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Ash Ra Tempel: Ash Ra Tempel (1971) – The 50th Anniversary Vinyl-Edition (Review)

Artist:

Ash Ra Tempel

Ash Ra Tempel: Ash Ra Tempel (1971) – The 50th Anniversary Vinyl-Edition
Album:

Ash Ra Tempel (1971) – The 50th Anniversary Vinyl-Edition

Medium: LP/LP farbig/Remaster/Poster
Stil:

Instrumentaler Krautrock in seiner urwüchsigsten und ursprünglichsten Form, Kult, Legendäres Album

Label: MG.ART
Spieldauer: 45:04
Erschienen: 29.09.2023
Website: [Link]

„Das ist das Ziel unserer Musik, eine kriterien- und traditionslose Freiheit zu vermitteln.“ (ASH RA TEMPEL)

Als das britische Filou Julian Cope, der Kopf von THE TEARDROP EXPLODES und erfolgreiche Autor sowie erstklassiger Krautrock-Experte, seine 'Krautrock-Bibel' unter dem Titel „KrautRockSampler“ veröffentlichte, offenbarte er sich nicht nur als exquisiterer Kenner des Krautrocks sowie der Kosmischen Musik und dann der Berliner Schule, sondern auch als ganz großer Fan von MANUEL GÖTTSCHING, dem Gitarristen und Soundtüftler, und dessen erster Band ASH RA TEMPEL, in der noch Hartmut Enke als Bassist und Klaus Schulze als Schlagzeuger, der ebenfalls damals anfing an den elektronischen Reglern rumzudrehen, aktiv waren. Die erste LP „Ash Ra Tempel“, in der nicht nur unglaublich innovative Musik, sondern auch ein gestalterische Genialität steckt, bezeichnete Cope als „One of the greatest rock'n'roll LPs ever made“! Und natürlich hat Mister Cope recht – auch wenn gerade in Deutschland viele genau das nicht ernsthaft zu begreifen schienen, eroberte die Musik hinter ASH RA TEMPEL und die unglaubliche Ideenvielfalt eines MANUEL GÖTTSCHING locker den Rest der Welt, die anfangs dieser Musik noch ironisch den abwertend gedachten Titel 'Krautrock' verpassten, der aber nur kurze Zeit später überall zu höchsten Ehren und Anerkennung gelangen sollte sowie ein Markenzeichen besonderer 'Güteklasse-Musik aus Deutschland' wurde, die sich kompromisslos über alle musikalische Grenzen hinwegsetzte. Maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt war MANUEL GÖTTSCHING, dessen ersten Todestag wir genau heute, am 4. Dezember 2023, begehen und darum dieses wunderbare, richtungsweisende Album, das bereits vor zwei Jahren seinen halbjahrhundertigen Geburtstag feierte, in seiner ganzen vinylen Schönheit wieder in Erinnerung rufen, die nun als '50th Anniversary Edition' in dem grandiosen von der Front her aufklappbaren (Original-)Cover samt des ursprünglichen Posters und dem Promo-Begleittext (in englischer und deutscher Sprache als zwei originale Ormig-Blätter), mit dem ASH RA TEMPEL ihre Musik für interessierte Radio-Stationen oder Zeitschriften zu beschreiben versuchten, erscheint.

ASH RA TEMPEL bewahrten sich schon damals eine gewisse Aura des Geheimnisvollen – genau wie ihre damals so extrem ungewöhnlich erscheinende Musik – sodass sie im Rahmen des Promotion-Anschreibens feststellten: „Wenn Sie die Ausführungen gelesen haben, werden Sie alles über unsere Musik, aber sehr wenig über uns wissen. Uns sind jedoch die Angaben zu unserer Musik wichtiger und bedeutender.“

Das also war der Anfang von dem, was sich welterobernd später hinter den Begriffen 'Krautrock', 'Kosmische Musik' und 'Berliner Schule' offenbaren sollte – und einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigste – Wegbereiter war MANUEL GÖTTSCHING, der in Deutschland selber tatsächlich ein wenig unter dem Radar eines weltweit deutlich weniger beachteten KLAUS SCHULZE, aber in der universalen Anerkennung weit über ihm flog und sogar die Ehre hat, nicht nur von Julian Cope vergöttert zu werden, sondern noch dazu als Wachsfigur im größten Wachsfiguren-Museum Asiens, dem Tokyo Tower, ausgestellt und präsentiert zu werden.

