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Interview mit Belphegor (13.01.2011)

Belphegor

Der beständigste und mittlerweile wohl auch erfolgreichste Metal-Export aus der Alpenrepublik Österreich sind BELPHEGOR, die mit "Blood Magick Necromance" ihr neuntes Album auf die Tresen wuchten. Das üppige Album präsentiert die Band musikalisch bombastischer denn je, inhaltlich bekommt man das, was man von Helmuth und Serpenth erwartet. Das "Titten, Tod und Teufel"-Image mag man durchaus zweifelhaft oder auch pubertär-albern finden, doch macht es eben auch seinen Reiz bei den Salzburgern aus. Mit viel Selbstbewusstsein stellte sich Frontmann Helmuth den Fragen, die natürlich auch dieses Thema beinhalteten.

Hallo Helmuth. Glückwunsch zum neuen Album, das BELPHEGOR bombastischer und opulenter als je zuvor zeigt. Ich nehme mal an, das war auch das Ziel, dass ihr verfolgt habt?

Perfekt. Danke für Würdigung. Yeah, wir haben bis zum Abwinken geprobt, acht, neun Stunden am Tag waren keine Seltenheit, bis wir uns oft nicht mehr riechen konnten. Experimentiert, viele Vorproduktionen und das hat alles Sinn gehabt, um die Dynamik, die verschiedenen Stimmungen zu steigern. Neue Einflüsse und Strukturen wurden eingeflochten, um alles auf den nächsten Level zu bringen und sich nicht zu wiederholen.

"Blood Magick Necromance" wurde von Peter Tägtgren produziert, was in dem Falle eine ausgezeichnete Wahl darstellt, da Peter es einfach drauf hat, einen solchen Sound gut in Szene zu setzen. Stand von vorne herein fest, dass ihr mit ihm aufnehmen wollt oder hat sich das erst entschieden, als ihr gemerkt habt, dass das Material so opulent wird?

Nein, stand es nicht, wir hatten einige Produzenten kontaktet und haben uns gefreut, dass Peter sofort Interesse zeigte. Wir waren in Schweden in den Abyss Studios fünf Wochen zugange, geteilt in vier Sessions, um das Maximale rauszuholen. Das Ziel war eben, was neues auszuprobieren, auch neue Sichtweisen in Sachen Produzenten, anderes Studioequipment, eben eine neue Herausforderung in jeder Hinsicht. Und es war die richtige Entscheidung, der Sound ist massiv und fleischig. Ich habe Blut geschwitzt, um das alles zu verwirklichen und bin sehr Stolz auf das neue Album.

Besonders in die ersten drei Songs habt ihr so ziemlich alles reingepackt, was reinzupacken ging: doublebass-getriebene Raserei, hymnisches Midtempo, schleifende Gitarren, tolle Melodien, die teilweise orientalisches Flair haben, teils verzerrter Gesang, dissonantes Death Metal-Riffing, atmosphärische Glockenschläge und Streicherbombast. Hattet ihr nie die Sorge, dass die Songs überfrachtet wirken könnten? Das ist nämlich mein Eindruck gewesen.

Auf gar keinen Fall, die acht Soundcollagen, das ganze Album, klingt genau so wie BELPHEGOR 2011 sounden wollen. Nimm den Titeltrack: ein sieben-Minuten-Epos. Der aufwändigste BELPHEGOR-Song, der schwierigste, den wir je komponierten, über acht Monate haben wir akribisch alles bis ins kleinste Detail arrangiert, zerlegt - wie scheiß Maschinen - trotzdem ist das Ergebnis sehr emotional, erdig geworden. Chöre, Orchestrationen, Spoken Words, Doom Parts, die im Blastbeat zerfetzen, Akustikparts, Todesriff-Attacken, völlig abgedrehte Twin-Gitarren die jeden Moment drohen, umzukippen. Das Liegut ist pure Magie und für mich ein Highlight auf dem Album. Man muß sich Zeit nehmen für das Album, viele Parts zünden bewußt nicht beim ersten mal hören.

BelphegorMein Fazit zum Album lautete "BELPHEGOR waren nie bombastischer und voluminöser, aber schon deutlich fetziger." Kannst du das nachvollziehen?

