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Interview mit Furnaze (17.11.2012)

Furnaze

Krimson, der Kopf der fabelhaften FURNAZE, ist ein früher Vogel, ungemein redselig und mit vollem Herzen bei seiner Sache, die da heißt: Heavy Metal, als müsste man angesichts der Musik der Gruppe noch gesondert darauf hinweisen. Dennoch wurde er gleichermaßen von Gene Simmons und Co. wie altem Funk und dergleichen angefixt. Schuld war die musikalische Familie in der er aufwuchs, wie er an einem Samstagmorgen am Telefon in einem Beinahe-Monolog preisgibt.

Mein erstes Konzert war eine "Rockpalast"-Übertragung von einem Prince-Gig zu Zeiten von "Purple Rain" in Amerika, wo er unter anderem eine 17-minütige Fassung des Titelsongs spielte. Ich nahm die Show auf VHS auf und schaute sie mir immer wieder an. Ungefähr ein Jahr später sah ich Jimi Hendrix' Auftritt in Monterrey. Da war ich neun und völlig aus dem Häuschen und beschloss, auch einmal mit einer Gitarre auf der Bühne zu stehen, was meine Eltern aber zuerst nicht mochten. Der Besitzer des Gitarrenladens vor Ort versaute es mir obendrein dadurch, dass er behauptete, ich müsse zuerst Klassikgitarre lernen, aber wie dem auch sei: Mit 17 besorgte ich mir eine ramponierte akustische, die sich kaum spielen ließ, und dümpelte so herum.
Kurz darauf steckte mir ein Kumpel eine Kassette zu, die jeweils auf einer Seite mit "Master Of Puppets" und "Powerslave" bespielt war. Natürlich haben mich MAIDEN und METALLICA weggeblasen, sodass ich kaum ein Jahr später eine eigene Band zusammengestellt hatte, die wie so viele etwa 15 Coversongs spielte, auch GUNS 'N ROSES, SKID ROW und so weiter. Damals lebte ich noch in Arnsberg im Sauerland, aber wir zogen mehrmals um, erst nach Belgien und dann wieder in die Gegend von Aachen. So wechselten auch die Musiker, mit denen ich spielte. FURNAZE gründete ich 1998 zusammen mit einem Schlagzeuger. Wir checkten verschiedene Sänger, unter anderem auch einen Kerl, der in einer Progressive-Metal-Band sang und unsere Sachen so beeindruckend fand, dass er den Namen vorschlug. Unsere erste Veröffentlichung "Lame-Brained Society" erntete schon sehr gute Reaktionen, die wir mit unserem ersten Gigs bestätigen konnten. Wir spielten zwar nur vor 80 Leuten in einem Irish Pub, doch die drehten komplett durch. Eigentlich wollten wir eine reine SLAYER-Coverband bleiben, doch da es uns so viel Spaß machte, schrieben wir eigene Stücke und erspielten uns rasch eine Fanbasis.
Unsere jetzige Bassistin, die für ein Online-Magazin schrieb, gab uns den Tipp, nach England auszuwandern, weil sich hier weit größere Chancen auftun. Das machten allerdings nicht alle in der Band mit, also musste ich mir neue Leute suchen, mit denen dann das Album "No Stayway To Heaven" entstand. Es gab immer wieder Besetzungswechsel, wobei auch der alte Drummer aus Aachen kam, der ein paar Gigs mitspielte, darunter auch welche in Österreich, aber gerissen haben wir erst etwas, als sich Enni Hagen von Skullcrusher für uns stark machte. Wir spielten 2008 auf diesem Wohltätigkeits-Festival Metal gegen Krebs und nutzten den Energieschub hinterher, um in die Gänge zu kommen. Man merkte, dass sich etwas bewegte, und auf der Dean-Gitarrenshow trafen wir einen Veranstalter, der die Tournee von Tarja zu jener Zeit organisierte. Wir erhielten den Slot als Vorband, was ein voller Erfolg wurde, ob man es glaubt oder nicht, zumal Tarja unsere Musik mochte. Im Zuge dessen schrieb ich rund ein Jahr lang an dem Material, das jetzt auf "None More Black" steht. Außerdem spielten wir noch vor Obituary auf deren 2010er Tour in England, wo uns Adrian Erlandsson hinterm Kit aushalf, auf dem Festival Rock im Betonwerk in Chemnitz und dem In Flammen in Torgau, einer sehr interessanten Stadt übrigens wegen ihres geschichtsträchtigen Hintergrundes, denn dort trafen Amerikaner und Russen am Ende des Zweiten Weltkrieges zum ersten Mal zusammen, was leicht in Vergessenheit gerät. Der Gig war auch genial; DEICDE spielten ebenfalls, und wir hingen mit all diesen Musikern ab, ein unwirkliches Erlebnis. Wir machten da diesen Testlauf, während Leute wie Jack Owen oder Glen Benton backstage herumliefen, nebenbei bemerkt verdammt nette Leute.
Thomas Lang, ein fabelhafter Drummer und Freund unserer Bassistin, schaltete ohne unser Wissen eine Anzeige für uns, auf die sich viele Schlagzeuger zum Vorspielen meldeten. Matt Novak machte das Rennen und spielte eine Rumänien-Tour mit uns, die sehr geil war, weil die Fans in Osteuropa noch richtig begeisterungsfähig sind. Hinterher sandte ich Matt Demos, denen er seine Drum-Spuren hinzufügte, sodass wir allmählich etwas zusammenbekamen. Enni schlug uns Jacky Lehmann vom Audiosound in Berlin als Produzent vor. Ich schickte ihm Demos, die er mochte, und bat ihn, zu uns in mein Studio Crimson Tide zu kommen. Dort spielten wir ein, während Matt seine Spuren in Zagreb einspielte. Das geschah im März 2011 und dauerte nur zehn, elf Tage. Die Aufnahmen waren arbeitsam, aber trotzdem entspannt, weil wir taten, was wir lieben.

