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Interview mit Welle: Erdball (04.11.2011)

Welle: Erdball

Aus ihrer Vorliebe für die Sounds der 80er haben WELLE: ERDBALL nie einen Hehl gemacht. Mit ihrem neuen Album "Der Kalte Krieg" widmen sie sich nun den politischen Verhältnissen, die damals geherrscht haben. Mit der Angst vor einem atomaren Erstschlag und dem daraus resultierenden Dritten Weltkrieg aber auch mit den Reaktionen, die von den Künstlern der 80er kamen. Wir befragten Moderator Honey zum neuen Werk seiner Band und stellten auch ein paar provokantere Fragen, die schon länger unter den Fingernägeln brannten und die er mit klaren Worten beantwortet.

Hallo Honey. Ich bin übrigens derjenige, den Du beim Amphi Festival 2009 auf die Bühne geholt hast, um FIELDS OF THE NEPHILIM anzusagen. Dafür zunächst nochmal vielen Dank, das war echt ein tolles Erlebnis für mich. Kannst Du Dich noch daran erinnern, warum Du gerade mich ausgewählt hattest?

Oh, das ist ja wirklich bemerkenswert! So beißt sich die Schlange ja fast in den Schwanz.
Gute Frage warum ich dich ausgewählt habe, du sahst halt wie jemand aus, dem man mit so einer Sache sehr glücklich machen könnte.

Ok, weg von mir, hin zu WELLE: ERDBALL und "Der Kalte Krieg". Wie seid ihr auf die Idee zu diesem Konzept gekommen? Wer kam damit als Erstes an und wie habt ihr das Thema dann ausgearbeitet?

Die Auswahl der Konzepte besteht eigentlich schon seit der Gründung, ist somit Chefsache. Leider passt die Reihenfolge nicht mehr so ganz, denn die neue Sendung müsste vom Sinn her eigentlich vor der "Tanzpalast 2000" kommen.

Der Grund für das aktuelle Konzept "Der Kalte Krieg" hat viele Ursprünge. Hauptsächlich geht es aber um die Analogie zwischen dem, wofür der Kalte Krieg steht, in Bezug auf viele Dinge, die auch in Zusammenhang mit unserer Musik stehen. 80er Jahre, die Wende/Wiedervereinigung, Deutschland als Nabel der Weltgeschichte, vor allen Dingen aber das Gefühl, welches der Kalte Krieg vermittelt hat und vermittelt. Die Angst vor der Atombombe, dem Vergeltungsschlag, der nuklearen Zerstörung der Welt und die daraus resultierende NICHT-Resignation der Menschheit nach dem Motto: "Sobald eine globale Gefahr droht, halten wir alle zusammen. Jetzt erst recht!". Große Gefühle also, die sehr viel bewegen könn(t)en.

Wie sind Deine Erinnerungen an die Zeit des kalten Krieges? An was erinnerst du dich vielleicht noch sehr genau, welche Gefühle verbindest du mit dieser Zeit?

Im Hinblick auf die Ära des Kalten Krieges stößt man auch auf die inhaltvollsten Texte, z.B. in den deutschen Charts. Nicht "Waddelhaddeldudelda", sondern "Ein bisschen Frieden" gewinnt als erster deutscher Song den Grand Prix. Filme wie "Wargames", "The Day After", "Wenn der Wind weht", Künstler wie DAVID BOWIE oder STING mit "Russians" befassen sich auf eine ganz merkwürdige Weise mit dem Problem und der Angst. Kein erhobener Zeigefinger, kein Lästern über Politiker... eher ein klares: "Wenn wir die Sache nun nicht selbst in die Hand nehmen, ist Feierabend!". Solche Ansätze fehlen mir grad heute, in Zeiten von Terroranschlägen, WTC und Überwachungswelt. Also lieber klare Feindbilder und eine Angst, die sich klar auf etwas fokussiert, als eine Massendepression, die momentan die ganze Menschheit lahm legt.  

Du kennst also den Zeichentrickfilm "Wenn der Wind weht"? Wie findest du ihn?

Das ist ein großartiger Film, nicht allein durch die Musik von DAVID BOWIE, bei genauem Hinhören findet man sogar einige Teile des Filmes in der neuen Sendung. Die Film spiegelt auch die genannte Haltung der Menschheit sehr gut wieder, da er das zu der Zeit sehr ernste Thema mit sehr viel Humor behandelt, einem Humor, der einem das Lachen im Halse stecken bleiben lässt. Für uns war es das primäre Ziel, eben genau diese Gefühle in der neuen Sendung dem Hörer (wieder) zu vermitteln, fast schon eine Art funktionierende Zeitmaschine… und ich glaube sie funktioniert auch wirklch!

