Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Cream: Cream 1966–1972 (Review)

Artist:

Cream

Cream: Cream 1966–1972
Album:

Cream 1966–1972

Medium: LP+CD
Stil:

Blues Rock

Label: Universal
Spieldauer: 4:07:30
Erschienen: 18.05.2015
Website: -

Jack Bruce ist tot, Eric Clapton tritt schon seit Jahren leise, und Ginger Baker schimpft sich wie eh und je durch die Medien; der Strahlkraft und Zeitlosigkeit ihrer gemeinsamen Band CREAM nimmt das jedoch nicht, und was läge angesichts des Vinyl-Comebacks näher, als die überschaubare Diskografie des Trios in einer Box aufzulegen? "Cream 1966–1972" enthält alle "Studio"-Alben (Konzertmaterial teilweise inbegriffen) und die beiden reinen Live-Scheiben der Band, und zwar so, wie sie ursprünglich erschienen, also ohne die Extra-Outtakes, B-Seiten und so fort, die zum Teil auf Deluxe-CDs im Lauf der vergangenen Jahre erschienen sind. Der Sound wurde in keiner Weise verschlimmbessert, sodass das Hörvergnügen ein authentisches bleibt. 180 Gramm schweres Plastik, ein Schuber und viel Musik, die für die Jahrzehnte seit Ende der 1960er wegweisend war …

CREAM waren wahrscheinlich die erste Supergroup, wie man sie sich heute vorstellt, und definierten sich durch Superlative beziehungsweise bis dato beispiellose Premieren, etwa die erste Platin-Auszeichnung aller Zeiten für ihre dritte Scheibe, aber der Reihe nach: "Fresh CREAM" (1966) markierte den Startschuss für sogenannte Power-Trios und deren Klangbild: kompakt aufgeräumt bei Gleichberechtigung aller Instrumente, wobei viel Raum zum Improvisieren und Ausschweifen blieb. Dadurch wurden CREAM zu den Vätern instrumentaler Rockmusik und vermutlich auch des Hard Rock beziehungsweise Heavy Metal, auch wenn vor allem Obermotz Baker letzteres vehement bestreitet. auf ihrem Debüt ist davon gleichwohl noch wenig zu hören.

"Fresh CREAM" ist ein typischer Einstand, leicht unentschlossen und dennoch - vielleicht gerade deshalb? - spritzig, zumal das Spielniveau der Protagonisten, die bis zu jenem Zeitpunkt bereits die "big player" ihrer Zunft waren, sowieso enorm hoch ist.
Clapton als prototypischer Gitarrenheld mauserte sich bei John Mayalls BLUESBREAKERS, wo er auch Bruce kennenlernte, und bestimmt mit ihm das Geschehen. Als Verfechter von Reinheitsgeboten revolutioniert man nichts, und darum mag "Fresh CREAM zwar naturgemäß die Blues-lastigste aller CREAM-Scheiben sein, bietet aber dennoch eine Menge mehr, allem voran die Andeutung dessen, was bald zu einer starken Psychedelic-Schlagseite ausarten sollte.

Die Songs definieren sozusagen musikalische Floskeln, welche spätere von ganzen Szenen verinnerlicht wurden, und die Klangkulisse von Fuzz- wie Delay-Effekten. Rhythmisch kommen CREAM und vor allem Baker vom Jazz her, sodass weniger eine rigide Struktur als vielmehr Flexibilität das Gebot der Stunde war. Das Material fließt eher, als dass es auf den Punkt kommt (höre das ungeschliffene "Dreaming"), und Blues-Standards nehmen beinahe die Hälfte der Spielzeit ein: "Rollin' And Tumblin'" von Muddy Waters, "Four Until Late" von Robert Johnson mit Clapton am Mikro, und "Spoonful" von Willie Dixon neben Skip James' "I'm So Glad". Bruce wiederum erweist sich als stärkster Songwriter der Band im eigentlichen Pop-Sinn, teilweise im Verbund mit seiner Frau Janet Godfrey, wie man an manchem Westcoast-Sonnenschein hört. "N.S.U." und "I Feel Free." kommen dadurch erfreulich gedrungen daher

Das Traditional "Cat's Squirrel" wirkt vor diesem Hintergrund keinsfalls fehl am Platz, aber zumindest den Kenner mag es grämen, dass die CD-Veröffentlichung zusätzliche Songs enthielt: "Wrapping Paper", das bereits im Herbst 1966 als Single veröffentlicht wurde, und "The Coffee Song" von Ray Smith und Tony Colton, das die Band nie veröffentlichen wollte. Die Box ist aber eben etwas für Menschen, die es puristisch will; ansonsten greift man eben wie gesagt zu den Deluxe-CD-Reissues.