Das hört man auch! Ich habe in diesem Bereich in letzter Zeit nichts in die Finger bekommen, was eurem Album standhält, schreiberisch wie handwerklich.

Danke. Uns ging es um Qualität, nicht Quantität, wie man so sagt. Zuerst sollte es ein Konzeptalbum werden, aber das ließen wir der Abwechlsung wegen bleiben. Auch wollten wir nicht durchweg mit 120 bpm lospreschen, sondern ein ausgewogenes Album einspielen. Wir sind zwar nicht sonderlich bekannt, aber auch keine unerfahrene Truppe mehr. Das Album musste einer Visitenkarte gleichkommen, die direkt ins Herz trifft. Daher rührt auch der Titel "Fresse". Ich wollte darin Enttäuschungen aus der Vergangenheit verarbeiten; es geht um geistige Vergewaltigung und wie ich mich gemeinsam mit Andie dagegen wehrte. Der Refrain ist entsprechend direkt ausgefallen, aber ich wollte nicht dass man uns plump mit PANTERA und "Fucking Hostile" vergleicht. Im Grunde genommen handelt es sich bei diesem Stück um die Kernbotschaft von FURNAZE: in your face oder eben in die Fresse. Uns geht es um positive Aggression statt zu jammern, wie schlecht die Welt doch sei. Sicher, das ist sie, aber man sollte das Beste daraus machen. Wir verstehen uns als Therapie: Kommt zu unseren Shows, schüttelt die Rübe und seid ganz ihr selbst, egal wie ihr ausseht, wie lange euer Schwanz ist oder was auch immer. Als Musiker handhaben wir es genauso; wir scheuen den Kontakt mit dem Publikum niemals und scheißen auf Rockstar-Klischees. das widerspricht unserem Selbstverständnis. Ihr alle seid ebenso Teile von FURNAZE wie wir, wenn ihr wollt. Schreibt uns, ruft oder sprecht uns an, trinkt und raucht etwas mit uns - fühlt euch wohl. Das Leben ist nicht immer gut zu denen, die es führen, im Gegenteil, und auch wenn Songs wie "Ghost Rider" eher auf Fantasy-Themen beruhen, machen wir uns Gedanken ...

In "2012" zum Beispiel.

