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Interview mit Winter's Verge (11.02.2010)

Winter's Verge

Wer im Januar ein Konzert der Tour von STRATOVARIUS besucht hat, wurde im Vorprogramm mit einer Band namens WINTER'S VERGE konfrontiert. Die Zyprioten haben kürzlich ihr zweites Album "Tales Of Tragedy" veröffentlicht, welches in der Presse recht ordentliche Resonanzen hervorruft. Bassist Miguel Trapezaris stand uns zum Interview zur Verfügung und erzählt ausführlich über die Verantwortung, die er als Musiker vor allem sich selbst gegenüber hat, über sein Heimatland Zypern und den bald wieder anstehenden Eurovision Song Contest.

Hallo Miguel. Euer zweites Album "Tales Of Tragedy" hat kürzlich das Licht der Welt erblickt. Was denkst du über das Album, worauf hoffst du?

Hallo Andreas! Also, wir sind sehr zufrieden mit dem Album. Der Sound ist wirklich exzellent geworden und wir merken deutlich, dass wir uns seit dem ersten Album entwickelt haben und reifer geworden sind. Und wir hoffen einfach, dass mehr und mehr Leute unsere Musik hören und unsere Alben kaufen.

Das ist klar. Mir haben besonders die relativ harten Gitarren in Verbindung mit Georges Stimme gefallen. Allerdings schwächen die Keyboards den Sound ein wenig und lassen ihn weicher klingen, als er eigentlich ist. Könntet ihr euch vorstellen, in Zukunft mit weniger Keyboards zu arbeiten oder sind die ein essenzieller Teil eurer Musik?

Ich denke nicht, dass die Keyboards den Sound schwächen, außer du meinst mit "schwächen" "weniger hart".

So meinte ich das, richtig.

Die Keyboards sind aber schon ein recht zentrales Charakteristikum im Sound der Band, es wäre jedenfalls schwer, sich Songs wie "To You I Sail Tonight", "Captain's Log", "Envy" oder "Reflections Of The Past" ohne sie vorzustellen. Unser Keyboarder Stefanos verhilft uns zu einer guten epischen oder symphonischen Seite und er arbeitet daran, seinen eigenen persönlichen Stil zu entwickeln.

Die "Tales Of Tragedy" scheinen ziemlich aktuelle Geschichten zu sein, ist das richtig? Der Opener klingt jedenfalls ziemlich sozialkritisch und Krieger/Prinzessin/Drachentöter-Texte habe ich eigentlich keine gehört. Wovon handeln also eure Texte?

Viele Leute erwarten bei uns solche Texte, das ist eben ein wenig das Klischee bei dieser Art von Musik. Die Leute sind dann überrascht, wenn sie das entgegen ihrer Erwartung eben nicht bei uns hören. Wir vermischen reale mit Fantasy-Themen, Texte über Geister, Vampire und erklärliche Phänomene, allerdings sinnbildlich für das echte Leben. Die Fantasy-Themen sind da eher subtil beschrieben, zumal wir uns auch mehr auf das Thema an sich als auf Details einer Geschichte konzentrieren. Die Songs selber sind ihre eigenen kleinen Geschichten - ob sie auf echten Geschichten basieren? Das muss jeder für sich selbst beantworten.

Winter's VergeDenkst du, dass man als Musiker eine gewisse Verantwortung trägt?

Als Musiker gilt zunächst, das darf man nie vergessen, was Hamlet sagte: "Vor allem aber, sei Dir selbst treu". Die größte Verantwortung hat man sich selbst gegenüber, indem man die Musik spielt, an die man wirklich glaubt und durch die man sich wirklich selbst ausdrücken kann. Das ist, worum es in der Musik geht - es ist eine Form der Kommunikation und wenn man so kommunizieren will, dann als man selbst. Gerade im Metal laufen die Dinge ja auch anders, als in anderen Bereichen der Musikindustrie. Im Wesentlichen ist es ja so, dass diejenigen, die Metalalben kaufen und auf Rock- oder Metalshows gehen, etwas aufrichtigeres und authentischeres erwarten, als das Zeug, dass sie im Radio hören oder bei den Mainstream Pop-Musiksendern sehen. Das heißt natürlich nicht, dass Popmusiker sich nicht selbst ausdrücken, sie machen es nur eben anders, angepasst an die sozialökonomischen Hintergründe und Erwartungen ihres Zielpublikums. Aber im Metal erwarten die Leute, dass du deine eigene Musik spielst, die du auch selber geschrieben hast und zwar so, wie du es willst, der Verkaufsaspekt ist da ein anderer. Man versucht halt nicht so sehr, sich der Mode oder der Nachfrage anzupassen, sondern du erschaffst etwas, dass du selber magst und hoffst, dass es die Leute auch mögen. Hardrock und Metal sind als eine Form der Rebellion gestartet, als Bewegung gegen die etablierte Ordnung und es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass man, soweit es einem möglich ist, nach seinen eigenen Regeln leben sollte. Fans, die unsere Alben kaufen und dann merken, dass man nicht richtig mit der Musik, die man macht, verbunden ist oder die gutes Geld dafür ausgeben, um uns live zu sehen und dann merken, dass man sich auf der Bühne langweilt und nur wegen dem Geld da steht, wären bitter enttäuscht, insofern hat man ihnen gegenüber sicherlich auch eine gewisse Verantwortung.

