocken bleiben soll und - das sei schon mal vorweg genommen - dabei bleibt es auch. Statt Regenjacke ist also heute Sonnencreme angesagt.

VanderbuystDie erste Band des Tages sorgt dann auch schon mal für eine faustdicke Überraschung, denn selten hat man zu so früher Stunde schon so viele Leute vor der Bühne gesehen, wie bei VANDERBUYST. Das Trio um den Ex-Powervice-Gitarristen Willem Verbuyst nimmt das Publikum mit seinem Sound mit auf eine Zeitreise in die späten Siebziger bzw. frühen Achtziger. Metallischer Hardrock wird geboten, der vielleicht altbacken klingt, aber mit enormer Frische dargeboten wird. Die Band rockt sich dermaßen die Seele aus dem Leib, dass Sänger Jochem Jonkman sich nach der Show erstmal in den Rhein-Herne-Kanal übergeben muss und hat außerdem ein besonderes Schmankerl in petto: plötzlich stehen nämlich zwei blonde Hupfdohlen auf der Bühne, die mit ihren Frisuren und Outfits dermaßen nach den 80ern aussehen, dass man sich so langsam wirklich wie in einer anderen Zeit fühlt. Ihre Tanzeinlagen haben durchaus das Flair von morgengymnastischer Aerobic - erinnert sich noch jemand an die Frühsport-Sendungen in den öffentlich-rechtlichen damals? Aber auch ohne diesen Schmunzler räumen VANDERBUYST mit Songs wie "Tiger", "Traci Lords" und "To Last Forever" heftigst ab und zuguterletzt erschlägt Willem seine Gitarre auch noch mit einem Patronengurt. Großes Rockkino - und man mag sich gar nicht vorstellen, was aus Powervice hätte werden können, wenn sie überlebt hätten, denn bekanntlich war mit Selim Lemouchi von The Devil's Blood ein weiterer Gitarrengott in dieser Band. (ASZ)

EnforcerMit beeindruckender Spielfreude entern die schwedischen Retro-Speed-Metaller ENFORCER die Festival-Bühne und dass es im Laufe des Auftritts den einen oder anderen Holperer sowie  soundtechnische Schwierigkeiten zu beklagen gibt, macht die Band mit Einsatz und Energie wieder wett. Die Schwächen im Gesangsbereich lassen sich allerdings nicht kaschieren. Das live äußerst dünne und quäkige Organ des Fronters Olof Wikstrand sorgt für sehr verhaltene Begeisterung beim Publikum. Hinzu kommt, dass auch mit dem Songmaterial ganz sicher kein Originalitätspreis zu gewinnen ist und echte Spannungsmomente absolute Mangelware sind. Auf ihren Alben mag die Band ja überzeugen, live haben sie noch einiges dazu zu lernen.

Atlantean KodexDie Mitglieder der eigentlich nur als Freizeit-Projekt betriebenen Band ATLANTEAN KODEX dürften im Verlauf des vergangenen Jahres aus dem Staunen eigentlich nicht mehr herausgekommen sein. Album des Monats im Rock Hard, Poll-Sieger in diversen Foren und jetzt ein Auftritt auf dem Rock Hard Festival und das noch nicht einmal als Opener, sondern als dritte Band am Sonntag. Der Auftritt des Fünfers stellt sich als sehr erkenntnisreiche Angelegenheit heraus. Erste Erkenntnis: Sänger Markus Becker meistert auch die schwierigen Parts souverän, der Kollege Schulz spricht sogar vor einem echten Gänsehaut-Effekt. Zweite Erkenntnis: Sonnenwetter passt überhaupt nicht zur getragenen und düsteren  Musik dieser Formation. Dritte Erkenntnis: Ein solche Bühne ist für diese Band noch zu groß. Die meisten Musiker wirken irgendwie verloren und wissen mit ihrer Bewegungsfreiheit wenig anzufangen. Der "Child In Time"-Gedächtnis-Part hatte allerdings einen hohen Unterhaltungswert. Vierte Erkenntnis: ATLANTEAN KODEX polarisieren. Von "nicht professionell und unfertig" bis "eine Soundwand und einfach großartig" reichen die Einschätzungen. Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte. Trotz einiger Unsauberkeiten und ausbaufähiger Performance konnte die Band ihren Sound auch live überzeugend reproduzieren und hat damit zumindest niemand kalt gelassen. An diesen Auftritt wird man sich sicher auch in späteren Jahren noch erinnern. (LK)