Genau, die Sache mit dem Maya-Kalender. Vor allem die Medien schüren Ängste und wollen uns Lügen für bahre Münze verkaufen, aber sprechen wir nicht weiter darüber, denn dann sind wir rasch beim Dreschen von Phrasen angelangt. Man sollte sich schlicht vergegenwärtigen, woher diese Musik kommt: vom guten alten Rock 'n' Roll und Blues, bei dem es darum ging, sich den Frust von der Seele zu singen über das harte Brot, das man zu kauen hatte. Das ging bei den Schwarzen in Amerika los und setzte sich bei der Jugend im Großbritannien der späten Sechziger fort - siehe Black Sabbath. Auch wir stehen in dieser Reihe, so abgedroschen es sich anhört. Jeder schlägt auf seine eigene Weise aus der Art; die einen greifen zu Waffen, Alkohol und Drogen, die anderen stehlen und vergewaltigen, während ich meine Gitarre schnappe und rocke.

Der gesündere Weg ... Nun ja, du hast eine Menge Fragen auf meiner Liste bereits beantwortet.

Man tut, was man kann, haha. Heutzutage musst du ja ständig präsent sein. Wir sind schon abgewiesen worden, als wir gewisse Journalisten um eine Plattenkritik baten, von wegen man gebe sich nur mit Bands ab, hinter denen eine Firma steht. Wie gut du bist, ist egal, solange du keine Beziehungen zu den richtigen Leuten hast. Es geht immer weniger um die Musik an sich, sondern um dein Aussehen und das unbedeutende Drumherum. Das ist furchtbar traurig und gibt ein verzerrtes Bild wieder. Uns selbst geht es nicht vordergründig um Geld; wir geben alles vor fünf oder 5.000 Zuschauern, weil wir einfach gerne unterhalten und von unserer Musik überzeugt sind.

Wie seid ihr an Fredrik Nordström gelangt?

Jacky hat klasse Arbeit geleistet, aber wir suchten noch einen großen Namen, mit dem wir Aufmerksamkeit erregen konnten. Deswegen schickte ich den Rohmix von "Fresse" an mehrere Produzenten, nachdem ich meine CD-Sammlung durchstöbert hatte: Daniel Bergstrand, der durch MESHUGGAH bekannt geworden ist, DEICIDE- und WHITECHAPEL-Soundmann Mark Lewis, eben Fredrik, an den ich durch Adrian gelangte, sowie Jörk Uken vom Soundlodge in Deutschland. Erstaunlicherweise antwortete jeder von ihnen begeistert, sogar Daniel, was mir eine Gänsehaut einjagte, also ging es nur noch darum, wer gerade Zeit hatte. Letztlich fiel die Wahl auf Nordström, auch weil man von London aus in einer Stunde in Göteborg ist. Er ist eine echte Legende, nachdem er für IN FLAMES, ARCH ENEMY und AT THE GATES die Knöpfe gedreht hat, doch wir wollten weniger seinen typischen Sound, sondern einen natürlicheren, aber immer noch fetten. Das hat er toll hinbekommen. Sein Partner Henke masterte das Ganze superb und obendrein in Windeseile; nach kaum eine Woche waren sie fertig.

Ihr habt keine Plattenfirma, soweit ich weiß ...

Richtig, wir hatten ein Label in Amerika, das keinen Finger für uns rührte. Wir hätten das neue Album auch früher veröffentlichen können, aber ich wartete ab, um aus dem Vertrag zu gelangen. Sie buchten einen Gig für uns in Chicago, wollten aber lustigerweise die Flüge nicht bezahlen. Man versprach uns massive Online-Promotion, aber darauf war ich überhaupt nicht aus, weil wir es organisch angehen wollen. Das Album existiert offiziell nicht als digitaler Release, und so wird es auch bleiben. Jeder, der sich dafür interessiert, kann es zu einem Spottpreis direkt auf unserer Website erstehen oder noch besser bei unseren Konzerten. Es ist auf 500 Einheiten limitiert. Davon abgesehen warten wir einfach auf die richtige Gelgenheit.

Was erhofft ihr euch von der nahen Zukunft?

Vielleicht ist es noch zu früh, darüber zu spekulieren, aber ich glaube, wir haben gerade eine sehr gute Managerin eingespannt, die Gutes für uns machen wird. Ich kann schon ankündigen, dass wir auf dem nächsten Protzen Open Air spielen werden.

Prima, dann sieht man sich vielleicht. Ich bin mit meinen Fragen durch.

Du hast mich im richtigen Moment erwischt. Morgens hat man einfach den meisten Schwung, um Wichtiges zu erledigen.

Meine Rede, ich wünsche dir ein schönes Wochenende und euch als Band alles Gute.

Hau rein!

Andreas Schiffmann (Info)
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