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Detlef Kowalewski: Zur Hölle - Kohle, Knast und Rock‘n‘Roll (Review)

Artist:

Detlef Kowalewski

Detlef Kowalewski: Zur Hölle - Kohle, Knast und Rock‘n‘Roll
Album:

Zur Hölle - Kohle, Knast und Rock‘n‘Roll

Medium: Buch
Stil:

Buch von/über einen Rocker, der durch die Hölle ging!

Label: Edition Steffan Verlag
Spieldauer: 192 Seiten
Erschienen: 02.12.2015
Website: [Link]

Montag früh!
Kurz nach 9!
Mein iPhone klingelt!
Eine unbekannte Nummer!
Gehe ich ran?
Alles Unbekannte mag ich nicht so richtig, zumindest dann nicht, wenn es sich über mein Mobiltelefon an mich heranmacht. Doch meine Neugier ist stärker. Ein Streichen übers Display und das kurze Nennen meines Namens. Was erwartet mich nun?
Eine ruhige, entspannt klingende Stimme, die ich nicht kenne!
Noch nicht!
Aber das Leben hinter dieser Stimme habe ich bereits eingesogen - voller Erschütterung, voller Entsetzen, voller Bewunderung!
Es ist die Stimme eines Mannes, der durch die Hölle ging inmitten der größten Karnevals-Metropole Rio de Janeiro!
Die Stimme des Mannes, der tatsächlich die Hölle durchlebte, sogar überlebte und aus ihr zurückkehrte!
Vielleicht auch, um uns mit seinem Buch „Zur Hölle“ vor Augen zu führen, was man erreichen kann, wenn man fest an sich glaubt, während andere längst ihren Glauben verloren haben, weil ihre Angst stärker als ihr eigener Willen war.
„Hier ist DETLEF KOWALEWSKI!“
Ungläubig atme ich noch einmal durch!
Tatsächlich! „Zur Hölle!“ - ich spreche mit DETLEF KOWALEWSKI, dem Rocker, Tätowierer, Geschäftsmann, Familienvater, Verbrecher, Knasti, Ausbrecher, Flüchtling, Gefolterten, die Hölle Überlebenden und nun Autor seiner Geschichte, die einen dermaßen erschüttert, dass man sie nicht hintereinanderweg lesen kann. Man erträgt das Erlebte dieses Kowalewskis nicht, wenn man sich auch nur während des Lesens eine Minute lang in ihn hineinzuversetzen versucht und immer wieder mit den Fragen konfrontiert wird:
„Wann hätte ich aufgegeben?“
„Hätte ich das noch ertragen können?“
Detlef Kowalewski hat‘s ertragen und nimmt uns nun in seinem Buch „Zur Hölle - Kohle, Knast & Rock‘n‘Roll“ mit auf die Reise in seine Hölle, die uns am Ende zugleich zeigt, welch Glück wir haben, weil unser manchmal als Hölle empfundenes Leben unter kowalewskischem Blickwinkel wie das reinste Paradies erscheint!

DETLEF KOWALEWSKI (1958 in Haan/Mettmann geboren) gründete in den 80er Jahren die Heavy-Metal-Band HIGH‘N‘DRY, mit der er einen Plattenvertrag bei EMI erhielt und im Vorprogramm von IRON MAIDEN, ROGER CHAPMAN, ROGER TAYLOR von QUEEN und HERMAN BROOD erfolgreich auftrat. Nach langen Auslandsaufenthalten, u.a. in den USA, gründet Kowalewski in Köln das „Empire“ (Live-Club, Sportcenter und Proberäume für Musiker), feiert als Konzertveranstalter riesige Erfolge und wird so zugleich zum reichen Unternehmer und Rock-Musiker, der auch noch ein hervorragender Tätowierer ist. Bis dahin läuft sein Leben in „geordneten“ Bahnen, wenn da nicht der intensive Kokain-Konsum wäre, dem nicht nur Musiker, sondern auch viele Politiker, Wirtschaftsmagnaten und Justiz-Koryphäen, mit den er selber intensiv kokste, verfallen. Kowalewski aber lässt sich dabei erwischen und wird 1989 wegen Drogenhandels verhaftet.
Noch vor seiner Verurteilung gelingt ihm die Flucht aus dem Kölner Hochsicherheitsgefängnis „Klingelpütz“ - Mitwisser der Flucht ist einer der größten RAF-Terroristen, den Kowalewski dort kennen und vertrauen lernt: STEFAN WISNIEWSKI, zu dem DETLEF KOWALEWSKI in „Zur Hölle“ schreibt: „Wisniewski rechtfertigte das Vorgehen der RAF u.a. damit, dass sie sich ganz gezielt solche Repräsentanten des Systems aussuchten, die eine aktive Nazi-Vergangenheit hatten. Der Generalbundesanwalt Siegfried Buback, den die RAF 1977 in Karlsruhe erschossen hatte, war 1940 in die NSDAP eingetreten und der damalige Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer wiederum war bereits als Jugendlicher in die Hitlerjugend gegangen, später in die NSDAP und letztendlich auch in die SS. Beide mussten seiner Meinung nach genau gewusst haben, auf wen und was sie sich da politisch einließen. Für Wisniewski waren sie auch nach 1945 Nazis geblieben.“ (Seite 24)
Irgendwie kommt bei solcher Aussage nicht nur die scharfe Kritik an der Schuld der RAF auf, sondern auch an einem „System“, das nach dem Krieg ehemalige Nazis in die höchsten Funktionen der Bundesrepublik Deutschland hebt und sogar pure Nazi-Rechtsbrecher zu angesehenen BRD-Rechtssprechern werden lässt!

