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Interview mit The Oath (27.03.2014)

The Oath

Eine Dienstreise nach Berlin macht es möglich, das Interview mit THE OATH-Sängerin Johanna Sadonis (im Bild rechts) nicht am Telefon zu führen, sondern Auge in Auge. Und so trifft man sich in einer rauchig-lauschigen Bar, die den etwas skurrilen Namen "Ick koof mir Dave Lombardo wenn ick reich bin" trägt und in Berlin Mitte liegt, um sich bei bluesrockiger Musik ausführlich über die Band und ihr starkes Debütalbum zu unterhalten.

Euer Debütalbum erscheint übermorgen in Deutschland. Bist du aufgeregt, bist du nervös? Wie ist deine Gefühlslage diesbezüglich?

Ich bin nicht aufgeregt, ich bin froh, dass das lange Warten endlich vorbei ist, weil wir bisher immer auf diese Single reduziert wurden. Die Single war okay, aber das war eben nur so eine kleine Momentaufnahme, die wir am Anfang rausgerotzt haben. Das waren die ersten Songs und ich bin eigentlich nicht so glücklich darüber, dass es jetzt die ganze Zeit das war, was die Leute gehört haben. Ich kann es kaum erwarten, dass die Leute endlich das Album hören, darauf gibt es die richtige Musik.

Bist du mit den bisherigen Reaktionen zufrieden oder überrascht?

Ich bin positiv überrascht und zufrieden. Bisher sind die Reviews eigentlich ziemlich gut ausgefallen. Natürlich gibt es auch dieses metalszenentypische "Schon wieder so eine Hype-Band"–Rumgemecker. Was mich aber gefreut hat, ist, dass uns auch viele Musiker gutes Lob eingeschenkt haben.

Seit wann spukte die Idee zu THE OATH in deinem Kopf rum?

Schon ziemlich lange. Das ging los mit dem alten Drummer, den wir zuerst hatten, Vincent Wager, der Amerikaner. Das ist einer meiner besten Freunde, mit dem habe ich auch die Kill 'Em All-Party damals angefangen und der war auch für ein Jahr mein Mitbewohner. Wir haben immer total nerdy alte MERCYFUL FATE-Platten gehört – daher kommt ja auch der Name – und uns über die Metalszene unterhalten. Irgendwann haben wir dann gesagt "Lass uns doch mal genau das machen, was wir gerne hätten". Wir haben uns dann zusammengesetzt und in Nullkommanix kam dann über Henke von IN SOLITUDE die Linnea dazu. Das war ein halbes Jahr bevor wir die Single veröffentlicht haben.

Wie kam es dann zum Treffen mit Linnea?

Vincent und ich waren ja Schlagzeuger und Sängerin und der nächste Schritt nach der Gründung der Band war, einen Gitarristen zu finden. Überraschenderweise hat Henke mir geschrieben, dass seine beste Freundin Linnea, mit der er in SONIC RITUAL spielt, nach Berlin gezogen ist, Gitarre spielt und eine Band sucht, wusste aber nicht, dass ich einen Gitarristen suche. Totale Fügung also. Wir haben uns dann angeschrieben und uns in einer Bar hier getroffen und eine halbe Stunde über Musik gequatscht. Das war total komisch, sie kam rein und wir hatten beide die gleiche Frisur, die gleiche Lederjacke, sie hatte ein ANGEL WITCH-Shirt an und ich einen ANGEL WITCH-Patch auf der Jacke. Wie zwei Schwestern. Eine halbe Stunde später war es dann besiegelt.

The OathWie ging es dann weiter?

Wir haben uns dann erst einmal in einen Proberaum eingemietet und dann ziemlich schnell "Night Child" innerhalb der nächsten Wochen geschrieben. Dann kam mein damaliger Freund als Bassist dazu, der eigentlich mit der Metalszene nicht so viel zu tun hat und aus der Psychedelic-Ecke kommt, was aber ein ganz guter Einfluss für die ganze Mischung, die das Album ausmacht, war. Wir haben uns dann regelmäßig zum Proben getroffen und haben dann schnell die Single eingespielt. Dann ging es eigentlich ganz schnell, erst kam dieses "Band Of The Week"-Ding (DARKTHRONEs Fenriz kürt regelmäßig seine Band der Woche - d. Verf.), wir haben neue Songs gespielt und auf einmal kamen lauter Angebote von Labels. Total absurd.