Welle: ErdballWar es schwierig, die Coversongs auszuwählen? Nach welchen Kriterien seid ihr bei der Auswahl der Lieder vorgegangen?

Die Auswahl von neu zu adaptierenden Liedern ist immer recht schwer, da man Perfektes nicht besser machen kann und "Cover" von "Fade To Grey" von VISAGE oder "Das Model" von KRAFTWERK gibt es eh schon zu viele.  So suchen wir uns meist Stücke aus, die einerseits eher unbekannt und untypisch sind, die man eventuell auf einer anderen Basis besser machen kann oder die es wert sind, nach dem Vergessen mal wieder in die Öhren des Hörers gespielt zu werden. Das Ganze natürlich unter dem Konzept "Der Kalte Krieg", also Lieder aus dieser Zeit oder Stücke, die ganz klar mit der Thematik verbunden sind wie STEPHAN & NINAs "Feuerwerk".
 
Welche anderen Songs standen denn noch auf eurer Liste, haben es aber nicht aufs Album geschafft und warum?

Es gab wirklich noch ein paar Lieder… "Russians" von STING, "Besuchen Sie Europa" von GEIER STURZFLUG, aber irgendwann ist so ein Album ja auch voll und fertig.

"Eine neue Zeit" und "Kabinett" waren recht einfach umzusetzen, nehme ich an. Sind Songs wie "Ein bisschen Frieden", die ja stilistisch aus einer ganz anderen Ecke kommen, denn schwieriger in den WELLE: ERDBALL-Sound umzusetzen?

Definitiv! Wir haben uns in der Vergangenheit ja schon des Öfteren ein wenig in die Schlager der 50er und 60er verirrt, aber nicht auf diesem Niveau. Die Umsetzung der Lieder "Ein bisschen Frieden" und auch "Hab ich Dir heute schon gesagt, dass ich Dich liebe?" waren absolutes Neuland für uns, aber genau hier lag natürlich auch der Reiz und die damit verbundene Weiterentwicklung des Senders.

Ich kenne nicht jedes einzelne eurer Lieder, aber ich nehme mal an, dass eure Version von "If You Want To Sing Out, Sing Out" der unelektronischste WELLE: ERDBALL-Song überhaupt ist. Warum habt ihr die Nummer nur mit Akustikgitarren und Gesang aufgenommen und ihr kein elektronisches Kleid angezogen?

Wenn man Stücke neu adaptiert – und das vergessen leider viele immer – geht es in erster Linie darum, dass die Authentizität des Liedes nicht auf der Strecke bleibt. Klar wäre eine Industrial-Version von "Ein bisschen Frieden" ein ganz netter Gag, aber alles andere als nachhaltig und ein Anwärter auf ein "Evergreen" oder ein Lieblingsstück. Das Stück von CAT STEVENS ist, seitdem ich das erste Mal "Harold & Maude" gesehen habe (ein Film der ja auch in klarem Zusammenhang mit dem Kalten Krieg steht), eines meiner Lieblingsstücke. Und das Gefühl, welches dieses Stück vermittelt, kann eben nur mit Gitarre wiedergegeben werden. Im Endeffekt sind wir natürlich Musiker und können ohne Probleme ja auch mal ein Lied komplett mit einer Gitarre instrumentieren… allein schon um den Horizont von WELLE: ERDBALLl wieder einmal zu erweitern.

Ihr habt zwei eigene Nummern auf "Der Kalte Krieg". Warum "nur" zwei? Zu dem Thema hättet ihr doch sicher noch ein paar mehr Songs machen können.


Es sind insgesamt sechs Lieder aus eigener Feder auf dem neuen Album! Hier muss man wissen, dass die komplette Sendung anfangs nur eine Art Maxi-Single werden sollte, nur aus "Covern" bestehend. Erst als wir der Plattenfirma die Fülle der Stücke nicht mehr als EP oder Mini-Album "verkaufen" konnten, haben wir noch eigene Lieder dazu geschrieben.

Der Titeltrack ist eine etwas düsterere Nummer im Stil von "Starfighter F104-G". Ich persönlich mag diese Seite von WELLE: ERDBALL deutlich lieber, als die manchmal etwas kitschigere, zuckersüßere. Kann man festmachen, wer bei euch für welche Ausrichtung steht?

