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The Barr Brothers: Let It Hiss (Review)
Artist: | The Barr Brothers |
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Album: | Let It Hiss |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Folkrock, Americana, Worldmusic, Artpop, Rootsrock, Gospel-Soul, Blues |
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Label: | Secret City Records | |
Spieldauer: | 41:33 | |
Erschienen: | 17.10.2025 | |
Website: | [Link] |
Geschwister-Bands können etwas Wunderbares sein. Im besten Fall ist da eine naturgegebene Harmonie wegen/nach dem oft quasi lebenslangen gemeinsamen Musizieren - etwa bei Richard und Karen Carpenter (The Carpenters), bei Russell und Ron Mael (Sparks), bei Rory und Calum Macdonald (Runrig). Oder aber solche Verbindungen bergen etwas Schwieriges, gar Toxisches, wenn tiefsitzende familiäre Konflikte irgendwann öffentlich und auf der großen Bühne ausgetragen werden - man denke nur an Ray und Dave Davies (The Kinks) oder an Noel und Liam Gallagher (Oasis).
Auch THE BARR BROTHERS, also Brad (50) und Andrew Barr (48), sind nicht nur tatsächlich Brüder, sondern ebenfalls seit Ewigkeiten gemeinsam musikalisch aktiv, zunächst zehn Jahre lang als The Slip und seit 2005/06 ganz offiziell als Brüder-Band mit wechselnden Mitstreitern. Das zeitigte immer mal wieder herausragende Alben, aber irgendwann ging offenkundig zeitweise der Verwandtschafts-Zauber verloren. Und damit sind wir beim neuen, vierten BB-Album "Let It Hiss", dessen Vorgeschichte sich eher kompliziert anhört.
"Im Jahr 2022 standen wir an einem Kipppunkt", räumte Brad Barr, Hauptsongwriter, Sänger und GItarrist der Band aus Montreal/Kanada, kürzlich ein. "Es war klar, dass sich etwas ändern musste. Die eigentliche Geschichte dieses Albums ist die Geschichte dieses Wandels – und von allem, was danach kam." Die Platte sei "das, was passiert, wenn man aufhört, so zu tun, als wäre alles in Ordnung - und endlich wirklich zuhört“, sagte Drummer Andrew Barr. Und wie klingt nun dieses Produkt des mühsamen Sich-wieder-Zusammenfindens von THE BARR BROTHERS?
Vorausgeschickt sei, dass dieser Schreiber das zweite Album der Brüder, "Sleeping Operator" (2014), zu seinen absoluten Lieblingsplatten der vergangenen Dekade zählt. Und seit diesem grandiosen Amalgam aus Folk, Rootsrock, Worldmusic, Blues und Songwriter-Pop auf einen ähnlich genialen Nachfolger hofft. Um es im Boxsport-Jargon auszudrücken: Beim hehren Versuch, sich den Titel der besten kanadischen Americana-Band zurückzuholen und elf Jahre nach "Sleeping Operator" ein weiteres makelloses Album vorzulegen, scheitern THE BARR BROTHERS schon in der ersten Runde.
Denn der Opener "Take It From Me" pendelt seltsam unentschlossen zwischen folkiger Zartheit und Prog-Pathos, zudem legt das Lied die gesanglichen Begrenzungen von Brad Barr in den höheren Tonlagen schmerzhaft offen. Nach dem guten, aber nicht überragenden "Queen Of The Breakers" (2017) also wieder kein unantastbares Meisterwerk der Brüder, das steht damit schon fest. Ausgehend vom allerhöchsten Niveau der BARR BROTHERS, ist dieser frühe Knock-Out zwar eine Ernüchterung - aber zum Glück schon das Schlechteste, was man über die Platte sagen kann. Denn natürlich hat "Let It Hiss" in den nachfolgenden neun Tracks noch viel Schönes zu bieten, was sich schließlich zu einer mehr als soliden Americana-Scheibe summiert.