Legt man nun also die 180 Gramm schwere LP „Ash Ra Tempel“ aus dem Jahr 1971 (in ihrer noch von Göttsching autorisierten Recut-Version) auf, nachdem man das LP-Cover samt des einzigartigen Öffnungsmechanismus' sowie das Poster und die Ormig-Blätter bewundert sowie den wortwörtlich abgehobenen Text [der in unserer moralinsauren, genderbewegten und für wen auch immer und warum auch immer beleidigenden Begriffe ausmerzenden deutschen (Sprach-)Gegenwart anno 2023 niemals mehr so hätte formuliert werden können und auf den ich bereits genauer in meiner Review zum CD-Remaster aus Anlass der 40. Geburtstags von „Ash Ra Tempel“ aus dem Jahr 2011 eingehe] im Inneren der Klappen gelesen hat, dann kann die Reise beginnen – die Reise in den anbetungswürdigen Krautrock-Tempel von ASH RA TEMPEL, die es so noch nie gegeben hat – und die sich heute auf unzählige Bands und musikalische Stile auswirkt, welche mitunter verzweifelt versuchen, eine ähnliche Atmosphäre zwischen Post-, Progressive- und Psychedelic-Rock, Ambient und elektronischer Musik zu erzeugen oder nachzuahmen.
Hier also kommen deren Ur-Väter ASH RA TEMPEL in ihrer ganzen originalen Schönheit wieder zu Gehör.

Faszinierend ist zudem, dass wir durch die beigefügten Texte im Inneren der LP auch genau die Absicht lesen können, welche dieses ungewöhnliche Trio hinter seiner Musik selber sah. Danach werden wir die LP vielleicht sogar mit 'anderen Ohren' hören und Nuancen darin entdecken, die wir zuvor – vielleicht sogar vor 50 Jahren – noch überhört haben. Hinzu kommt zudem, dass PINK FLOYD sich mit dem 'Sitzenlassen' ihres genialen Querkopfs SYD BARRETT und dem Versuch, noch 1968 verstärkt in psychedelisch-experimemtelle Welten im Rahmen von „A Saucerful Of Secrets“ zu begeben, genau von diesem Ansatz trennten und eben auf Eingängigeres, nicht so gewagt Bewusstseinserweiterndes setzten. Genau hier aber setzten ASH RA TEMPEL mit ihrem unvergleichlichen Debüt-Werk noch eins drauf. Und das sogar mit doppelt-gutem Grund, denn ASH RA TEMPEL hatte sich gegründet, nachdem sie sage und schreibe von PINK FLOYD die Tontechnik gekauft hatten.

Die Band selber erklärt sich und ihre Musik dem (mitunter bei diesen beiden, sich jeweils über eine LP-Seite erstreckenden Longtracks von gut 19 und 25 Minuten zu diesem Zeitpunkt überforderten) Hörer so: „Unser musikalisches Konzept beinhaltet die Verbindung von konventionellem Blues-Rock und sensiblen elektronischen Klangcollagen. Beide Elemente sollten nicht mehr zu trennen sein, und in ihrer komplexen Einheit finden die unterschiedlichen Musikauffassungen der einzelnen Musiker ihren gemeinsamen Punkt. Unsere Musik ist ein permanent impulsives Erlebnis, welches von einem fixierten Anfangselement an sich selbst überlassen ist.“