Für "Disraeli Gears" (1967) legten CREAM die Messlatte in vielerlei Hinsicht höher an: Starproduzent und MOUNTAIN-Bassist Felix Pappalardi (auch Bratschist und Trompeter der Band im Lauf ihrer Karriere), der auch beim Songwriting mitmischte, saß hinter den Reglern und ließ dem Album einen sowohl ätherischeren als auch härteren Klang angedeihen. Die Platte stellte endlich Kohärenz her und war auch optisch der Psych- bzw. Flower-Power-Bewegung angeglichen, ein zweifelsohne geschickter Schachzug der Macher im Hintergrund. Die Gruppe selbst verleiht dem Unterfangen Substanz im Musikalischen: "Disraeli Gears" ist ein innovatives, kraftvolles Schlüsselwerk und bezeichnete den wichtigen Durchbruch der Band in den Vereinigten Staaten.

"Dance the Night Away" und "Take It Back", die mit Dichter Pete Brown komponiert wurden, zählen zu den eingängigsten Stücken der Band überhaupt und werden heute immer noch gerne übersehen, aber klar: Das unsterbliche "Sunshine of Your Love" überstrahlt alles, wobei man jedoch den strudelnde Blues "Strange Brew" mit Albert-King-Zitat und selbstredend "Outside Woman Blues" nicht außer Acht lassen sollte. Das düstere "Tales of Brave Ulysses" schielt bei aller Kürze gen Prog, und der Fuzz "Mother's Lament" verweist auf zukünftige Psych-Eskapaden. Kurzum: CREAMs zweite ist essenziell, fantasievoll, im Ansatz progressiv und kompositorisch stark wie virtuos zugleich.

Nichtsdestoweniger: "Wheels Of Fire" (1968) markierte schlichtweg den Zenith des Schaffens der drei Stars im Verbund. Davon abgesehen ist es von seiner Anlage her revolutionär als Doppelalbum mit Live- und Studioteil konzipiert worden, wobei merkwürdigerweise wenige "Nachahmer" einfallen, und PINK FLOYD waren mit "Ummagamm" ja nahezu zeitgleich am Start. CREAMs dritte Scheibe gestaltet sich aber auch in anderen Belangen schizophren: überbordende Kreativität einerseits, erste Zerwürfnisse unter den Mitgliedern andererseits aufgrund der Erwartungshaltung von außen, was man gleichwohl noch nicht an ihrer Musik hört.

Bakers "Passing the Time" und "Those Were The Days" muten vielleicht weniger aufsehenerregend im Vergleich etwa zum Debüt-Drum-Inferno "Toad" an, doch hiermit lernte jemand zumindest vorübergehend, sich dem Bandgefüge unterzuordnen, statt sich egomanisch durchzusetzen. Das zunächst unauffällige "Passing The Time", eine Gemeinschaftsarbeit mit Pianist Mike Taylor, der ein Jahr später mit nur 31 Jahren sterben sollte, ragt langfristig dafür umso deutlicher heraus, ebenso natürlich auf dem Live-Part die 17-minütige Mammut-Interpretation von "Spoonful". Diese Strecke war im Übrigen nur dem Titel nach im San Franciscoer Fillmore aufgenommen worden, denn von den vier Stücken stammt nur "Toad" von dort, der Rest aus dem Club Winterland.

Schwer zu sagen, ob man die Studio- oder die Bühnen-Songs bevorzugen soll, aber "White Room" ist einer von Bruce' Höhepunkten als Komponist überhaupt, das cineastische "Deserted Cities Of The Heart" setzt sich über alle Genres hinweg, und "Politician" erschließt trotz traditioneller Anlage textlich Neuland, denn gesalzene Kritik kannte man bis dato nicht unbedingt aus dem Quasi-Jetset der Mucker-Riege. Die Live-Scheibe sollte jedes Mitglied gesondert ins Schlaglicht stellen, doch Clapton steht besonders strahlend im Vordergrund, speziell während "Crossroads", das gleichwohl die besten Passagen verschiedener mitgeschnittener Improvisationen vereint, womit sich Felix Pappalardi als findiger Entschlacker erwiesen hat. Nebenbei bemerkt: Claptons "Anyone For Tennis", das nicht offiziell auf dem Album landete, sondern als Single erschien und vielleicht der Geheimtipp von CREAM bis heute ist, sticht den Albumtrack "Pressed Rat And Warthog" mit Leichtigkeit aus.

