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Midnight Oil: Resist (Review)

Artist:

Midnight Oil

Midnight Oil: Resist
Album:

Resist

Medium: CD/Download/Do-LP/farbig
Stil:

Indie Rock, Americana

Label: Sony Music
Spieldauer: 60:04
Erschienen: 01.04.2022
Website: [Link]

MIDNIGHT OIL, die Australier, denen die Botschaft so wichtig war, dass wir Wohlstandsbürger kuschelig pennen, während die Betten um uns längst lichterloh in Feuer stehen und damit unseren laschen und zerstörerischen Umgang mit der Natur anprangerten, waren schon immer der Beweis dafür, dass sich Rockmusik hervorragend auch politisch einmischen kann, ganz ohne als peinlich aufgesetzte Polit-Rock-Combo nur noch mit entweder moralisierendem Zeige- oder frustriertem Stinkefinger musikalische Ergüsse abzulassen.
So wurde „Beds Are Burning“ 1988 zu einem Superhit, den man ständig hören und dessen Botschaft man tatsächlich auch klar und deutlich verstehen konnte. Im Grunde ist auch heute noch „Beds Are Burning“ dank MIDNIGHT OIL so eine Art Hymne aller Klima-Aktivisten. Und Sänger PETER GARRETT ein echtes Vorbild, der, was er sang, auch umzusetzen versuchte, denn er nahm seine Botschaften selber so ernst, dass er sich leidenschaftlich in die Politik einmischte, erst zehn Jahre Präsident der australischen Umweltorganisation (Australian Conversation Foundation) und später gar in Australien erst zum Minister für Umwelt, Kulturerbe sowie Kunst und dann zum Minister für Schulbildung, frühkindliche Bildung und Jugend berufen wurde. Nach dem politischen Führungswechsel in Australien trat er 2013 aus der Politik zurück. Vielleicht musste er ja irgendwie erkennen, dass er mit seiner Popularität in der Musik mehr erreicht(e) als beim Postengeschacher innerhalb der Politik.

Mit „Resist“ kehren nunmehr MIDNIGHT OIL nach 20 Jahren mit einem 'echten' Studio-Longplayer-Album – sieht man mal vom 2020er-Mini-Album „The Makkarrata Project“ ab – wieder zurück und überzeugen, so viel kann man vorab schon sagen, auf musikalischer wie textlicher Ebene komplett. Sie sind weiterhin die züngelnden Rock-Mahner an der Waage, welche leider anscheinend immer mehr Richtung menschlichen Größenwahns zu Ungunsten von Natur und Vernunft sowie Nachhaltigkeit ausschlägt.

Die Doppel-LP im feurig-roten Vinyl startet so auch auf „Rising Seas“ gleich mit einer deutlichen „Beds Are Burning“-Attitüde durch. Und sofort ist dieses verloren geglaubte MIDNIGHT OIL-Gefühl speziell der 80er-Jahr wieder da, als diese australische Super-Band um PETER GARRETT mit solchen Alben wie „Red Sails In Sunset“ und „Diesel And Dust“ musikalisch begeisterten und sich textlich für Minderheiten und das Klima sowie die Natur einsetzten sowie zu den folk-rock-musikalischen Mahnern am Scheideweg der Ausbeutung der Natur durch Wirtschaft und Größenwahn wurden.
Viel geholfen hat es – soviel wissen wir nun ja auch 35 Jahre später – nicht wirklich und darum ist die Zeit mehr als reif für „Resist“, in dem sich bereits auf der ersten LP-Seite gleich mit „Tarkine“ der Finger tief in die klaffende Wunde legt: „There's a lexicon of forest giants / Coachwood, Myrtle, Blackwodd and Turpentine / In this hi-viz world I must have missed the turn / Because all I found were billboards, flyers and merchandise.“

Unverkennbar ist wiederum Garretts Stimme, deren Charisma sich mit leidenschaftlichem Druck und bedrohlicher Dunkelheit umgibt. Wenn er sich in „To The Ends Of The Earth“ ernsthafte Sorgen um die einzige Erde, die wir nun mal haben und weil „because every creature drinks from the same cup“, macht, kann sich diese nur zu gerne bis zu dem einen oder anderen Schrei erheben.