So erleben wir mit „Amboss“ und der „Traummaschine“ sich sphärisch steigernde, mitunter bedrohlich wirkende und tatsächlich kosmisch klingende Instrumentalstücke, deren Atmosphäre etwa einem durchlebten Rausch gleicht, in dem jedes noch so kleine Detail sich zu unendlicher Größe erhebt, dann irgendwo auflöst, um von einer neuen soundcollagierten Vision ersetzt zu werden. Gitarre, Bass und Schlagzeug sowie experimentierend eingesetzte elektronische Klänge, die mal schwebend, dann flirrend oder improvisativ ihre geheimnisvollen Sounds ausbreiten, ziehen hierbei ihre ganz eigenen Bahnen, um sich immer wieder zu vereinen und in experimentellen Gefilden zu entfliehen. Oder um es abschließend wiederum in den Original-Worten von ASH RA TEMPEL auszudrücken: „Die Idee eines einzelnen wird, sofern sie flexibel genug ist, von den anderen aufgenommen, auf ihr eigenes Instrument transponiert und dann als individueller Beitrag in die Musik reflektiert. […] Der elektronische Überbau wird durch die Grundstruktur des Bass-Drums-Gitarre-Klangs bestimmt, bis er sich durch die totale Entfremdung der Grundlage in die zweite Ebene hebt.“

Ein Erlebnis, das zwar nicht zu beschreiben, aber für jeden musikalischen Freigeist unvergesslich sein wird. Genauso unvergesslich wie MANUEL GÖTTSCHING, dessen ersten Todestag wir heute begehen – und wie kann man ihm besser gedenken als mit der Review zu einer LP, die ihn nicht nur den Weg zu sich selbst als Musiker, sondern auch den in die weite Welt der Musik ebnete, die sich dann hinter dem Begriff 'Krautrock' manifestieren sollte. Ein unsterbliches Werk, auch wenn dessen Kreativ-Kopf am 4. Dezember 2022 seine Gitarre endgültig beiseite legen und sich dem unerbittlich-unmusikalischen Krebs geschlagen geben musste.

FAZIT: Mit „Ash Ra Tempel“ (1971) von ASH RA TEMPEL – unter unumstrittener Federführung des 'Klangkunstmalers' MANUEL GÖTTSCHING – erleben wir nun, ein gutes halbes Jahrhundert später, als „50th Anniversary Edition“ die vinyle Wiedergeburt des Krautrocks der ersten Stunde. Die Vinyl-Ausgabe besticht nicht nur durch die Musik als solche, die uns die drei 'Kosmischen Pioniere' MANUEL GÖTTSCHING (Gitarre, Electronics), HARTMUT ENKE (Bass) und KLAUS SCHULZE (Schlagzeug, Electronics) zu bieten haben, sondern auch durch die originale Gestaltung des von vorne aufklappbaren LP-Covers sowie das darin enthaltene Poster und zwei Nachdrucke der Promo-Ormig-Blätter aus dem Jahr 1971, auf dem auch diese grandiose – und bei dieser Ungewöhnlichkeit durchaus notwendige – Beschreibung der beiden sich jeweils über eine ganze LP-Seite erstreckende Instrumentalstücke zu finden sind: „'Amboss' stellt die erste Ebene dar, Gehör-gewohnte Instrumente vermitteln bekannte Musik, die zeitweilig durch Elektronik erweitert wird. In dem zweiten Stück 'Traummaschine' löst sich der reale Untergrund in ein elektronisches Nirvana auf und läßt kaum noch reale Rückschlüsse auf etwaige Instrumente zu.“ Kein Wunder, dass der Krautrock-Experte Julian Cope dieses Album als „eine der großartigsten Rock'n'Roll-LP's, die es jemals gab“ bezeichnet. Jede Form von Widerspruch ist diesbezüglich zwecklos!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1914x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Seite A (19:40):
  • Amboss
  • Seite B (25:24):
  • Traummaschine

Besetzung:

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