Der Masterplan war, nicht das schnellste Album zu recorden, sondern eine quälend-intensive Ritual-Atmosphäre zu erschaffen. Darum ist das Liedgut auch sehr lang, um verschiedene Stimmungen aufzubauen. Brachial - Majestätisch - Bessessen.

Ich würde gerne noch genauer auf einzelne Songs eingehen. Die orientalischen Elemente im Opener erinnern ein bisschen an eine Band wie MELECHESH – Absicht oder Zufall?


Bullshit, wir sind seit 1993 am Start und werden sicher nicht von einer anderen Band abkupfern. Ich hörte auf diese Art gezogene Vierteltöne das erste mal bei Gitarristen wie Ritchie Blackmore oder Yngwie Malmsteen. Wir haben orientalische Elemente erstmals benutzt beim Titelsong von "Necrodaemon Terrorsathan" und dieses Liedgut wurde 1998/99 geschrieben und 2000 veröffentlicht, harrrr. Der Eröffnungsmarsch "In Blood - Devour This Sanctity" reflektiert genau das, für was das Death Geschwader anno 2011 steht. Die Chorusmelodie z.B. ist von Johannes Brahms (1833 - 1897), die "Ungarischen Tänze #1", ich verehre dieses Werk seitdem ich es 1996 erstmals hören durfte. Seitdem wollte ich es immer irgendwie einfließen lassen, nach fast 14 Jahren habe ich diese Vision verwirklicht. Ich hab mich bewusst für einen nicht so bekannten Komponisten entschieden, diese große symphonische Melodie ist einfach Welt. Brahms würde sich wahrscheinlich im Grab umdrehen, wenn er das hören "müsste".

Im Titeltrack wechselt der Gesang zwischen verzerrt und unverzerrt, was den Eindruck eines Zwiegesprächs vermittelt. Ist dieser Eindruck richtig und wenn ja, wer unterhält sich da?

Ja, Vokill-mäßig habe ich mich total ausgetobt, wie nie zuvor. Peter brachte einige Tips rüber und motivierte mich, alles zu geben und zu experimentieren. Auch haben wir für "Blood Magick Necromance" erstmals mit einem Typen namens Sebastian Lanser zusammen gearbeitet, der uns einige Orchestrations kreiert hat, die aber bewusst nicht in den Vordergrund gestellt.  

"Angeli Mortis De Profundis" empfinde ich als stumpfesten Song des Albums. Soll er einen Gegenpol zur anfänglichen Opulenz darstellen?

Man sollte auch nicht immer versuchen, zuviel hinein zu interpretieren, es geht hier einfach um Musick und die thront über allem und hat absolute Priorität. Ist übrigens der schnellste Song neben "Sado Messiah" auf dem neuen Album und hebt sich daher gut ab. Ich denke die Abwechslung ist eine der Stärken von "Blood Magick Necromance".

BelphegorRein musikalisch habt ihr schon lange jede Menge Eigenständigkeit. Die wird aber noch durch die Texte potenziert. Vor allem fällt da die Verbindung von S/M-Thematiken und Satanismus auf. Ist das eigentlich sado/masochistischer Satanismus oder satanistischer Sado/Masochismus?

Ich werde mich nicht in eine Schublade schieben lassen, wir benutzen immer viele originale Verse, Spells, Chants, Beschwörungen etc. Unsere Texte auf "Blood Magick Necromance" sind wie Feuer und Wasser. Die eine Seite ist direkt und vernichtend, die andere ist romantische Todespoesie. Ich will hier nichts zerreden, da vieles von Schafen falsch interpretiert wird bzw. künstlich aufgebauscht. Es ist sehr viel mehr als nur Sado & Sathan. Erstmals haben wir zu fast allen Liedern Epiloge verfasst, um Leuten, die sich wirklich dafür interessieren, einen besseren Einblick zu gewähren. Viele Texte sind Realität und gefährlich.

Angesichts von Textzeilen wie "Kruzifix in Scheide und Arsch" fällt es allerdings schwer, das Ganze ernst zu nehmen, viel mehr klingt das nach amüsanten B-Movie-Klischees. Auch viele andere Texte von Euch gehen in die gleiche Richtung. Wie kontert ihr den Vorwurf des postpubertären "Titten, Tod und Teufel"-Images?