Ausschuss dieser Live-Sessions landete später auf "Live CREAM" und "Live CREAM Volume II", wobei man sich aber fragt, warum Booker T. Jones' "Born Under A Bad Sign" unbedingt mit draufgepackt werden musste. Nun gut, es gehörte sozusagen zum Konzept der Gruppe. Dass das interne Kräftemessen der Musik schadete - Stichwort Hochleistungssport - erkannte man hier allenthalben im Ansatz, aber unabhängig davon stehen diese Darbietungen, was ausschweifende Konzerte anbelangt, immer noch ganz weit vorne, egal wie viele Live-Scheiben später auch von anderen Bands folgten.

So schnell und fiebrig, wie es begann, hörte es auch schon wieder auf: "Goodbye" verhehlte mit seinem vielsagenden Titel kaum, dass CREAM zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 1969 schon nicht mehr existierten, und wird fast logischerweise (also angesichts der ikonischen Alben im Vorfeld) gerne unterschlagen, wenn es um die Band geht. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine kompaktere Ausführung dessen, was beim Vorgänger genauso zwitterhaft aufgezogen war. Die Performances im Rahmen der Konzert-Seite gestalten sich weniger zwingend als jene von "Wheels Of Fire", kommen aber dafür schneller auf den Punkt und klingen verboten tight.

Zusammenspiel und Arrangement von beispielsweise "I'm So Glad" zeigen, wie weit sich CREAM seit "Fresh CREAM", woher das Stück stammt, entwickelt hatten, und selbst die Coverversion von "Sitting On Top Of The World" zeugt von fokussiertem Einfallsreichtum. Im Studio hingegen reichte jedes Mitglied ein Stück ein - das jeweils zum nachhaltigen Reiz des Albums beiträgt: "Badge" ist das überragende Gemeinschaftsprodukt von Eric Clapton und Beatle George Harrison, Bruce bietet mit "Doing That Scrapyard Thing" schrulligen Proto-Art-Rock feil, und Bakers Drama "What A Bringdown" ist sein stärkster, wenn auch letzter Moment als Songwriter für CREAM. Hiermit war also fast alles gesagt, und zurück bleibt der Eindruck, dass die Band Momentaufnahmen statt Alben verzapfte, dies aber dennoch für die Ewigkeit. Der Nachlass zum Ausschlachten folgte unweigerlich …

Klar, die Auflösung und der Charterfolg (vor allem in den Vereinigten Staaten) der mit Live-Songs verbrämten letzten beiden Alben zog nach sich, dass die Federführenden beim Label Konzertmaterial ausschlachteten. Ergo erschienen posthum zwei CREAM-Livescheiben, die sich durchaus anhören lassen, auch wenn man nur spekulieren kann, wozu diese Konstellation im Folgenden im Studio in der Lage gewesen wäre. "Live CREAM" (1970) zeigt die Band spielerisch wohl am beständigsten, wenn man es mit den übrigen Bühnen-Dokumentationen davor und hinterher vergleicht. Das Material stammt von drei Shows in Kalifornien im Mail 1968 und wartet ausgerechnet nur mit Songs von CREAMs Debüt auf, womit sich einmal mehr herauskristallisiert, wie schnell das Trio innerhalb kurzer Zeit wuchs. Zu hören sind somit haarsträubend intensive Fassungen jener Kompositionen auf durchweg hohem Energielevel.

Hervor stechen "N.S.U." und "Sleepy Time Time" in verblüffend "anderem" Gewand, aber auch die knappe Viertelstunde von "Sweet Wine", bei der alle drei Instrumentalisten am Limit zu spielen scheinen, ohne dass der Gesang der beiden Frontleute darunter leidet. Was der Platte einen leicht merkwürdigen, unbeständigen Anstrich verleiht, ist die Miteinbeziehung eines Studiotracks: "Lawdy Mama" beruht auf traditionellem Liedgut und ist faktisch die Keimzelle für "Strange Brew" gewesen, also ein eher nebensächliches Versatzstück. "Live CREAM" bleibt dessen ungeachtet ohne Hits und deshalb tatsächlich nur eine Liebhaber-Angelegenheit, vielleicht sogar der Prototyp von "Mucker-Mucke" in Tonträger-Form.