Wir sehen uns ja wirklich als eine Art imaginärer Radiosender. Für uns ist es sehr wichtig wirklich facettenreich zu sein, also sind alle "Ausrichtungen" wichtig, um das Ganze komplett und objektiv zu machen. Es wäre ja Blasphemie, wenn der Hörer die WELLE: ERDBALL-CD aus dem Abspielgerät nehmen müsste, nur weil er mal ein wenig "zuckersüße" Musik als Untermalung für sein aktuelles Stelldichein benötigt.

Der zweite eigene Track ist "Deutsche Liebe (C=64)". Eure Fans aus Hannover finden den Song vielleicht nicht ganz so lustig...

Welle: ErdballHier wird ja nichts gegen Hannover oder Hannoveraner gesagt. Ich bin ja selbst fast ein Hannoveraner und habe auch längere Zeit in Hannover gelebt. Hier geht es vielleicht etwas um diese kulturelle Wüste, die ich in Hannover finde und welche nach und wahrscheinlich auch durch die EXPO2000 noch schlimmer geworden ist. Eingefleischte Hannoveraner werden mir am Beispiel Bahnhofs-Passarelle wohl sofort Recht geben. Also nichts gegen die Einwohner, sondern eher eine kleine Enttäuschtheit meinerseits über das Aussehen dieser Innenstadt, die sich von Leipzig oder Hamburg mal eine Scheibe abschneiden könnte.

Sind die schönen Frauen in Essen eine Art Tribut an die sehr lebendige Gothic-Szene im Ruhrgebiet?

Ich glaube schon! Angesichts der Einwohnerdichte ist die Wahrscheinlichkeit ja auch definitiv höher…
 
Um mal auf die Kernaussage des Songs zu kommen: Warum ist es in Deutschland denn eigentlich am schönsten und besser als anderswo?

Deine Heimat ist dort, wo dein Herz ist! Das ist die Kernaussage. Fahr nur in die Ferne, um wieder nach Hause zu kommen und schau doch einfach mal, wie schön es in deiner Heimat sein kann. Und wer sich in seiner Heimat nicht wohlfühlt, sollte wohl langsam anfangen, den Umzugswagen zu bestellen!

Im Review zu eurer vorherigen Veröffentlichung "Operation: Zeitsturm" schrieb ich: "Allerdings ist die die sehr deutlich dargestelle Nazi-Symbolik ein wenig fragwürdig, wenn die Kamera bspw. einen Augenblick zu lange auf ein Propaganda-Plakat hält, hat das schon einen etwas bitteren Beigeschmack." Nicht, dass ich euch vorwerfen würde, rechtsgerichtet zu sein (sonst würde ich auch keine Reviews und Interviews machen), aber meinst du nicht, dass die Leute so etwas auch in den falschen Hals bekommen können oder dass ihr damit ein Publikum aus dem rechten Lager anziehen könntet? Ist Euer Umgang mit solcher Symbolik da nicht ein bisschen zu sorglos?


Vorab muss ich sagen, dass WELLE: ERDBALL weder links, rechts, grün, braun, rosa, rot, kariert, gepunktet oder in irgendeiner Form radikal oder extremistisch ist. Kunst und Politik dürfen niemals in einen Topf geschmissen werden!!!

Wenn man den Film "Operation: Zeitsturm" als Ganzes sieht, wird das einem auch sehr schnell klar.
Ich finde den Umgang mit Symbolen eh fragwürdig. Wie kann ein Symbol für etwas stehen? Es ist doch eher immer umgekehrt und ab wann steht denn ein Symbol für etwas? Es geht doch immer um den Kontext. Weiter sollte man nicht zu viel Mystik in solche Dinge stecken, denn es wird damit nur die Petrischale für Menschen, die hier ihre falschen Leitbilder suchen. Noch mal kurz zum Film, es geht um eine Zeitmaschine die im 2. Weltkrieg von den Deutschen vergeblich gebaut wurde, in der Gegenwart fertiggestellt und mit deren Hilfe die Welt dann wieder verbessert wird. Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse! Und wie der schwarze Cowboyhut zeichnet auch ein Hakenkreuz den Bösewicht sehr gut aus. 

Mal davon abgesehen, was wäre denn so schlimm, wenn Publikum aus "rechten Lagern" sich von WELLE: ERDBALL angezogen fühlt??? Wir haben sehr großes missionarisches Potenzial und bekehren jeden Menschen gerne zu Friede, Freude und Eierkuchen!

