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VERSENGOLD | Nacht der Balladen 2022 - Historische Stadthalle Wuppertal - 07.05.2022

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VERSENGOLD | Nacht der Balladen 2022 - Historische Stadthalle Wuppertal

Die Historische Stadthalle Wuppertal ist einer der schönsten Veranstaltungsorte des Landes. Ende des 19. Jahrhunderts als Wahrzeichen der aufstrebenden und damals noch selbständigen Stadt Elberfeld gedacht, dient das schmucke Bauwerk heutzutage sowohl als Konzerthaus des Wuppertaler Sinfonieorchesters, als auch als Veranstaltungsort für Konzerte aller Art. Die sensationelle Akustik der Wuppertaler Stadthalle ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und neben den prächtigen Stuckarbeiten im Inneren des Großen Saals fesselt vor allem eine große Orgel von Wilhelm Sauer die Blicke der Besucher.

An diesem Abend ist die Stadthalle Wuppertal wiederum Schauplatz eines Konzerts, das wie gemacht ist für die Schönheit der Location: VERSENGOLDs „Nacht der Balladen“. Wie der Name unschwer erahnen lässt, stehen heute überwiegend die Songs der Nordlichter auf der Setlist, die nicht unbedingt dazu prädestiniert sind, Party-Stimmung zu vermitteln, wobei die Band im Laufe des Abends die ein oder andere Ausnahme macht, doch dazu später mehr.

Nacht der Balladen war bereits für 2020 geplant

Wie viele Events war auch die „Nacht der Balladen“- Reihe bereits für das Jahr 2020 geplant, aus den bekannten Gründen kann das Konzert erst am heutigen Abend stattfinden, was Sänger Malte Hoyer in einer Pause zum Anlass nimmt, sich bei den treuen Fans der Band dafür zu bedanken, die Tickets behalten zu haben. Dem Anlass entsprechend haben VERSENGOLD während der diesjährigen Auflage zusätzlich zur normalen Besetzung ein Streichquartett, eine Sängerin und einen zusätzlichen Perkussionisten mit auf die Bühne der Stadthalle Wuppertal gebracht.

Als Auftakt dieses denkwürdigen Abends haben VERSENGOLD „Auf in den Wind“ gewählt. Die Bühne ist in ein tiefes Blau gehüllt, Nebelschwaden umwabern die Musiker, dazu sorgt der eindringliche Text, der die Geschichte eines Schiffbrüchigen, der in den Tiefen des Meeres seinen Tod findet erzählt, für die ersten Gänsehautmomente des Konzerts, denen noch zahlreiche weitere folgen sollen. Überhaupt beherrscht zunächst eine tiefe Melancholie die Szenerie, denn wo in einem „normalen“ VERSENGOLD Konzert die Party-Songs der Band abgefeiert werden, gibt es traditionell auf der Nacht der Balladen epische Geschichten zwischen Leben, Liebe und Tod.

Von Windbräuten, Küstenkindern und Gesellschaftskritik

Mit „Windsbraut“ vom neuen Opus „Was kost die Welt“ zeigt die Band im Anschluss alle Stärken, die sie zur erfolgreichsten Folk-Rock Band Deutschlands gemacht haben: griffige Kompositionen, die die teilweise dramatischen Texte prächtig in Szene setzen. VERSENGOLD setzen aber in dieser Nacht nicht nur auf Beschaulichkeit. Mit „Küstenkind“ wird in der Folge beschwingteres Liedgut gespielt, das hier in der Stadthalle Wuppertal ausgesprochen gut ankommt. Im Laufe des Abends ergibt sich für die Bandmitglieder immer mal wieder die Gelegenheit, die Instrumente zu tauschen. Florian Janoske bedient so zwischenzeitlich statt der Violine das Hackbrett, während Sean Lang ans Piano wechselt.

Zu „Die Blätter die im Frühling fallen“ erzählt Frontmann Malte Hoyer, die Geschichte zur Entstehung des Titels, der sich in metaphorischer Art und Weise mit dem Selbstmord Jugendlicher auseinandersetzt, die dem Leistungsdruck unserer Gesellschaft nicht gewachsen sind: sein Fazit: „der ganze Baum ist krank, wenn seine Blätter im Frühling fallen“ liefert auf den Punkt gebrachte Kritik am bestehenden (Schul-) System, das ausschließlich auf Leistung setzt. Hat man von einer erfolgreichen, deutschen Band in dieser Form seit Jahrzehnten nicht mehr gehört.

Nebenwirkungen der Pandemie

Augen auf und durch“ thematisiert die Nebenwirkungen der Pandemie, die bei Malte Hoyer alte Traumata wieder aufkommen ließ, da er sich zeitweilig in einem Sog aus Hoffnungslosigkeit und Monotonie gefangen sah und ohne das gewohnte Leben als tourender Barde etwas wie Sinnlosigkeit empfand. Der Song liefert allerdings auch das Gegenmittel zum Alltags-Pandemieblues: weitermachen, auch wenn es schwer fällt, indem man das Feuer, das tief in jedem brennt, wieder entfacht und den Aufbruch zu neuen Ufern wagt.