Auf "Live CREAM Volume II" (1972) fällt trotz des verglichen mit dem Vorgänger gegensätzlichen Konzepts mit den eher "offensichtlichen" Stücken im Brennpunkt noch einmal auf, dass CREAM dem Jazz nicht aus dem Weg gehen konnten. Baker beim Spielen zuzuhören ist mit diesem Album auch heute noch ein Erlebnis voller Nuancen, wobei dem Rezipienten auch der Sound in die Hände spielt, denn die Band hatte auf seinerzeit neuste Live-Aufnahmetechniken zurückgegriffen. Die arg "nachzügelnde" Veröffentlichung lag sicherlich auch darin begründet, dass Eric Clapton seinerzeit stark heroinabhängig war und sich öffentlich eher zurückhielt, also hielt ihn das Album gewissermaßen im Gespräch.

Zum Verständnis dessen, was CREAM ausmachte - Gigs, Gigs, Gigs - ist "Volume II" wohl unerlässlich, denn hier vereinen sich einige "Hits" der Band durch immense sonische Sprengkraft zu einem großen Ganzen. Der Sound wirkt für jene Zeit ungemein klar und unmittelbar, als stünde man direkt im Pulk - beachtlich immer noch im Surroundsound-Zeitalter. Der fieberhafte Zug nach vorne macht die üppigen Arrangements mit Streichern aus dem Studio zwar nicht vergessen, aber man vermisst sie aufgrund der Klangfülle auch nicht. Dieses Live-Werk ist genauso wie das vorige auch ohne wesentliches Neumaterial ein sehr lohnenswertes Unterfangen zum Abschluss einer Karriere gewesen. Wie gesagt: Wo hätte das alles noch hinführen können?

FAZIT: Werkschau einer Standards setzenden Band in anständiger Vinyl-Aufbereitung. Wer wissen will, wo der Blues den Rock und vieles mehr gelernt hat, muss CREAM und ihr Schaffen kennen, Punkt. Mag man extravagante Formate, verbindet man beim Kauf von "Cream 1966–1972" also das Angenehme mit dem Praktischen.

Andreas Schiffmann (Info) (Review 3767x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Fresh Cream
  • A1. N.S.U.
  • A2. Sleepy Time Time
  • A3. Dreaming
  • A4. Sweet Wine
  • A5. Spoonful
  • B1. Cat’s Squirrel
  • B2. Four Until Late
  • B3. Rollin’ And Tumblin’
  • B4. I’m So Glad
  • B5. Toad
  • Disraeli Gears
  • A1. Strange Brew
  • A2. Sunshine Of Your Love
  • A3. World Of Pain
  • A4. Dance The Night Away
  • A5. Blue Condition
  • B1. Tales Of Brave Ulysses
  • B2. SWLABR
  • B3. We’re Going Wrong
  • B4. Outside Woman Blues
  • B5. Take It Back
  • B6. Mother’s Lament
  • Wheels Of Fire
  • A1. White Room
  • A2. Sitting On Top Of The World
  • A3. Passing The Time
  • A4. As You Said
  • B1. Pressed Rat And Warthog
  • B2. Politician
  • B3. Those Were The Days
  • B4. Born Under A Bad Sign
  • B5. Deserted Cities Of The Heart
  • C1. Crossroads – Live At The Fillmore
  • C2. Spoonful – Live At The Fillmore
  • D1. Traintime – Live At The Fillmore
  • D2. Toad – Live At The Fillmore
  • Goodbye
  • A1. I’m So Glad
  • A2. Politician
  • B1. Sitting On Top Of The World
  • B2. Badge
  • B3. Doing That Scrapyard Thing
  • B4. What A Bringdown
  • Live Cream
  • A1. N.S.U.
  • A2. Sleepy Time Time
  • A3. Lawdy Mama
  • B1. Sweet Wine
  • B2. Rollin’ And Tumblin’
  • Live Cream Volume II
  • A1. Deserted Cities Of The Heart
  • A2. White Room
  • A3. Politician
  • A4. Tales Of Brave Ulysses
  • B1. Sunshine Of Your Love
  • B2. Hideaway

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Was kommt aus dem Wasserhahn?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!