Also kam das Angebot von Rise Above zu euch und ihr hattet euch nicht bei denen gemeldet?

Das kam zu uns. Wir hatten mehrere, auch größere Labels, die uns angesprochen haben…

Welche?

Ich weiß nicht, ob ich darüber reden darf. Einige größere Metal-Label jedenfalls. Die haben sich bei uns gemeldet, aber Rise Above war das richtige.

Warum?

Das  ist vielleicht auch mein persönlicher Bezug gewesen. Ich war als Teenie totaler CATHEDRAL-Fan und dachte, wenn der Typ… ich kann vielleicht nicht so viele Sachen gut, aber ich habe ein sehr gutes Gespür für Menschen und hatte einfach so ein Bauchgefühl, dass das richtig sei. Wenn jemand selber Musiker ist und ein Label macht (Rise Above Records ist das Label von Lee Dorian von CATHEDRAL - d. Verf.), dann muss er auch ein Idealist sein und sieht vieles aus der Perspektive einer Band. Und ich sehe auch, mit welchem Herzblut er seine Bands promotet und die Bands wie seine eigenen Babys sieht. Das ist halt anders, als wenn man zu einem größeren Label gegangen wäre, wo du nur eingekauft wirst, um vermarktet zu werden und wenn du Pech hast, stehst du dann am Ende der Nahrungskette und bist nur ein kleines Rad am Wagen. Mir gefiel der Idealismus bei Rise Above.

Wie hat sich die Aufgabenverteilung entwickelt? Hat Linnea die Songs geschrieben und du die Texte?

Nein, wir haben das ganz gut zusammen gemacht. Meistens lief es so ab, dass Linnea die Riffs bringt, wir rumjammen und ich meine Gesangsmelodie und Texte dazu schreibe und wir dann gemeinsam arrangieren und an den Songs rumfeilen. Das war also alles ein gemeinsamer Prozess.

Wie würdest du das Verhältnis zwischen Linnea und dir beschreiben?

Ich glaube, wir ergänzen uns. Wir haben relativ ähnliche Einflüsse und auch eine ähnliche Vision von Musik, deshalb hat das auch so schnell geklappt, obwohl wir uns vorher nicht kannten. Es war immer gleich klar, ob wir etwas so machen oder ob wir es so nicht machen. Also ein ähnliches Stilempfinden. Wir sind trotzdem auch unterschiedlich in der Persönlichkeit, sie ist eher rau, ein bisschen tomboy-ish, das merkt man auch an ihren Riffs. Ich bin eher die Emotionale, auch wenn das ein bisschen so das typische Klischeeding ist, aber genau deshalb ergänzen wir uns so gut. Und deshalb funktioniert auch das Songwriting so gut, weil wir eben beide da sind und unterschiedlich sind, aber eine gemeinsame Vision haben.

Hat sich da eine Freundschaft entwickelt?

Ja, total. Wir sind am Anfang auch viel um die Häuser gezogen. Das war dann auch so, dass alle gefragt haben, ob wir Schwestern sind. Es hat sich eine intensive Beziehung entwickelt.

Was heißt intensiv?

Naja, wie das halt so ist, wenn man sehr eng miteinander zu tun hat und auch unter Druck steht, gibt es Höhen und Tiefen, wie in einer Beziehung.

Eure Texte sind recht eindeutig. Ich würde jetzt nicht unbedingt plakativ sagen…

Doch, sind sie schon, sind sie. Ich habe relativ viel darüber nachgedacht, ob ich das jetzt so mache oder nicht. Weil es schon ganz schön frech ist, solche Sachen wie "lucifer rise" und "satan come to me" und so einen Kram zu singen. Ich muss aber dazu sagen, dass ich wirklich mit Leib und Seele seit über 20 Jahren Metal höre und mich sehr viel mit der Thematik, die wir in den Texten haben, auseinandergesetzt habe. Und ich dachte mir, warum soll ich um den heißen Brei singen? Zumindest bei der ersten Platte will ich das Kind beim Namen nennen, weil es einfach klassische Motive sind. Klar, man kann da subtil dran gehen, das wird in Zukunft wahrscheinlich auch eher so sein, aber erst mal hat es mir total Spaß gemacht, mich auf klassische und simple Art und Weise darauf zu beziehen.