Doch auch Balladen beherrschen die MIDNIGHT OILS noch richtig gut, wofür sie mit „We Are Not Afraid“ und besonders „We Resist“ einen anschaulichen und noch mehr anhörlichen Beweis abliefern, bei dem sie einem aber gleich mit den ersten zwei Zeilen jegliche romantische Stimmung 'verderben': „Putting flowers into guns / This is not the summer of love“.
Auch zerfetzen immer wieder brutale Trommelschläge und ein durchgängig bedrohlich wirkender Bass, der permanent dieselbe Tonfolge wiederholt, die vordergründig täuschende, friedlich-ruhige Stimmung, um sich zum Ende hin gar zu einer bombastischen Hymne zu erheben. Das hat etwas von einem Bolero – und hinterlässt bei diesem Text zugleich noch tiefe Wirkung.

Ganz ähnlich entwickelt sich auch „We Are Not Afraid“ auf der letzten LP-Seite, wobei sich das Ende allerdings nicht zur Hymne erhebt, sondern mit Streichern und ruhigem Sprechgesang einem traurig klingenden Ende entgegenstrebt.

Doch am bittersten wird dann tatsächlich das Album-Ende mit „Last Frontier“ voller Sprachfetzen am Anfang und einem Feeling, das einen an eine Kombination aus TALKING HEADS und BOOMTOWN RATS plus FISCHER Z erinnert und sich auf diese Weise zu einem fast versöhnliche Ende erhebt, selbst wenn die Botschaft der letzten zwei Zeilen nicht wirklich optimistisch klingt: „Desire tangled up with fear / The talking points no longer clear anyway, anyway, anyway.“

Jeder Text auf „Resist“ ist getränkt von der Hoffnung und zugleich Warnung, dass wir doch allesamt endlich begreifen sollen oder müssten, dass die Zeit für unsere Erde und damit alle darauf befindlichen Lebewesen knapp wird, wenn wir weiterhin diesen unglaublichen Raubbau an der Natur betreiben. Wenn wir uns zudem noch bewusstmachen, dass der bestialische Krieg, mit dem die Russen derzeit eine ungeahnte, faschistisch-stalinistische Kriegsfratze zeigen, die man bei all den Klima- und Umwelt-Problemen plötzlich als eine weitere riesengroße Bedrohung der Erde wahrnehmen muss, während der Entstehung des Albums noch gar keine Rolle spielte, kann einem tatsächlich mehr als angst und bange werden, wohin unsere Arche steuert, aus der sich selbst Noah langsam verabschiedet, weil er keine Tauben mehr aussenden kann, die uns bei ihrer Rückkehr friedliches, fruchtbares Land verkünden. MIDNIGHT OIL geben jedenfalls musikalisch wie lyrisch ihr Bestes, um den Untergang des Guten zu verhindern – egal ob nun aus musikalischer oder menschlicher Sicht.

FAZIT: Wenn sich die 'Gutmenschen' und die 'Gutmusiker' miteinander vereinen, dann muss in dieser Beziehung auch immer MIDNIGHT OIL genannt werden, die im Grunde einen riesigen Beitrag für einerseits richtig gute Rock-, Folk- und Songwriter-Musik und andererseits für die Unterstützung speziell des Klimaschutzes sowie von Minderheiten durch ihre Texte leisten. Und selbst wenn zwischen ihrem großartigen „Diesel And Dust“-Album mit „Beds Are Burning“ und ihrem aktuellen Album „Resist“ fast 35 Jahre liegen, so sind die Parallelen zwischen beiden unverkennbar. Ganz besonders empfehlenswert ist die Doppel-LP auf feuerrotem Vinyl, die so auch optisch die Botschaft von unseren brennenden Betten verstärkt, in denen wir es uns so bequem gemacht haben, dass wir gar nicht bemerken, wie lichterloh diese schon in Flammen stehen. „Resist“ jedenfalls klingt und wirkt noch genauso, als wären MIDNIGHT OIL nie wirklich weggewesen.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2561x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (16:59):
  • Rising Seas (5:50)
  • The Barka-Darling River (6:49)
  • Tarkine (4:20)
  • Seite B (14:07):
  • At The Time Of Writing (4:39)
  • Nobody's Child (4:27)
  • To The Ends Of The Earth (5:01)
  • Seite C (14:21):
  • Reef (4:18)
  • We Resist (5:18)
  • Lost At Sea (4:45)
  • Seite D (14:36):
  • Undercover (3:15)
  • We Are Not Afraid (4:29)
  • Last Frontier (6:53)

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