Metal InquisitorDas ganze Wochenende über sah man METAL INQUISITOR schon mitten im Publikum, nun stehen sie auch auf der Bühne. Die Koblenzer Lieblinger der Rock Hard-Redaktion punkten zwar nicht mit Eigenständigkeit, ihr klassischer Heavy Metal wird aber mit soviel Spielfreude und Hingabe dargeboten, dass man nicht drum herum kommt, die Matte zu schütteln und Fäuste und Pommesgabeln in die Luft zu recken. Der Band und vor allem Sänger El Rojo, der sich im Laufe des Sets in den Fotograben begibt, um den Fans die Hände zu schütteln, haben sichtlich Spaß an ihrem Aufritt und dürfen sich - wie viele andere Bands an diesem Tag - als Gewinner fühlen. (ASZ)

AnacrusisNachdem die vorangegangen Bands des Festival-Sonntags sich mehr auf das musikalische Zitieren vergangener Tage und/oder das zur Schau tragen von Allround-Turnschuhen beschränkten, gibt es nun Musik einer Band zu hören, die zu den originellen  und wegweisenden Vertretern ihrer Zunft gehören. Allein optisch geben die dezent in Schwarz gehüllten Musiker ein ganz eigenes Erscheinungsbild ab und auch die Musik meidet sämtliche Klischees, klingt frisch und unverbraucht, dabei gleichzeitig bretthart und doch hochmelodisch, zum Teil gar zerbrechlich. Auch die progressiven Passagen gelingen äußerst eindrucksvoll. Den Schwerpunkt der Songauswahl bildet das letzte reguläre Studio-Werk "Sreams And Whispers". In der Summe sicher einer der absoluten Höhepunkte des Festivals, auch wenn einem Großteil der Zuschauer offenbar der Zugang zur Musik des US-Quartetts fehlt und viele das Treiben auf der Bühne mit einer Mischung aus Staunen und Skepsis verfolgen. In dieser Form darf man jedenfalls auf das kommende neue ANACRUSIS-Album mehr als gespannt sein.

Vicious RumoursSeit mittlerweile 30 Jahren sind Geoff Thorpe und seine häufig wechselnde Begleitmannschaft bereits im Geschäft. Mit dem letzten Album "Razorback Killers" ist VICIOUS RUMORS nach längerer Zeit wieder ein großer Wurf geglückt. Daher wurden sie als Ersatz für die abgesprungenen Agent Steel von den Veranstaltern verpflichtet und die US-Power-Metaller entpuppen sich als würdiger Ersatz. Neu-Sänger Brian Allen sieht aus wie eine durchgeknallte Metal-Version von König Ludwig II. und ist mit seiner schrägen Performance ein echter Blickfang. Musikalisch lässt die Band ohnehin nichts anbrennen und überzeugt mit einer gelungenen Mischung aus alten Klassikern (u.a. "Digital Dictator",  "Soldiers Of The Night") und Songs des aktuellen Albums. Sehr sympathisch ist die Tatsache, dass man die kurze Umbauphase nutzt, um früher zu beginnen und den Fans einen Song mehr zu bieten, zudem auf das bei anderen Bands übliche Intro verzichtet wird. Die Musiker haben sichtlich Spaß an der eigenen Darbietung und müssen insgesamt zu den diesjährigen Highlights gezählt werden.       

OverkillOVERKILL liefern mal wieder den Beweis, dass die 80er Thrash-Veteranen der kleinste gemeinsame Nenner der Rock-Hard-Festival-Besucher sind und eigentlich jedes Jahr zu den absoluten Abräumern gehören. Gleich vom ersten Song an entsteht ein riesiger Mosh-Pit vor der Bühne, die Ränge sind dicht gefüllt, sämtliche Songs werden gefeiert und die Zuschauer fressen Frontmann Blitz aus der Hand. Dazu gibt es eine unglaubliche tighte Darbietung, der Sound ist schlicht perfekt,  genau wie die Songauswahl. Die Band holt sogar Stücke vom ersten Demo aus der Mottenkiste und mit "Skullcrusher" findet ein schleppendes Groove-Monster den Weg in die sonst von schnellen Thrashern dominierte Setlist. Dass die Songs vom aktuellen Meisterwerk "Ironbound" qualitativ problemlos zwischen den alten Klassikern bestehen können, zeigt, dass OVERKILL noch lange nicht dazu verdammt sind, sich nur noch auf den Lorbeeren vergangener Tage auszuruhen zu müssen. Ganz großes Kino. (LK)

