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Urban Project: All Up (Review)

Artist:

Urban Project

Urban Project: All Up
Album:

All Up

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Prog, Jazz, Electronics, Rock, Kraut, Space, Pop, Punk, Alternative

Label: Drobs
Spieldauer: 38:27
Erschienen: 25.08.2023
Website: [Link]

„In Zeiten von Selbstoptimierten, Menschlichkeitstotalverweigerern und Lässigkeitsmüden verteilt das URBAN PROJECT schon mal belebend-tonale Spezialdragees. […] Die Musik des URBAN PROJECT ist ständiges Glück für Ohren und Seele. So schön songstrukturiert auf der einen Seite, so konstant unberechenbar auf der anderen Seite.“ (Eigenbeschreibung der Aachen-Karlsruher-Band unter ihrer Homepage)

Mit „All Up“ landet das URBAN PROJECT aus deutschen Landen, das eigentlich statt deutsch-unterkühlt viel verrückt-amerikanischer klingt, bei allen, denen progressive, schräge, komplexe und mitunter experimentell ausufernde Klangfreuden am Herzen liegen, einen absoluten Volltreffer. Oder sagen wir's mal so: Wer sich auf's URBAN PROJECT einlässt, der sollte in seinem Plattenschrank schon jede Menge Alben von FRANK ZAPPA oder anderen jazz-rockigen Überfliegern, auch der östlichen Gefilde, wie NIEMEN, FERMATA oder COLLEGIUM MUSICUM, stehen haben. Das progressive Quartett aus Deutschland zitiert ZAPPA sogar unmissverständlich unter seiner Homepage (und eben in gewisser Weise auch in seiner Musik): „Es gibt ja so viel zu entdecken! Wie sagte Zappa, die philosophierende Leitfigur aller Individualisten, einst: Er glaube an die Macht des menschlichen Geistes. Ob er das auch in Zeiten von starren Playlists und Influencer-Karrieren gesagt hätte? What the Frank!“

Sicher nicht, möchte man da sofort antworten – und zum Glück braucht ein Zappa all den Irrsinn rund um diese starren Playlists, Spotify, Klickzahlen und sonstwas nicht mehr miterleben. Er hätte seinen Glauben verloren. Auch wenn der nicht wirklich völlig verloren wäre, so lange es noch solche Bands wie dieses 2016 in Aachen und Karlsruhe gegründete URBAN PROJECT oder das sächsische ARTROCK PROJECT (Wenn wir schonmal bei Projekten sind!) von MAREK ARNOLD gibt, die sich im besten ZAPPAschen Freiheitssinn ihrer Musik (statt dem schnöden Mammon oder krankhaften Klick-Wahn) widmen. Und da das URBAN PROJECT mit Yen Anetzberger eine stimmgewaltige, sehr variable Sängerin in seinen Reihen hat, dürfen nur zu gerne auch Erinnerungen an BENT KNEE oder an die Zeiten, als eine TOYAH mit ihrem späteren Ehemann, dem KING CRIMSON-Kopf ROBERT FRIPP, experimentelle Musikversuche unternahm, geweckt werden.

Im Grunde gelingt es dem URBAN PROJECT sogar, ein bis dato unglaublich spannendes Musik-Alleinstellungsmerkmal zu entwerfen, da es Prog, Jazz, Electronics, Rock, Kraut, Space, Pop, Punk, Alternative und vieles mehr in einen Topf wirft, diesen aber nicht einfach umrührt, sondern wieder und wieder aufkocht, wobei ständig ein anderes Genre zuerst an die Oberfläche strebt.

Hier ist garantiert viel Spaß mit im Spiel, aber mindestens auch genauso viel Ernst, der besonders dann zum Einsatz kommt, wenn die Perfektion der Musiker an ihren Instrumenten gefragt ist. Denn die ist genauso wie die hervorragende Produktion der LP, welche nicht an extrem fetten Bässen, aber auch kristallklare Höhen und überzeugende Stereo-Effekten spart, dermaßen gelungen, dass sie einem die Gehörgänge durchbläst und die Ohren schlackern lässt. Es ist fast so, als würden die Musiker mit ihren Instrumenten und der Sängerin in eine Art Diskussion treten und immer ein anderer erhält die Vorderhand, wobei natürlich die Sängerin mit ihrer angenehmen Stimme durchgängig die Zügel der Moderation in den Händen hält, während die anderen eben mal rocken, proggen, jazzen, krauten oder auch, wenn's um den „Burn Out“ geht, mit druckvollen Rock-Rhythmen gar hymnischem Bombast entgegenstreben.

Nur eins wollen die urbanen Zeitgenossen und die eine Zeitgenossin nicht: Langweilen oder sich in Einseitigkeit verstricken. So wird ihr „Summer“ beispielsweise eine balladeske Reise im Americana-Folk-Country-Flair der 70er-Jahre, während „Soul“ mit Bar-Jazz und funkigen Bläsern, aber gar nicht so viel Soul wie im Titel versprochen, aufwartet. Selbst die Überraschungseffekte funktionieren bei „All Up“ vom URBAN PROJECT. Und das macht mindestens genauso viel Freude wie eine Reise mit einem Scheich namens Yerbouti durch die 200 Motels mit letzter Ankunft in Joes Garage, in der gerade ein paar erfindungsreiche Mütter ihrem bärtigen Sohn seine musikalische Genialität mit der Muttermilch dauerhaft in seine Wiege voller heißer Ratten legen.

FAZIT: „All Up“ ist ein echter Kracher – progressiv, selbstbewusst, verrückt, grenzsprengend – selbst wenn einige (musikalisch Leichtgestrickte oder Feinrippgehäkelte) diese Musik selbst nur als Krach verstehen. Aber die haben ganz ehrlich nur noch nicht begriffen, dass Musik mehr als Radio-Futter ist – nämlich eine Lebenseinstellung, die durchaus kratzig und bissig sein darf... Und der man von der ersten bis zur letzten Minute ihre ehrliche, verspielte und komplexe Leidenschaft anhört. Das URBAN PROJECT ist definitiv nicht 'urban', also städtisch, sondern auch natürlich und grenzenlos wie ein Tripp durch Raum und Zeit, mit dem Ziel, einen hochtrabenden Begriff wie ZAPPAesk mit musikalischem Inhalt zu füllen. Ein globales Musik-Fundstück aus Deutschland.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2075x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
14 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (18:31):
  • Sans Amour (3:56)
  • All Up (4:59)
  • Zero One (5:10)
  • Summer (4:26)
  • Seite B (19:56):
  • Burn Out (5:10)
  • Soul (4:48)
  • Home (7:32)
  • The River (2:26)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

  • All Up (2023) - 14/15 Punkten
Interviews:
  • keine Interviews
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