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Interview mit SupaRed (16.01.2005)

SupaRed

Seine musikalische Karriere begann bei der Metal Band Ill Prophecy, ehe er 1986 zu den Kürbisköpfen von Helloween wechselte und Weltruhm erlangte. Nach seinem Ausstieg 1993 veröffentlichte er die beiden Soloalben "Instant Clarity" und "Readiness To Sacrifice" und meldete sich schließlich im Januar 2003 mit seiner neuen, eigenen Band "SupaRed" und dem gleichnamigen Debüt zurück. Kiske hat im Laufe seiner Karriere das Musikgeschäft kennengelernt wie kaum ein anderer. Er ist einer der wenigen, die begriffen haben, was Musik eigentlich ist. Dies wird schnell klar, wenn man sein Buch "Kunst und Materialismus" aus dem Jahre 1996 gelesen hat. Ich selbst zähle mich zu einen der größten Fans von Michael Kiske, so war es für mich eine besondere Ehre mit ihm nachfolgendes Interview am 01.11.2004 zu führen, in welchem er sich offen und auskunftsfreudig zeigte:

Hallo Michi. Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses kurze Interview genommen hast. Wie geht es Dir zur Zeit?

Einerseits sehr motiviert im Denken, andererseits gerade extrem unmotiviert beim Songschreiben. Die Situation des Marktes und die erzverkehrten Plattenfirmenvorgehensweisen bremsen mich gerade etwas aus. Es interessiert mich immer weniger bei diesem ganzen Zirkus überhaupt noch mit zu werkeln. Ich bin mit grenzenloser Begeisterung bei Philosophie und Geisteswissenschaften dabei; wäre ich doch nur halb so begeistert beim Musizieren. Ich denke (hoffe) aber, daß es sich wieder ändert, wenn sich mal wieder konkrete Perspektiven zeigen. Schauen wir mal. Ich kann mich hier immer nur sehr bedingt selber motivieren. Es muß schon auch von außen etwas kommen. Kannst Du Dir vorstellen, wie problematisch es wird, wenn Du eigentlich das ganze Konzept von Album-Promotion - so wie es bei uns heute üblich ist - im Grunde absolut unerträglich findest? Jede Art der Promotion für ein neues Album läuft doch bei uns nur noch darauf hinaus, Menschen einzusuggerieren, daß du ein ganz toller Hecht und Übermensch bist, damit sie deine CDs kaufen. Schau dir mit diesem Gedanken im Kopf mal VIVA oder MTV an. Mit all diesen Videos versuchen sich selbstverliebte ``Künstler´´ auf die peinlichste Art und Weise nur noch albern zu produzieren, und als die Größten, Coolsten u.s.w. zu verkaufen. Da möchte man manchmal nur noch brechen. Mir ist das ganz extrem unangenehm. Ich mag gerade die entgegengesetzten Charakter-Eigenschaften. Die lächerlichsten Spießer geben sich überall das Pseudo-Genie, um ans Taschengeld der Kids zu kommen. Und nur noch dieses Schema wird gefördert von den Labels. Es sollte aber besser keinen kranken Personenkult geben, sondern die Kunst sollte im Vordergrund stehen. Natürlich brauchen wir Persönlichkeiten, aber keine eitlen, sondern gottergebene. Keine Blender, sondern wahrhafte Menschen. Keine Materialisten-Spießer, sondern Menschen, die Kultur schaffen können und wollen.

Da hast Du vollkommen Recht. In unserer heutigen Musiklandschaft muß sich etwas ändern. Du hast kürzlich verlauten lassen, dass es auch bei Dir einige Veränderungen geben wird. Wie wird sich dies auf Deine Musik auswirken? Können wir überhaupt mit neuen Songs rechnen?