Ja, mit diesem Liedgut hatten wir einige Schwierigkeiten im Vorfeld, dadurch hab ich die beiden abstrakten Verse bewusst gut verständlich eingesungen, weil ich damit gerechnet habe, das wir sie so nicht ins Booklet reinbekommen, harrrrr. Klar, für den einen ist es Kunst, für den anderen Müll. Diese wütende Ketzerei gegen alles Religiöse, gepaart mit Wahnsinn im de Sade-Style muss bzw. kann auch nicht jeder verstehen. Musick und Kunst müssen aufregen, Feuer und Blut speien... und nicht beruhigen. Wenn es um brachiale Musick und Attitude geht, kommt man an BELPHEGOR ohnehin nicht vorbei, egal wo wir live aufschlagen auf diesem Planeten, wir shredden alles in die Hölle.

Wenn das Thema S/M schon so offensiv in den Texten angegangen wird, kann man schon fast davon ausgehen, dass entsprechende Erfahrungen vorhanden sind, weshalb ich da gerne ins Detail gehen würde. Helmuth, du bist vermutlich eher Dom als Sub, richtig? (Anmerkung: Dom ist der dominate Teil in einer BDSM-Beziehung, Sub der devote.)

Ja.

Was fasziniert dich grundsätzlich an der Thematik und was an der Auslebung oder Ausübung?

Der Fetisch. Die Abrichtung, Kontrolle und Unterwerfung, das Seil etc.

Was kannst Du interessierten Anfängern zu der Thematik empfehlen?


Wenn es interessiert, lest Marquis De Sade, startet mit dem Meisterwerk "Die 120 Tage von Sodom", das er im Gefängnis schrieb oder mit "Justine". Beides Bücher, aus denen ich eine shitload an Originalversen in vielen Alben eingeflochten habe, das erste mal bei dem Song "Blackest Ecstasy" vom "Blutsabbath"-Album, das war, denk ich, 1997 rum. Und "Bondage Got Zombie" war dem Meister himself, Marquis De Sade, gewidmet.

Zurück zu unverfänglicheren Themen. Eure Releases kommen bei Nuclear Blast immer in limitierten Editionen, denen allerlei Gimmicks beiliegen (Gasmaske, Halsbänder etc.). Entscheidet ihr selber, was da beigelegt wird oder ist das allein Sache des Labels?

Klar entscheiden wir mit, wollen den Leuten, die ihr hart verdientes Geld in BELPHEGOR investieren und die Band damit supporten, was Gutes bieten. Diese Geschichten sind eben für Sammler und andere Perverse.

Hattet ihr eigentlich wegen eurer Texte und eures Images schon mal Probleme mit der Sitte?

Ja. Aber es langweilt mittlerweile darüber zu reden, wir fühlen uns nicht in der Opferrolle, im Gegenteil - wo gehobelt wird, fallen Späne. Wem es gefällt - gut, wem nicht - fukk off, wir knien und kriechen nicht.

BelphegorWie geht es in 2011 mit Touren und Festivals weiter?

Ab Februar sind wir drei Monate in den USA und Kanada mit DEICIDE und dann SEPULTURA. Dann Europa, an die zehn Open Air Festivals, im September und Oktober wieder Zentralameriaka für drei bis vier Wochen und dann sehen wir weiter. Live sind wir eine der intensivsten Truppen, legen das Hauptaugenmerk auf die schnellen Tracks. Wird heftig und endlich Zeit, Songs wie "Rise To Fall And Fall To Rise" oder "In Blood - Devour This Sanctity" in einer Livesituation zu zelebrieren.

Vielen Dank fürs Beantworten meiner Fragen, die letzten Worte gehören euch.

Danke für die Unterstützung und Gruß an die Leserschaft. Ab Freitag steht "Blood Magick Necromance" in den Läden, hört rein, das Album ist ein Ritt in die Hölle ohne Rückkehr. An Honour This Horror.

www.belphegor.at

Andreas Schulz (Info)
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