Kowalewskis „Klingelpütz“-Knast-Flucht jedenfalls gelingt und mit seiner Frau Elke sowie seinen drei Söhnen flieht er nach Amsterdam, wo er wiederum verhaftet und in das angeblich sicherste Gefängnis Europas gesteckt wird. Mit seiner immensen Beobachtungsgabe sowie seinem fast gespenstischen Gespür für ideale Flucht-Zeitpunkte gelingt ihm erneut die Flucht, die ihn diesmal - auch mit der Hilfe eines Segelboots - nach Brasilien führt.
Hier nun beginnt die wahre Hölle für ihn, der alltägliche Kampf ums Überleben und den in jedem noch so kleinen Detail lauernden Tod, der ihm mal als abgetrennter Neger-Pimmel (Au weia, ein „Political correctness“-Begriff ist das in unserem sich so fein säuberlich an Begrifflichkeiten aufgeilenden Deutschland nicht!) am vergitterten Zellenfenster, als abgeschnittener Kopf vor der Zellentür, als Gefangenen-Roulette in einer überfüllten Zelle oder als AIDS-verseuchte Scheiße-Beutel in der brasilianischen Knast-Dusche begegnen.
Doch mindestens genauso gefährlich wie die Häftlinge sind auch die Aufseher, die Kowalewski quälen, indem sie mit ihm U-Boot „spielen“ oder ihn halbtot schlagen und sogar in der Zelle zu erschießen versuchen. Was ein U-Boot ist und welche anderen Folter-Methoden es gibt oder wie das alles vor sich geht, schildert DETLEF KOWALEWSKI mit einer kristallklaren, so entsetzlich real und zum Glück ohne auf irgendwelche metaphorische Umschreibungen zurückgreifende Sprache, dass einem beim Lesen der Atem stockt. Man das Buch wieder und wieder sinken lässt, weil man Kowalewskis Erzählungen aus den Knästen Rio de Janeiros kaum fassen oder begreifen kann. So etwas kennt man höchstens aus ultrabrutalen Hollywood-Filmen.
Doch die Realität, durch die Augen von DETLEF KOWALEWSKI gesehen und mit dem eigenen Körper ertragen, beweist, dass es noch schlimmer geht.

Es gibt sie - die Hölle auf Erden!
Sie lauert im brasilianischen Knast auf einen!
Und wenn sie einen einmal gefangen nimmt, dann sollte man seine Würde und seinen Anstand, seine Moral und seinen Stolz als erstes abschreiben. Denn damit überlebt man dort nicht - genauso wenig wie mit der Angst, die einen befällt und lähmt. Todbringende Eigenschaften, um aus der Hölle lebendig zurückkehren zu können!
DETLEF KOWALEWSKI hat diese Hölle überlebt!
Davon erzählt sein Buch!
Ein Buch, das uns vielleicht, wenn wir es einmal gelesen haben, auch unseren Blick auf dieses Leben und diese Welt ein wenig anders erscheinen lässt und ähnlich aussehen kann, wie der des Autors:
„Ich habe unzählige Ideen und Projekte im Kopf, fast so wie damals, als ich 20 Jahre alt war. Nur mit dem Unterschied, dass ich entsprechende Erfahrungen gesammelt habe und die Dinge besser einordnen und beurteilen kann. Diese Pläne und Ideen werden mich begleiten, bis ich nach Hause gehe. Für mich gibt es keinen Tod. Wir gehen alle nur wieder nach Hause.“