Inwieweit ist das auch für dich persönlich etwas Ernsthaftes?

Sehr ernsthaft. Es geht ja jetzt nicht nur um Spiritualität, sondern auch um die klassischen Themen Sex, Drogen und Rock’n’Roll, Tod und Verderben. Das sind Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen und die alle bewegen. Alle Texte sind extrem persönlich. Ich habe einen engeren Bezug zum Tod, als manche Leute, die ich jetzt mal eben auf einem Konzert kennenlerne, da benimmt man sich ja schon ein bisschen anders. Aber ich habe schon eine ganz schöne Besessenheit von dem Thema.

The OathPraktizierst du irgendwelche Dinge oder ist das eher etwas Gedankliches?

Bestimmte Sachen werden für mich auf eine private Art und Weise praktiziert, aber was das für einen Umfang hat, darüber muss man jetzt nicht öffentlich reden. Aber es sind auch viele Sachen Metaphern. Dämonen können ja auch für deine eigenen Dämonen stehen, man kann da nicht alles wortwörtlich nehmen, es sind oft Sinnbilder.

Also geht es nicht in die Richtung, in der es zum Beispiel bei Bands wie WATAIN oder THE DEVIL'S BLOOD geht, die ja doch sehr konkret daran gehen bzw. gingen?

Nein, das ist anders, das ist individueller. Ich würde mich auch nie irgendeiner Religion oder irgendeinem Kult anheften. Ich finde, man kann aus allen Religionen oder Perspektiven, das können auch philosophische Ansätze sein, Ideen ziehen, die einem etwas erklären und für sich selber die Sachen herausziehen, die Sinn für einen machen. Ich finde auch im Christentum Ansätze, die interessant sind. Es ist doch genau das Ding am Satanismus, dass es so ein Individualismus ist. Aus allen Einflüssen, aus allem was du weißt, gelernt, gelesen und in dir angehäuft hast, ziehst du die Sachen für dich und spuckst sie wie ein Katalysator auf deine eigene Art und Weise aus. Ich respektiere WATAIN und THE DEVIL'S BLOOD total, aber jeder hat einen anderen Umgang mit Satanismus, bei mir ist es auf eine andere Art und Weise. Jemand der spirituell denkt, ist immer noch ein Stück weiter, als jemand, der im Kopf flach wie eine Scheibe ist.

Ihr habt das Hell Over Hammaburg, das Roadburn und die Tour mit Uncle Acid & The Deadbeats abgesagt. Warum?

Darüber kann ich ehrlich gesagt nicht sprechen, das wird irgendwann ans Licht kommen.

Ihr habt damit aber sicherlich ein paar Chancen vertan, oder?

Könnte man sagen, ja. Es ging aber jetzt nicht anders.

Ok, anderes Thema. Ihr werdet sicherlich oft auf die Optik reduziert. Da leistet so ein Albumcover sicher seinen Beitrag zu…

Na klar. Wir haben uns aber auch dafür entschieden, es war Linneas und meine Idee, dass wir das so machen. Uns ist ziemlich egal, wenn Leute einen so eingeschränkten Horizont haben und uns nur auf das Äußerliche reduzieren. Ob einem die Musik gefällt, ist eine andere Sache, das kann jeder für sich entscheiden. Ich als Musikfan stehe total auf 70er-Hardrock- und 80er-Heavy-Metal-Bands und wenn ich W.A.S.P. oder KISS oder auch LED ZEPPELIN mit freiem Oberkörper sehe, finde ich das total cool. Ich möchte dieses Gesamtpaket haben und da gehört das Entertainment einfach dazu. Das Visuelle, die Musik, das gesamte Konzept. Mir ist es scheißegal, ob die Leute darüber herziehen oder was sie darüber denken, ich möchte das so machen, wie ich es selber gerne sehen würde.

Musik ist eben nicht immer nur das Hören. Da sind WATAIN wieder ein gutes Beispiel.