Der Titelsong etwa besitzt diese erdige, raue Bluesrock-Grundierung im Zusammenwirken von (Slide-)Gitarren, Bass und Drums, die man auch auf früheren Alben der Band so schätzte - gekrönt von einem himmlischen Refrain, der Brad Barrs trockenen Bariton mit hellen weiblichen Backing-Vocals kontrastiert. Danach folgt mit der ätherischen Folk-Ballade "English Harbour" ein zweiter früher Höhepunkt, nicht zuletzt durch die Gast-Stimme von Jim James (My Morning Jacket) - ehe es wechselhaft weitergeht.
"Let It Hiss" entstand laut dem kanadischen Top-Label Secret City Records "aus einem entscheidenden Wandel: einer Pause zur Selbstreflexion, einer Auseinandersetzung mit Verletzlichkeit und einer Wiederverbindung zweier Brüder (...) , die ihr ganzes Leben lang gemeinsam Musik gemacht haben". Letztlich ist das neue Album ein ehrliches Statement, das kreative Höhen und Tiefen widerspiegelt - in tollen Songs wie dem gospelig opulenten "Moonbeam" oder der epischen Southern-Soul-Ballade "Naturally", aber auch in lediglich mittelmäßigem Material wie "Run Right Into It" oder "She Doesn't Sleep With The Covers On", die im Stadionfolk-Mitsing-Modus von Mumford & Sons oder The Lumineers steckenbleiben.
Der Albumtitel "Let It Hiss" sei nicht zufällig gewählt, sagt Andrew Barr. "Es fühlte sich einfach richtig an, das Rauschen drin zu lassen", so der Schlagzeuger. "Das Unbehagen, die Unvollkommenheit, den Kampf. Wir haben aufgehört, alles glattzubügeln. Erst da fing die Musik wieder an zu atmen. Und machte wieder Spaß.“ Was man am Ende, im hübschen "Another Tangerine" und im überraschend wilden Garagenrock-Closer "Upsetter", auch hören kann. Spaß machen dürfte das Album mithin auch Fans früherer Alben von THE BARR BROTHERS - selbst wenn diesmal eine leichte Enttäuschung zurückbleibt.
FAZIT: Mit ihrem zweiten Album von 2014 krönten sich die beiden Brüder aus Montreal zu Kanadas Americana-Königen. Die entscheidende Frage im Hier und Jetzt, elf Jahre später und nach einer nicht ganz unkomplizierten Phase für Brad und Andrew Barr: Wirkt der brüderliche Zauber noch? Die Antwort: Ja, mit Einschränkungen. Das vierte Studiowerk von THE BARR BROTHERS pendelt zwischen erneut herausragendem und leider nur mittelmäßigem Material. Eine lohnende Folkrock-Platte ist "Let It Hiss" damit dennoch - man sollte nur kein brüderliches Meisterstück mehr erwarten.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Take It From Me
- Let It Hiss
- English Harbour
- Run Right Into It
- Moonbeam
- She Doesn't Sleep With The Covers On
- Naturally
- Owning Up To Everyone
- Another Tangerine
- Upsetter
- Bass - Todd Dahlhoff, Sam Cohen, Marc Friedman, Mishka Stein, Andrew Barr, Brad Barr
- Gesang - Brad Barr, Jim Jamrs, Jocie Adams, Ariel Engle, Talia Boguski, Elizabeth Powell, Klo Pelgag, Jace Lasek, Josh Bogulski, Alex Borque
- Gitarre - Brad Barr, Brett Lanier
- Keys - Brad Barr, Andrew Barr, Frank LaFontaine, Marc Benevento, Patrick Watson, Benny Bock
- Schlagzeug - Andrew Barr
- Sonstige - Eveline Grégoire Rousseau (Harfe), Amir Yaghmai (Geige), Gabe Noel (Cello), Stuart Bogie (Saxophon), Pietro Amato (French Horn)
- Let It Hiss (2025) - 11/15 Punkten
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