Nun hat sich also bestätigt, was viele aufmerksame Menschen vermuteten: „You Want It Darker“ ist LEONARD COHENs Vermächtnis. Der Dichter und Musiker starb am 07.11. im Alter von 82 Jahren.
If you are the dealer I'm out of the game If you are the healer it means I'm broken and lame If thine is the glory then Mine must be the shame You want it darker We kill the flame
Mädchenmusik. Ist es Mädchenmusik von einem “Ladies Man”? Neben Simon & Garfunkel, Cat Stevens, Neil Young mit „Harvest“, gehörte eine “Best Of“ von LEONARD COHEN in den Siebzigern zu jedem gepflegten Teenager-Zimmer. Zum Flüstern und Kuscheln bei Kerzenschein, obwohl schnell klar war, dass der Mann nicht nur von Liebe, sondern viel öfter von Angst, Dunkelheit, Entfremdung, Wahnsinn und Tod sang. Beziehungsweise erzählte. Denn mit seiner nachtschattigen, sonoren Stimme gehört Cohen unzweifelhaft in die Riege der ganz großen Nicht-Sänger.
Und dann gab man sich bereitwillig mit Suzanne dem Wahnsinn des Lebens hin, verabschiedete sich von Marianne und kaufte sich den Sammelband mit den Romanen „Das Lieblingsspiel“ und „Schöne Verlierer“ sowie den Gedichten und Liedern. Denn COHEN sah sich in erster Linie als Autor, die Musik kam eher beiläufig hinzu. Obwohl LEONARD COHEN schon früh Gitarre spielen lernte, aus dem Grund, weshalb die meisten Jungs damit beginnen: For The Girls…
So war er bereits 33, als er sein musikalisches Debüt veröffentlichte, mit dem schlichten Titel „The Songs Of Leonard Cohen“, das mit „Suzanne“, „So Long Marianne“ und „Sisters Of Mercy“ bereits drei seiner bekanntesten Lieder enthielt. Mein erstes Album war sein, auf einem Flohmarkt erstandenes, Zweitwerk „Songs From A Room“, jenes klaustrophobische, asketische Meisterwerk, dass für die Einsamkeit gemacht war und nicht fürs Kuscheln. Ein Vogel auf dem Drahtseil, Isaak, ein Schlachter, der ein Lamm tötet und der Partisan. Das Sterben geht so einfach:
There were three of us this morning I'm the only one this evening But I must go on The frontiers are my prison
Die nächsten Jahrzehnte war COHEN präsent, aber nicht immer erfolgreich. Auf „Various Positions“ aus dem Jahr 1984 fand sich dann einer seiner größten Hits, das viel gecoverte und oft missverstandene „Hallelujah“. Gespielt gerne während kirchlicher Veranstaltungen und auf Hochzeiten. Dabei wird nicht Gott gepriesen, sondern wilder, ungezügelter Sex. Auf verquere Art also perfekte Kirchenmusik. Herausragende Interpretationen gibt es von Jeff Buckley, Rufus Wainwright und K.D Lang. Mein Favorit ist die intensive Version John Cales, Cohens Bruder im Geiste.
Später eroberte erst Manhattan und dann Berlin, sogar auf der Tanzfläche. 1996 zog sich der kanadische Musiker für drei Jahre in ein Zen-Kloster zurück. In dieser Zeit veruntreute seine damalige Managerin rund fünf Millionen Euro, die verschwunden bleiben. Was dazu führte, dass sich LEONARD COHEN mit über 70 auf aufreibende – musikalisch und aufführungstechnisch hervorragende – Konzerttourneen begeben musste, um seine „Pensions-Kasse“ aufzufüllen. Im Studio entstanden mediokre („Ten New Songs“) und sehr gute Alben wie „Old Ideas“, bevor sich LENARD COHEN, ähnlich wie David Bowie mit „Blackstar“, mit einem introspektiven, faszinierenden und bei aller Schwärze funkelnden Werk verabschiedete.
„You want it darker“. Dabei ist es auch so derzeit dunkel genug da draußen. COHENs Tod mit 82 Jahren mag nicht so überraschend sein wie der von David Bowie oder Prince, aber ich hätte lieber viele weitere Jahre hier unten mit einem steinalten LEONARD COHEN verbracht als mit so vielen anderen, die derzeit leibhaftig über diesen Planeten wandeln.
Als musikalische Erinnerung kein Song von seinem aktuellen Album, sondern eines seiner zeitlosen gesungenen Poeme, einer meiner absoluten Favoriten. Insgesamt.