Sauer aufgestossen ist mir eine Passage im HOMO~FUTURA-Song "Komm in mein Labor", dort heißt es zunächst: "Und so erschaffe ich Dich neu, aus dem Besten dieser Welt". Das ist dann unter anderem der Ehrgeiz von Adolf Hitler. Ist es nicht ein bisschen sehr geschmacklos, seinen Ehrgeiz (den er ja auf widerwärtige Art und Weise bewiesen hat) als positives Attribut darzustellen?

Welle: ErdballIst verbissener Ehrgeiz denn etwas Positives? Spätestens wenn ich durch Unterdrückung und Krieg die Weltherrschaft an mich reißen will, wohl nicht mehr. Und ein Dr. Frankenstein, der wie in einem Küchenmixer aus extremen Charaktereigenschaften berühmter Personen einen neuen Menschen-Cocktail erschaffen will, ist dann wohl auch von Ehrgeiz zerfressen.
Interessanter wäre wohl das Resultat, aber durch die Konsequenz von Gandhi und den Humor von Chaplin würde wohl auch von einem Hitler nicht viel übrig bleiben… oder was meinst Du?

Die deutsche Gothic-Szene scheint sich nicht sonderlich um Politik zu kümmern. Da scheint es oft wichtiger zu sein, ein gutes, auffälliges Outfit zu haben, das gerne auch mal militaristisch aussehen darf und eindeutig zweideutige Symboliken hat. Hast du auch den Eindruck, dass in dieser Szene Äußerlichkeiten oft eine größere Rolle spielen, als Inhalte?


Da Uniformen, Armbinden, etc. ja klaren Umsatz in der Szene haben, scheint hier ja irgendwo auch ein klares Defizit bzw. eine Art Verlangen zu herrschen. Und bei Gott ist mir sehr lieb, dass man diese Defizite in der absolut unpolitischen Gothic-Szene stillt, wo sie absolut wertfrei sind und eben genau der eben genannten Symbolik den Wind aus den Segeln nehmen. Wäre doch ganz witzig, wenn in naher Zukunft Uniformen und militärische Accessoires NICHT mehr für Krieg und Gewalt stehen, sondern für die friedliche  Gothic-Szene. Dann müssten sich die ganzen Vollidioten wohl auch neue Klamotten suchen?!

Politik und Musik – gehört das in gewisser Weise zusammen? Es gibt viele Leute, die der Meinung sind, dass Musik in erster Linie unterhalten soll und politische Inhalte dort nichts verloren haben.

Das sehe ich absolut genauso! Allein aus dem Grund, dass Politik ja nun auch alles andere als kreativ ist. Angesichts der Weltgeschichte hat die Politik ja auch immer gegen Kunst, Kultur, Vision und Religion gekämpft. Leider auch meist mit Erfolg. Der Drang hin zu Kunst & Kultur ist in jedem Menschen fest verankert… ein Bedürfnis wie Essen oder Trinken. Da sehe ich eher die Kunst und die Kultur, als die Politik der Zukunft… hoffen wir es mal!

Ihr macht mit WELLE: ERDBALL recht poppige Musik, die durchaus auch mehrheitsfähig ist. Zu einem Hit im Mainstream hat es jedoch noch nicht gereicht. Wäre das noch ein Ziel, mal einen Song in die Singlecharts zu bekommen?

Das sind wohl eher verständliche Ziele unserer Plattenfirma. Unser Ziel ist es, WELLE: ERDBALL zu sein, ein Radiosender, der Musik, Hörspiel, Information, Unterhaltung und viel anregenden Stoff zum Nachdenken zum Hörer durch den Äther sendet.

Das Beispiel UNHEILIG hat gezeigt, dass man mit Erfolg im Mainstream aber durchaus auch Probleme mit der Akzeptanz in der Szene, aus der man eigentlich kommt, bekommen kann. Was denkst Du darüber?

Wie Du schon sagtest, es geht um das Ziel! Wenn das Ziel ist, Geld zu verdienen, macht der "Graf" doch genau das Richtige. Und in diesem "Mainstream-Hochofen" geht es doch auch nur darum. Andererseits ändert ein Platz 1 Hit nichts an dem Lied und ein Album ist und bleibt genau das Album, egal ob es 1.000.000 Mal verkauft wurde… oder vielleicht auch gar nicht.

Welche Ideen und Projekte habt Ihr noch in der Schublade, also für WELLE: ERDBALL, aber auch für andere Projekte?


Das ist natürlich alles noch "top secret"! "Es wird immer weitergehen, Musik als Träger von Ideen!" (R. Hütter/KRAFTWERK)

Andreas Schulz (Info)
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