Sehr wahre Worte. Ich mochte übrigens auch das Artwork eures Albums gerne, aber ich bin mir nicht sicher, ob es so ganz zu den Texten passt. Warum habt ihr euch gerade für dieses Bild entschieden?

Wir haben mit unseren Grafikdesigner Meran Karanitant (www.darkmouth.com) gesprochen und ihm erklärt, was uns vorschwebte und entschieden uns dann, dass eine bildliche Darstellung des Songs "Captain's Log" eine gute Idee wäre - episch und tragisch.

Dann hätte ich jetzt gerne noch eine Erklärung des Bandnamens WINTER'S VERGE (Anm. d. Verf.: "Verge" heißt soviel wie Saum oder Rand).

Der Winter ist eine sehr besondere Zeit. Die Welt wird kälter und legt sich schlafen und eine andere Stimmung legt sich über Menschen und Orte. Etwas kaltes, nachdenkliches und dunkles. Wir dachten, das sei ein guter Name, um das Gefühl unserer Musik auszudrücken.

Ihr wart kürzlich auf Tour mit STRATOVARIUS. Wie lief es, wie hat das Publikum auf euch reagiert? Und was waren die besten bzw. nicht so guten Erlebnisse auf der Tour?

Die Tour lief absolut fantastisch. STRATOVARIUS selber waren extrem freundlich und zuvorkommend und TRACEDAWN (die andere Band mit der wir den Bus geteilt haben) waren ebenfalls ein exzellenter Haufen von Typen. Die Leute schienen uns jedenfalls auch gemocht zu haben und kamen gut mit unserer Musik klar. Wir haben an einigen tollen Orten mit wirklich großartigem Publikum gespielt. Negative Ereignisse auf der Tour kann ich beim besten Willen keine nennen... es war nichts anderes als eine positive Erfahrung. Das erste Mal vor solch großem Publikum zu spielen war sehr lehrreich für uns und ich denke, dass wir auch viele neue Fans dazugewonnen haben.

Ihr kommt aus Zypern, was recht ungewöhnlich ist. Ich glaube, ich kenne sonst keine Bands aus diesem Land. Wie groß ist denn die Szene dort? Wieviele Bands spielen ernsthaft Metal und wieviele Leute kommen so zu den Konzerten?

Die Metalszene ist wieder der Rest des Landes - klein. Es gibt ca. 1.000 bis 1.500 Leute auf der ganzen Insel, die sich selbst als Metalfans bezeichnen würden. Es sind schon einige gute Bands aktiv und es gibt grundsätzlich viel Talent auf der Insel, aber leider haben sich die Leute dafür entschieden, sich in verschiedene Lager aufzuteilen. Man hat in einer Gruppe die Black und Death Metal Fans, die Power und Epic Metal Fans in einer anderen. Dann gibt es noch die Hardcore-Leute und die Classic, 80er und Thrash Metal Fans in wiederum einer anderen Gruppe. Das sorgt natürlich für eine gewisse Limitierung bei den Shows, die Leute gehen halt nicht zu einem Konzert, wenn es nicht ihre Musik ist. Letzten Endes ist das zwar schon verständlich, warum soll man sich schließlich eine Show angucken, wenn man sie eh nicht genießt, andererseits ist es blöd, wenn die Leute eine solche kleine Szene nicht unterstützen. Zudem haben wir einen 23-monatigen Wehrdienst für alle Männer, was die meisten Bands normalerweise irgendwann zerreißt und es sieht so aus, als gäbe es letztendlich nur wenig Leute, die willig sind, die Opfer zu bringen, die es braucht, um mit einer Band erfolgreich zu werden.

Ich nehme mal an, du bist aus dem südlichen Teil Zyperns. Was ist denn deine Meinung zur Trennung des Landes in zwei Teile? Bist du persönlich oder ist die Band davon betroffen?