Ich habe eigentlich ein neues Album letztes Jahr bereits komplett fertig geschrieben und vorproduziert. Hab allerdings noch ein paar Visionen von Songs, die ich unbedingt noch schreiben will, und drauf haben will, damit es komplett ist; und da hänge ich seit dem etwas fest. Ich suche ja bekanntlich immer nach Befreiung oder Freiheit beim Musizieren. Das gehört aber zu den schwersten Angelegenheiten der Welt, weil du dich selber durchschauen lernen mußt. Ich wollte mich bei SupaRed auch von dem Zwang befreien, harte E-Gitarren chronisch zu verbannen, bloß weil ich vom Metal angeödet bin oder schlechte Assoziationen dazu habe. Also ließ ich sie auf SupaRed wieder zu. Dies Ganze Unternehmen hat mich dann richtig gehend physisch krank gemacht. Gelernt habe ich nun aus dem Schreiben und Produzieren dieses Albums - und so lernt man oft nur: man muß es tun - daß ich komplett mit einer gewissen Klang-Sprache (und Szene) brechen muß. Deshalb wird die Zukunft sehr E-Gitarren befreit sein. Es paßt nicht mehr zu mir, und zu dem, was ich will. Auch werde ich die gesamte Metal Szene in Zukunft komplett ignorieren. Das muß sein, sonst komme ich nicht weiter. Ich glaube nicht mehr dran. Einzelne Personen mal ausgenommen.

Momentan geht es ja in der Musikbranche heiß her! Viele Künstler haben Ihren Plattenvertrag verloren und kommen nur schwer bei einem Label unter. Auch Du hast hier schlechte Erfahrungen gemacht. Könntest Du Dir vorstellen, Deine Musik im Eigenvertrieb zu verkaufen, so wie es eine Vielzahl von Undergroundbands macht? Das Internet würde sich hier doch prächtig anbieten.

Sollte sich kein stärkeres Label finden, daß mich eines Deals und einer Investition für wert hält, werde ich genau das tun, oder ganz aufs Veröffentlichen von CDs verzichten. Das Internet ist für Labels, wie auch für die allgemeine Presse, die sich in erdrückendem Maße immer mehr nur noch zum Medium gegen freie und individuelle Kunst entpuppt, die größte Konkurrenz oder Gefahr. Viele Magazine haben nun zu genüge bewiesen, daß sie für ehrliche Musik nur noch ein Hindernis sind, weil die meisten Schreiberlinge selber viel zu tot und kulturlos sind, um Lebendiges fassen zu können. Das Internet kann und sollte vielleicht sehr bald Online-Magazine schaffen, wo Künstler direkt - ungefiltert durch die Hohlköpfe destruktiver Vollidioten - mit Musikfreunden kommunizieren. Künstler und Kunstfreunde im direkten Gespräch. Wenn unsere Presse, oder unsere großen Labels, es einfach nicht kapieren, und sie nichts lernen wollen von denen, die es am besten wissen müssen (den Künstlern) muß man sie eben ausschalten und entmachten. Das Internet ist dafür ganz phantastisch (mal abgesehen von allem Geisteskranken, was sich dort natürlich auch breit macht; das ist aber immer so). Echte Kunst hat viel mehr Macht, als Presse oder Kritik. Wenn Musiker allerdings nur noch schwächliche, geistlose Loser sind, die jedem die Füße küssen, der sie zum Erfolg bringt, ist die Presse und Kritik natürlich allmächtig. Es braucht eben unbedingt wieder echte, freie Künstler mit moralischem Rückgrat, und mit Bewußtsein von dem, was ihre Aufgabe wäre: Nicht Geldverdienen und Erfolg um jeden Preis, sondern Kultur schaffen. Sowie solche Künstler kommen, kommt auch wieder Gesundung in die Musikwelt, und alle Geldmenschen werden durch das Vorbild, durch die Gewalt der Tatschen lernen, wie es einzig und allein geht.

Du hast gerade die Online Magazine angesprochen, die mittlerweile im Netz weit verbreitet sind. Wie wichtig ist das Internet für Dich. Sehr wichtig! Bin jeden Tag im Netz. Was hälst Du persönlich von Internet Portalen, in welchem sich die User Songs für einen geringen Preis downloaden können. Ist es für einen Künstler nicht deprimierend, wenn von seinem Album hauptsächlich nur zwei drei Songs heruntergeladen werden? Schließlich denkt man sich doch was dabei, wenn man eine komplette CD produziert.

