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Sören Vogelsang: Fernweh (Review)

Artist:

Sören Vogelsang

Sören Vogelsang: Fernweh
Album:

Fernweh

Medium: CD/Download
Stil:

Liedermacher, Folk

Label: Pretty Noice Records/Soulfood/RecordJet
Spieldauer: 42:23
Erschienen: 22.07.2016
Website: [Link]

Ach, waren das noch Zeiten, als man von einer wild gewordenen Horde Fans eines Barden-Duos, dessen Name sich als musikalische Antithese zu ihrer Musik und ihren Texten erwies, als Kritiker beschimpft und aus allen Rohren beschossen wurde – man sogar vor Hitler-Vergleichen als Untermauerung der völligen Fan-Unterwerfung nicht zurückschreckte (Hey, guckst du ma Türkei, du!) – nur weil wir DAS NIVEAU einfach nicht so gut ... oder eher jämmerlich mies ... fanden. Lustige Zeiten eben, die man als Kritiker schlicht zu akzeptieren und am Ende darüber zu lächeln hat. Gleiches gilt übrigens auch für Musiker – und dass SÖREN VOGELSANG, der eine Teil des „niveauvollen“ Duos, ebenfalls viel Sinn für Humor hat, beweist, dass er uns sein aktuelles Album zum Besprechen sendet. Tatsächlich glaubt er doch daran, dass wir keine Vorurteile wegen unserer DAS NIVEAU-Gästebuch-Schlammschlacht haben.

Und er hat Recht, wir haben keine Vorurteile, denn für uns zählt die Musik in erster Linie und gaaaanz weit hinten kommen dann irgendwann persönliche Befindlichkeiten. Schade, dass es nur wenige Fans heutzutage gibt, die das ganz ähnlich sehen, selbst wenn der Kritiker seine Worte manchmal ähnlich „krass“ wählt wie der Musiker seine Texte. Und damit wären wir auch schon bei der größten Stärke von „Fernweh“, dem liebevoll gestalteten und mit herrlichen Zeichnungen sowie allen Texten versehenem Album, das schon beim Öffnen des Digipaks und Durchblättern des 12-seitigen Booklets Lust auf die Musik, welche dahinter steckt, macht.

Aber zugleich macht sie Lust auf den Musiker, der das zu ahnen scheint und sich gleich ausgiebig auf seinem ersten Song „Ich bin ich“ selber vorstellt, samt offensichtlichem Coming Out: „Es ist wirklich schwer, es sich mit mir zu verscherzen, / denn tief in mir drin bin ich Punker im Herzen.“

Schon bei dieser Album-Eröffnung wird auch musikalisch klar, was uns neben den großartigen Texten erwartet: Gesang begleitet von Gitarre und gestaltet von einer Vielzahl akustischer Instrumente, die neben Bass, Klavier und Percussion auch mit Akkordeon, Cajon, Saxofon (Ganz großartig auf „Zwei“ zum Einsatz kommend!), Cello und Violine aufwarten. In ganz seltenen Momenten klopft auch einmal eine E-Gitarre an, die kurz vorbeischauen, sich dann aber ganz schnell wieder verdrücken muss.

Vogelsangs Texte tragen die Ironie der ÄRZTE genauso zwischen den Zeilen in sich wie romantische Traumbilder in „Fernweh“, Kindheitserinnerungen in „Die Zeit“, oder melodramatische Trennungstraumata beim „Abschiedslied“. Aber auch politische „Gutmensch“-Angriffslust oder ein freches „Fick dich“ und wortspielreiche Reggae-Rhythmen („Beziehungswaise“) ballern einem zugleich unerbittlich brutal entgegen. Übrigens hat der Kritiker in der Auseinandersetzung mit DAS NIVEAU gelernt, dass dieses F****-Wort, welches scheinheilige Biedermänner zwanghaft nur mit vier **** zu Papier bringen, zum vogelsangschen Lieblingsvokabular gehört: „Mir geht‘s am Arsch vorbei, / was humorlose Spießbürger so von mit halten, / hört weg und geht kacken, ihr Trauergestalten.“ („Ich bin ich“). Aber auch das ist Kunst, selbst wenn das unsere freiwilligen Selbstkontrolleure mit der Lizenz zum Verbieten nicht begreifen können. Also weiter so Sören! Hol das raus, was Andere so gerne nur unter der Decke machen und halten wollen!

Leider weist SÖREN VOGELSANGs Stimme nicht die gänzlich gleiche Qualität wie seine Texte auf. Ihr fehlt auf dem Album etwas das Volumen und bewegt sich fast dauerhaft in einem recht hohen Bereich.
Fehlt der Mut, auch mal etwas mehr mit seinen Stimmbändern zu experimentieren und die vokale Sau wild fickend rauszulassen oder fehlen die Voraussetzungen?
Vielleicht gibt sein folgendes Album auf diese Frage Antwort.
Allerdings genau das gleiche Stimm-Problem hatte ja auch ein Biermann – und wer hat ihm das bei seinen Texten jemals zum Vorwurf gemacht?
Nur als Dissident geht SÖREN VOGELSANG heute nicht mehr durch, aber als frecher Hund schon. Man stelle sich nur vor, er hätte heutzutage ein Schmählied über einen türkischen Präsidenten gemacht, der alles versteht und für sich seine eigene Wahrheit findet. Nur Spaß versteht er danach nicht. Für ihn hätte man locker noch eine Strophe in „Fick dich“ einschieben können.

Mit der melancholischen Ballade „Mädchen aus Glas“ endet das wirklich kurzweilige sowie zwischen Humor und Anspruch pendelnde Liedermacher-Album, das nicht nur „Fernweh“, sondern zugleich endlich wieder „Heimweh“ auf unsere Muttersprache Deutsch, vorgetragen von „Liedvater“ Vogelsang, weckt.

FAZIT: „‘Fernweh‘ ist vor allem eines: ein sehr persönliches Album.“ (Promo-Hinweis) Und eine frech singende Schnodderschnauze namens SÖREN VOGELSANG (Bei dem Namen wird man ja schon als Sänger geboren!) legt uns sein ganzes Herz in 11 Liedern zwischen lustig-lustvoll und traurig-bedrückt zu Füßen. Natürlich nur, indem er zuvor auf „Fernweh“ unsere Ohren mit der abwechslungsreichen Musik und unseren Geist mit seinen spitzfindigen Texten erobert hat. Das hat tatsächlich Niveau!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 5110x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
11 Punkte
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Tracklist:
  • Ich bin ich
  • Zwei
  • Fernweh
  • Abschiedslied
  • Die Zeit
  • Fick dich
  • Beziehungswaise
  • Gutmensch
  • Yeti
  • Kalsarikännit
  • Mädchen aus Glas

Besetzung:

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Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Chris
gepostet am: 05.04.2017

Tatsächlich besser als das vorige Album das ich rezensiert habe? (musikreviews.de/reviews/2012/Soeren-Vogelsang-Der-Barde-Ranarion/Augenblick/)
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
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