Am Ende unserer gemeinsamen Telefonate stellte ich Detlef noch zwei Fragen:
„Glaubst du, dass die Verhältnisse im brasilianischen Knast noch genauso sind wie zu der Zeit, als du dort einsaßt? Mit den korrupten Wächtern und den grausamen Häftlingsmethoden?“
Antwort: „Ganz genauso - da bin ich mir sicher!“

Und dann meine letzte Frage, noch kurz bevor ich auflege und die mir ganz plötzlich in den Sinn kommt:
„Was für einen unglaublichen Schutzengel hast du eigentlich gehabt?“
Antwort: „Nicht einen! Ich hatte eine ganze Armee von Schutzengeln, die allesamt ihr bestes gegeben haben!“

Das Buch „Zur Hölle - Kohle, Knast und Rock‘n‘Roll“ gibt es - vorausgesetzt man bestellt es direkt beim Verlag - auch ohne jeglichen Aufpreis original von DETLEF KOWALEWSKI signiert!
Dies Chance jedenfalls würde ich mir auf keinen Fall entgehen lassen!
Eine höllische Unterschrift so gesehen!
Wer bitte hat so etwas schon?

FAZIT: Ein ehemaliger Rocker schreibt ein Buch, aber nicht in erster Linie über seine Musik, sondern über seinen Aufenthalt in der Hölle!
Oder wie es auf dem Buchdeckel zu lesen steht: „Er heißt DETLEF KOWALEWSKI. Seine Geschichte ist so unglaublich wie wahr. Er schrieb ein Buch, das Ihnen den Atem stocken lässt.“
Ein Buch, das eine Verfilmung verdient hätte und von mutigen Lehrern auch ihren Schülern vorgestellt werden sollte, selbst wenn am Ende dahinter die Erkenntnis steht, dass man nicht nur durch das Konsumieren von Drogen seine ganz persönliche Hölle erlebt, sondern dass dieses Teufelszeug einen auch ganz schnell in eine noch viel schlimmere Hölle verfrachten kann, gegen die ein Cold-Turkey-Albtraum wie ein Spaziergang über eine Blumenwiese anmutet.
„Zur Hölle“ von DETLEF KOWALEWSKI ist ein Buch geworden, das einen nicht wieder loslässt, gerade weil es eine wahre Geschichte erzählt, die einem Ritt auf einer Rasierklinge gleicht, bei dem man sich zwar jede Menge Schnitte zuzieht, am Ende aber vernarbt, doch das Leben um so mehr liebend, wieder nach Hause zurück kehrt - oder wie es der Autor deutlich feststellt: „Man muss alles positiv sehen, wenn man überleben will, speziell in extremen Situationen. Auch oder gerade dann, wenn man beim besten Willen nichts Positives mehr erkennen kann. Man muss es trotzdem tun.“

PS: Kurz bevor diese Review beendet war, habe ich Detlef noch einmal geschrieben, ob er noch etwas loswerden möchte, ehe diese Kritik online geht. Seine Antwort war so erschreckend einfach, dass ich fast schmunzeln musste. Nur ist seine Aussage nicht ein verlogenes Politiker-Gewäsch, sondern garantiert Wort für Wort absolut ernst gemeint:
„Lasst uns einfach alle in/im Frieden leben!“
Muss man wirklich durch die Hölle gehen, um das zu kapieren?

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 16134x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • Vorwort
  • Opposite Editorial
  • Endstation Rio
  • Klingelpütz
  • In Amsterdam und Flucht aus dem „sichersten Knast Europas“
  • Die Atlantiküberquerung
  • Vorhof zur Hölle
  • High‘n‘Dry
  • Mr. Black und das Sondereinsatzkommando
  • In der Federal
  • Die Hölle
  • Agva Santa
  • Willkommen im PP
  • Höllische Routine
  • Zombiezeit, Hungerstreik und Rückkehr nach Köln
  • Wundersame Wendungen

Besetzung:

  • Sonstige - Stifte und Tastaturen: DETLEF KOWALEWSKI

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Interviews:
  • keine Interviews
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