Bei vielen Künstlern sind ja tatsächlich nur zwei/drei Songs einer CD wirklich gut oder ernsthaft geschrieben, und der Rest ist Füllmaterial. Hier ist es sicher nur fair. Bei anderen ist das ganze Album aber wichtig und durchdacht. Dieses Verfahren führt dann dort sehr schnell dazu, daß eben wieder nur solche Songs oder Alben gesaugt werden, die sofort reingehen. Es führt so ebenfalls dazu, daß die tiefgängigere, originellere Musik ausgesondert wird. Alles hat sein Gutes und Schlechtes. Ich kaufe vor allem SACDs, weil ich klang will. Aber immer besser legal downloaden, als illegal. Es sei denn, man möchte keine Musiker mehr haben, dann rotte man sie weiter konsequent aus, indem man meint, sie brauchen ja kein Geld zum Leben, denn sie ernähren sich ja vom schönen Ton oder Ähnlichem . Die Industrie hat es sowieso so gedreht, daß tatsächlich der Musiker am wenigsten an seiner Arbeit verdient. Über 90% stecken sich die Labels ein, selbst wenn sie nur als Bank (Vorschuß) fungieren.

Was würdest Du, wenn Du die Möglichkeit hättest, an der heutigen Musikindustrie in Deutschland ändern?

Alles, was ich in meinem Aufsatz: Hat Musik etwas mit Moral zu tun? Angesprochen habe. Nicht Banker, sondern Menschen mit einem Organ für Musik und Kultur müssen entscheiden, wer Verträge bekommt und wer nicht. Die Gesetze der Wirtschaft sind eben andere, als die der Kreativität. Was in der Wirtschaft Sinn macht, wirkt, wenn es auf die Kunst übertragen wird, auf diese vernichtend. Geldverdienen ist ja keine Schande, auch die Wirtschaft nicht. Aber wenn Wirtschaftsköpfe aus Unverstand die Quellen aller Kunst ausrotten, werden sie an einer nicht mehr existierenden Kunst auch nichts mehr verdienen können. In der Wirtschaft gilt Kalkül und Regel und Gesetz; Kunst, und jedes Geistesleben kann nur gedeihen in Freiheitsluft. Die Kunst muß bestimmen, wo es langgeht, und nicht die Wirtschaft Kunst schaffen wollen. Eine klare Trennung muß her, dazu fehlen uns zur Zeit aber offensichtlich noch die Menschen. Ich hoffe ausnahmsweise hier mal, mich zu irren.

Genau, Deinen Aufsatz, den Du auf Deiner eigenen Page im Netz unter www.geisteskind.de veröffentlicht hast. Übrigens nicht der einzige interessante Aufsatz auf der Page. Vor einigen Jahren hast Du mal erwähnt, dass Du gerne eine Rock Oper produzieren möchtest. Was ist aus dieser Idee geworden?

Nur Ansätze als der eine oder anderer Song hier und da. Momentan bin ich ganz woanders, aber vielleicht passiert es ja noch mal. Um es richtig zu machen, bräuchte ich aber Geld, das ich nicht habe. Denn es muß ein echtes Orchestra her u.s.w.

Leider ist es zu keiner Supared Deutschland Tour gekommen. Wie stehen die Chancen, Dich in naher Zukunft live erleben zu dürfen?

Ich gehe nicht eher wieder auf Tour, als bis mit neuer Musik auch neues Publikum gewonnen ist, und somit sicher ist, daß auch Leute zu den Konzerten erscheinen, die meine jeweils aktuelle Musik auch hören wollen. Es gibt kaum etwas öderes, als mir vorzustellen, daß ich nach 11 Jahren vor Publikum spiele, das von mir bloß den alten Metal-Proleten erwartet. Der ist einfach nicht mehr existent. So was tu ich mir sicher nicht an. Wenn ein Album Resonanz hat, wird Livespielen wieder interessant.

Ich danke Dir sehr für das Interview und darf Dir für die Zukunft alles gute wünschen.

Ganz meinerseits, Sir!

Markus Franzen

Gast-Rezensent (Info)
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