Total. Das ist ein durchdachtes Gesamtkonzept und da stimmt einfach alles. Das möchte ich als Musikfan auch sehen. Ich möchte nicht zum Konzert gehen und Leute sehen, die so aussehen wie die Leute, mit denen ich im Büro sitze, das ist doch total langweilig.

Apropos - euer Logo hat Erik von WATAIN gemalt. Wie kam es dazu?

Erik und ich sind schon seit einigen Jahren befreundet und Linnea als Schwedin kennt ihn natürlich auch. Er hat uns auch im Studio besucht, das Logo hatte er aber schon vorher gemacht. Das hat sich durch die Freundschaft so ergeben, er war auch ziemlich froh darüber, dass Linnea und ich uns getroffen haben und zusammen was machen.

Euer Song "All Must Die" wurde an dem Tag veröffentlicht, als bekannt wurde, dass Selim Lemouchi von THE DEVIL'S BLOOD verstorben ist. Ein bitterer Zufall.

Das war sehr schlimm für mich. Ich saß im Büro und wir hatten mit Rise Above ausgemacht, dass wir gleichzeitig posten, dass der Song online gestellt ist. Ich war total happy, weil die Leute endlich mal einen richtigen Song von uns zu hören bekommen sollten und nicht immer nur die 7-Inch. Auf einmal bekam ich eine SMS von Jakob Kranz (Berliner Radiomoderator und Ex-Rock-Hard-Redakteur, d. Verf.), dass ich ihn mal zurückrufen solle. Er hat mir dann gesagt, dass Selim gestorben ist. Da war für mich erst einmal alles vorbei. Das Problem war, dass das mit dem Song alles schon so getimed war, dass er über das amerikanische Magazin Noisey online geht. Und es hat sich so beschissen angefühlt, dass ich das dann posten musste. Ich konnte das dann auch nicht genießen und werde das auch nie vergessen, vor allem, weil der Song eben auch "All Must Die" heißt. Wir wollten mit dem Posting des Songs eine gute und eine schlechte Nachricht, nämlich dass die Tour abgesagt wurde, überbringen. Ich hatte dann auf Facebook ein "Ironic on a day like this…" gepostet und jeder dachte, dass das etwas damit zu tun habe, dass die Tour abgesagt wurde, aber es ging um Selim.

Würdest du sagen, dass THE DEVIL'S BLOOD ein Einfluss für euch waren?

Nein, waren sie nicht. Das ist zwar eine Band, die ich sehr schätze, aber dieses ganze Okkult-Rock-Gedöns kann ich nicht ertragen und möchte damit auch nichts zu tun haben. Wenn die Leute fragen, was wir spielen, sage ich Heavy Metal und Hardrock. Ich finde aber, dass  wenn es eine Band gibt, die in diesem Genre, dessen Name Okkult Rock ich bescheuert finde, gut war, dann war es THE DEVIL’S BLOOD. Selim war ein unglaublich talentierter Typ und die Band musikalisch so eindrucksvoll und auch konzeptionell komplett durchdacht. Tolle Band, aber auf keinen Fall ein Einfluss.

Du bist in der Berliner Szene sehr aktiv. Was machst du da alles?

Das fängt an mit meinem Vollzeitjob, ich arbeite bei Trinity Music, das ist der größte lokale Promoter in Berlin. Wir haben nebenan einen Plattenladen, in dem es nur Vinyl gibt. Da gibt es einen großen Metalkeller, wo ich viele Bestellungen mache. Dann gibt es seit fünf Jahren einmal im Monat den Kill 'Em All-Club, eine Oldschool-Metal-Party. Ich habe auch als lokaler Promoter selber Shows mit GHOST, IN SOLITUDE oder BLOOD CEREMONY veranstaltet und lege auch viel als DJ auf.

Es heißt ja immer, dass Metal in Berlin nicht so richtig funktioniert.

Berlin war noch nie eine Hochburg, aber es gibt hier auch viele Metalfans, das verteilt sich nur sehr. Deshalb habe ich auch damals diese Party ins Leben gerufen. Mir fehlte so eine Party, wo unsere alten Helden gespielt werden und nicht nur so etwas wie AMON AMARTH.

Andreas Schulz (Info)
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