Ich werde nicht zu detailiert auf das Zypern-Problem eingehen, denn das ist ein Thema, das viele Bücher, Zeitungen, Journale und Reden füllen könnte (und auch tut). Als Zyprioten mit griechischem Hintergrund haben wir natürlich alle unsere Ansichten gegen die türkische Besetzung und wünschten, das Problem könnte gelöst werden. Die Band ist davon aber nicht so sehr betroffen; ich denke, dass wir auch im Norden ein paar Shows spielen könnten (entsprechende Angebote hatten wir auch schon), die Situation ist aber noch zu gespannt, um das zu machen. Ich denke es ist sicher zu sagen, dass die Invasion 1974 so ziemlich jeden im Land sehr getroffen hat und ich selbst habe auch viel Familienbesitz, der mir legal zusteht, den ich aber nicht nutzen kann. Die ganze Situation ist wirklich sehr traurig.

In Deutschland kennt man Zypern hauptsächlich als schönes Urlaubsland. Was magst du selbst am meisten am Land und was weniger? Und warum sollte jeder einmal im Leben Zypern besucht haben?

Zypern ist wirklich ein toller Ort zum Urlaub machen. Großartige Strände, großartiges Klima, großartiges Essen und zum größten Teil auch großartige Menschen, das liebe ich an meinem Heimatland. Ich bin aber nicht so begeistert davon, wie die Preise in letzter Zeit gestiegen sind und dass die Leute wie die Irren Auto fahren ist auch nicht sehr hilfreich. Jeder sollte das Land aber mal besuchen, denn hier kann man viel Spaß haben.

Winter's VergeIn den letzten Jahren wollten immer mal wieder Metalbands am Eurovision Song Contest teilnehmen und LORDI haben es auch getan und sogar gewonnen. Würdest du dort gerne für Zypern auftreten?

LORDI waren ja eine Freakshow. Vor ihnen hatte Finnland den Rekord der schlechtesten Ergebnisse im Wettbewerb, also dachten sie sich wohl "Scheiß drauf, wir werden das Ding eh nie gewinnen, also können wir auch den ungeheuerlichsten Act, den wir haben, hinschicken." Sie haben mit ihren Monsterkostümen das Interesse der Medien ja schon vor dem Wettbwerb auf sich gezogen und jede Menge abstruser Gerüchte kam auf, sie wären Teufelsanbeter und dieser ganze Mist. Sie haben also schon im Vorfeld einen massiven Medienwirbel ausgelöst und es gibt ja schließlich nichts besseres als schlechte Presse. Die Tatsache, dass sie dann auch noch mit einem schön eingängigen Song ankamen, hat natürlich ohne Ende geholfen. Die Leute hatten halt diese ganzen Geschichten und Gerüchte gehört und als sie sie dann spielen gehört haben, dachten sie "Wow, die Typen sind ja richtig gut" und haben dann dafür gestimmt. Und natürlich haben auch alle Metaller, Rocker und Leute, die gegen das Establishment sind, dafür gevoted.

LORDI waren eine Ausnahme, ein Experiment, das funktioniert hat, eine einmalige Erscheinung. Die meisten Eurovision Songs sind verwässerter Bullshit, der nur dafür gemacht wird, so viele Stimmen wie möglich zu gewinnen. Das ist ja nichts weiter als ein Popularitätswettbewerb und ich sehe nicht, wie wir als WINTER'S VERGE an so einem Wettbewerb teilnehmen könnten und dabei ehrlich zu uns selbst bleiben könnten. Wenn wir gebeten würden, einen Song dafür zu schreiben wie wir es wollen und für Zypern zu spielen, würden wir die Chance natürlich ergreifen, aber ich bezweifele ernsthaft, dass das passieren würden. Wir würden sicherlich unsere Seelen verkaufen müssen oder, um genauer zu sein, müssten Musik schreiben, mit der wir uns nicht wirklich wohl fühlen, damit das klappt, da wäre Hamlet sicherlich nicht sehr erfreut drüber.

Davon ist wohl auszugehen. Dann mal schönen Dank für die ausführlichen Antworten auf meine Fragen. Die letzten Worte gehören natürlich dir.


Im Namen von WINTER'S VERGE ein großes Hallo an alle unsere Fans da draußen und ein extra-großes Dankeschön an alle, die zu unseren Shows bei der STRATOVARIUS-Tour kamen. Danke auch an alle Magazine und Webzines, die uns gute Reviews zu "Tales Of Tragedy" gegeben haben und wir hoffen, bald wieder in Deutschland und vielen anderen Ländern spielen zu können. Cheers, and stay metal!

Andreas Schulz (Info)
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