Traditionell wird vor dem letzten Headliner der Gewinner des Karaoke-Wettbewerbs auf der Hauptbühne geehrt. Und traditionell wird es dabei immer ganz schön leer auf den Rängen und vor der Bühne. Da sich auch die kritischen Stimmen an diesem Programmpunkt mehren, könnten die Veranstalter langsam mal überlegen, ob sie wirklich daran festhalten wollen. In diesem Jahr gibt es gleich drei Karaoke-Gewinner: zwei Mädels, die eine ordentliche Version von Iced Earths "Watching Over Me" schmettern sowie der Zehn- oder Elf-jährige (!) Paul, der den Union Jack schwenkend auf die Bühne kommt und mutig "Fear Of The Dark" von Iron Maiden anstimmt. Die Liveversion des Songs hat der Kleine auf jeden Fall komplett verinnerlicht und so fordert er das Publikum mit dem Dickinson-typischen "You!" zum Mitsingen auf. Die, die noch da sind, singen natürlich mit und spenden dem Knirps kräftig Applaus. Es folgt eine zweite Preisverleihung und zwar für das coolste Shirt, das auf dem Festival getragen wurde. Es gewinnt ein Fan mit einem Slayer-Shirt von 1986.

DownZum Abschluss des Rock Hard Festivals spielt mit DOWN eine Band auf, die das Publikum in zwei Lager teilt: der eine Teil findet das Gebotene großartig, der andere spricht der Band die Headliner-Tauglichkeit ab. Fakt ist, dass es bei Overkill deutlich voller im Rund war, Fakt ist aber auch, dass die Supergroup aus New Orleans eine extrem fette Soundwalze abdrückt. Gerade mal elf Songs stehen allerdings auf der Setlist, der beinahe schon hyperaktiv herumspringende Frontmann Phil Anselmo hat also zwischen den Songs ausgiebig Zeit, das Publikum mit seinen Ansprachen zu unterhalten - oder auch nicht, denn sein Gelaber geht so manchem gehörig auf den Zeiger. Auch ist seine Gesangsperformance alles anderes als überragend, aber auch das kennt man von DOWN bereits. Die Band konzentriert sich in ihrer Setlist auf die ersten beiden Alben, was man ebenfalls als schade bewerten kann, ein Song wie "Nothing In Return (Walk Away)" hätte dem Auftritt sicherlich nicht geschadet. Doch sollte man nicht verschweigen, dass das Abschlussdoppel aus "Stone The Crow" und "Bury Me In Smoke" mit zum Besten gehört, was man im Bereich des Southern / Stoner Metals zu hören bekommen kann. So bleibt festzuhalten, dass es cool ist, eine Band wie DOWN, die nicht gerade häufig in unseren Breitengraden auftritt, zu sehen zu bekommen, eine großartige Headliner-Show sieht aber sicherlich anders aus. (ASZ)

FAZIT: Zu den absoluten Festival-Gewinnern gehören für mich die Doomer von PROCESSION mit ihrem naturgewaltigen Auftritt, der Flitzfinger von VANDERBUYST, natürlich OVERKILL sowie die wiederauferstandenen ANACRUSIS. Neben dem durchwachsenen Wetter konnten insbesondere PRIMORDIAL und AMORPHIS meine Erwartungen nicht ganz erfüllen. Ansonsten war das Rock Hard Festival aufgrund der – wie immer - hervorragenden Organisation und tollen Atmosphäre wieder einmal eine Reise wert. (LK)

Dem Schlusssatz des Kollegen ist nichts hinzuzufügen. Eine stärkere Mischung der Genres wäre vielleicht wünschenswert gewesen, so war der Sonntag nachmittag ein bisschen zu traditionell ausgerichtet, während am Freitag eine klassische Metal-Band aufgelockert hätte. Persönliche Highlights in diesem Jahren waren für mich ICED EARTH und IN SOLITUDE, starke Auftritte sah ich von PRIMORDIAL, ENSLAVED und MORGOTH. Nur die im Vorfeld hochgelobten ENFORCER waren spielerisch nicht in der Lage, dem hohen Festivalniveau gerecht zu werden. Und so wünsche ich mir für nächstes Jahr lediglich, dass es nicht regnet - gute Bands wird es garantiert wieder genug geben. (ASZ)

Danke an Dieter Dengel für die Bilder von VANDERBUYST.

Andreas Schulz (Info)

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