Tjark Evers: Emotionale Achterbahnfahrt

Nach „Nebelfee“, ein Titel, der eines der drei VERSENGOLD-Themen abhandelt, wie Teufelsgeiger Florian Janoske in einer Anmoderation schelmisch bemerkt (Liebe, Tod und Saufen), folgt die Geschichte von „Tjark Evers“. Das SCHANDMAUL-Cover darf auf keiner Nacht der Balladen fehlen. Es erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der mit einem Schiff am Morgen des 23. Dezember 1866 zurück nach Baltrum gebracht werden soll, weil er dort mit seiner Familie das Weihnachtsfest feiern möchte. Im dichten Nebel des dämmernden Morgens setzt ihn der Kapitän des Schiffes versehentlich nicht auf Baltrum, sondern auf einer Sandbank ab, was Tjark Evers erst bemerkt, als das Boot bereits außer Sicht- und Rufweite ist.

Da Evers weiß, dass es für ihn bei einsetzender Flut keine Rettung geben wird, schreibt er einen Abschiedsbrief in sein Notizbuch, welches er in die Zigarrenkiste legt, die er seinem Vater zu Weihnachten hatte schenken wollen. Diese Zigarrenkiste wird etwa zwei Jahre nach seinem Verschwinden tatsächlich gefunden, während seine sterblichen Überreste bis auf den heutigen Tag verschollen sind. Es gibt wohl niemanden im Saal, dem das Schicksal des jungen Mannes nicht einen Schauer über den Rücken jagt.

Thematisch bleibt es bei „Haut mir kein Stein“, dem vertonten Testament Hoyers, nur vordergründig düster, denn VERSENGOLD gelingt es mit diesem Song, so etwas wie heiter-beschwingte Stimmung aufkommen zu lassen, was dem letzten Willen Hoyers, ihm nach seinem Tod ein Schankhaus zu bauen, durchaus Nachdruck verleiht.

Nach „Die wilde Jagd“ vom neuen Album und „Sternensee“ gibt es nach fast einhundert Minuten die wohlverdiente Pause für alle Beteiligten.

Lied für Oma rührt zu Tränen

VERSENGOLD eröffnen den zweiten Teil des Abends mit „Hier kummp de Storm“, der ebenfalls auf dem neuen Album zu finden ist. Nach „Eis und Asche“ sowie „Tochter der Weiten“ kündigt Malte Hoyer den emotionalsten Teil des Abends an, was sich sukzessive im Laufe seiner Anmoderation erschließt. Hoyer erzählt sichtlich bewegt vom Beginn der Pandemie, als seine Oma mit ihrem dritten Schlaganfall im Krankenhaus lag und es niemandem aus der Familie erlaubt war, sie zu besuchen.

Hoyer kam dann auf die Idee, ein Lied für seine Großmutter zu schreiben, nahm es innerhalb kürzester Zeit auf und bat Radio Bremen 1, den Song zu einer bestimmten Zeit ein einziges Mal zu spielen. Das Pflegepersonal wurde informiert und so konnte die Oma im Krankenbett den Song und sogar kurz die Stimme ihres Enkels über das Radio hören. Dass Hoyer während des Titels selbst zu Tränen gerührt ist, versteht sich von selbst, da seine Großmutter sich zwar von diesem Schlaganfall nochmals erholen konnte, im vergangenen Jahr dann aber doch verstorben ist. Im Anschluss an diesen Gänsehautmoment gibt es minutenlang Standing Ovations.

Fulminater Schlusspunkt in Partylaune

In der Folge erzählen VERSENGOLD vom „Zauber des Wildfräuleins“ mit traumhaften Melodien der beiden Streicher Florian Janoske und Alexander Willms, prächtig unterstützt durch das Streichquartett im Schatten der mächtigen Orgel. Dass die Sache für den Protagonisten ein böses Ende nimmt, dürfte klar sein. Nach einer tollen Version von „Feiergeist“ blasen VERSENGOLD mit „Biikebrennen“, „Fass voller Wein“ und „Thekenmädchen“ zum Endspurt des Konzerts und ziehen alle Register ihres Party-Potenzials. „Die letzte Runde“ als letzter Eintrag der regulären Setlist und „Mondlicht“ im Zugabenteil beenden eine fantastische Nacht der Balladen in der Stadthalle Wuppertal, die mit abermaligen Standing Ovations gefeiert wird. Und natürlich gibt es zum Abschluss des Konzerts wie immer den „Abgesang“, die vertone, augenzwinkernde Werbeminute.

FAZIT: VERSENGOLD feiern mit ihren Fans in der Stadthalle Wuppertal eine magische Nacht der Balladen, die keinerlei Gefühle auslässt. Fabelwesen, mystische Erzählungen aber auch traurige Geschichten verschmelzen in gewohnter Manier der Nordlichter zu einem Konzerterlebnis, das in dieser Fulminanz nicht viele Bands auf die Bühne bringen können. Eine Sternstunde.

Setlist:

  • Auf in den Wind

  • Windsbraut

  • Küstenkind

  • Ihr so nah

  • Die Blätter die im Frühling fallen

  • Augen auf und durch

  • Nebelfee

  • Tjark Evers

  • Haut mir kein Stein

  • Die wilde Jagd

  • Sternensee

  • Hier kummp de Storm

  • Eis und Asche

  • Tochter der Weiten

  • Lied für Oma

  • Vom Zauber des Wildfräuleins

  • Feuergeist

  • Biikebrennen

  • Fass voller Wein

  • Thekenmädchen

  • Die letzte Runde

  • Mondlicht

  • Abgesang

Stefan Haarmann - Stellv. Chefredakteur (Info)

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