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Fromuz: Overlook (Review)

Artist:

Fromuz

Fromuz: Overlook
Album:

Overlook

Medium: CD
Stil:

Progressive-, Jazz- / Fusion-Rock

Label: 10t Records
Spieldauer: 69:12
Erschienen: 10.07.2008
Website: [Link]

FROMUZ! Komischer Name. Haben die Jungs keine Ahnung, wie man richtig schreibt? „From Us“ wäre zwar nicht besonders einfallsreich, aber immerhin richtig. Nur wenn man den Titel des Albums „Overlook“ liest, scheinen die Musiker angeblich den „Überblick“ nicht zu verlieren.

FROMUZ … from UZ und schon haben wir des Rätsels Lösung. Es ist orange, hat vor gar nicht all zu langer Zeit Geschichte geschrieben und scheint wohl auch sehr stolz auf seine neue Geschichte der Unabhängigkeit zu sein.

„AUS USBEKISTAN“ – das also ist die Antwort. Hier kommt eine Band, die sich nicht nur zu ihrem Land bekennt, sondern auch diesen wundervollen, typisch osteuropäischen (instrumentalen) Prog-Rock spielt, mit dem mich in meiner Jugendzeit hinter dem „Eisernen Vorhang“ schon solche „Rock-Ensembles“ wie FERMATA, COLLEGIUM MUSICUM, NIEMEN, PROGRES, M. EFEKT oder SBB begeistert haben. Nein, sie haben noch mehr. Sie haben mir nämlich das musikalische Leben inmitten unüberwindbarer Mauern und dem Verbot von „Westmusik“ erst erträglich gemacht und durch ihre absolute Perfektion sogar gezeigt, dass auch hinter Gittern Musik entstehen kann, die sich hinter der viel gepriesenen Freiheit (von ELP, KING CRIMSON, THE MAHAVISHNU ORCHESTRA oder DEEP PURPLE) nicht die Bohne zu verstecken brauchte. Nun haben wir die Freiheit und das große Glück, dass aus Usbekistan eine Band kommt, die endlich wieder Erinnerungen an vergangene, aber nur musikalisch bessere Zeiten weckt, in denen man sich sogar traute, die Laufzeit eines einzelnen Titels nicht unter 10 Minuten rutschen zu lassen und trotzdem keine musikalische Langeweile aufkam.

Usbekistan – ein Land, das sich schmerzvoll aus der russischen Umklammerung befreite und mit der Farbe Orange ein neues, hoffnungsvoll leuchtendes Zeichen auf der Weltkarte politischen Größenwahns hinterließ und auf das man wohl im eigenen, nun befreiten Lande recht stolz sein kann.

Usbekistan – ein Land, das wir Deutschen wohl am ehesten mit zwei Personen, die sich als promovierte Wunderkinder durch die Weltgeschichte boxten, in Verbindung bringen: den Klitschko-Brüdern.

Kulturell jedoch war Usbekistan für uns bisher nur ein Niemandsland – bisher, bisher … denn ab sofort gilt: „I’m proudly to present FROM UZ(bekistan) … ready to rumble FROOOOOOM UUUUUUZZZZZZ!“ („Danke Mr. Buffer, bitte wegtreten!“) Ring frei, für eine Band, die mit unglaublicher Klanggewalt so einige Vertreter ihrer musikalischen Zunft, ob die nun vom PLANET X kommen, sich mit LIQUID TENSION EXPERIMENTen beschäftigen, in ihrer Mitte ein MASTERMIND des DREAM THEATERs haben oder sich mit MÖRGLBL-Wortneuschöpfungen ins SPACED OUT begeben, locker tänzelnd durch den Ring jagen und nach Punkten (zumindest auf unserer musikreviews.de-Seite) deutlich gewinnen. Das alles zwar wortlos, aber mit perfekter Technik und man glaubt schon kaum noch an einen Zufall, wenn man entdeckt, dass an Gitarre und Schlagzeug sogar Vitaly & Vladimir (Auch wenn die ein kleines bisschen anders als die Klitschkos geschrieben werden!) antreten!

Die unglaublich schlagfertige Ideenvielfalt beginnt bereits bei der grafischen Gestaltung. Zu jedem einzelnen Titel gibt’s ein anderes „Cover“, so dass uns als erstes ein Motiv, das von ROGER DEAN, dem Gestalter vieler YES-Alben, stammen könnte, regelrecht angrinst. „Other Side Of Water“ bekommt ein Bild verpasst, welches in seiner Art das Haus HIPGNOSIS (entwarfen viele PINK FLOYD Cover) nicht besser hinbekommen hätte, während „Crashmind“ sofort an SAGAs „Network“ erinnert und „Return To Wax Inhabitants Town“ wie eine glatte Verarsche von „The Sum Of No Evil“ der FLOWER KINGS aussieht. Und dass sich unsere Usbeken nicht nur bildlich eine ganze Menge einfallen lassen haben, beweist ihre parallel dazu angelegte Musik!

Mein persönlicher Favorit von „Overlook“ ist das recht düstere, sehr atmosphärische „Other Side Of The Water“, das, wohl Bezug nehmend zum Bild (Hipgnosis), nach genau 9 Minuten und 19 Sekunden einen plötzlichen musikalischen Wandel zum Titel „Dogs“ von PINK FLOYD vollzieht und ganz ähnlich klingt, wie besagter Titel nach ebenfalls 9 Minuten 19. Dort beginnen nämlich im Hintergrund die Hunde zu bellen, während RICK WRIGHT seine Keyboardflächen darüber legt und sich die GILMOUR-Gitarre ankündigt. Faszinierend, vor allem wenn man bedenkt, dass bis dahin nicht ein Ton des FROMUZ-Stücks an PINK FLOYD erinnerte und mit einem Hieb so viele Parallelen auftreten. „Dogs“ war genauso wie „Other Side Of The Water“ der zweite Titel des Albums … und WATER(S) war schließlich der „Animals“-Erfinder. Vielleicht spinne ich mir da ja etwas zusammen, aber wenigstens sind das angenehme Spinnereien für mich als absoluter „Animals“-Fan, der als seine erste Insel-Platte garantiert dieses tierische Album benennen würde.

Bereits der Overlook-Einstieg „Stone Salad“ verunsichert am Anfang der CD mit Klavier-Geklimper, um nach genau 30 Sekunden den metallischen SPACED OUT Hammer herauszuholen, brutal zu (post-)rocken, dann mit Bombast a’la dem LIQUID TENSION EXPERIMENT oder KING CRIMSON zu kontern und ganz plötzlich nach 3 Minuten 20 WAKEMANartig die „Journey To The Centre“ of Jazz anzutreten, diese Reise mit einer Frickel-Orgie zu beenden … und das alles nach etwa 5 Minuten erneut zu wiederholen bzw. nach 15 Minuten grandios zu beenden. Geplättet, ja, ich war nach diesem Titel total geplättet, so als hätte mich eine progressive Dampfmaschine überrollt, um mir anzukündigen, dass das noch nicht alles war. Und es war nicht alles, es kommt viel mehr. Jedes Bild im Cover hat einen unterschiedlichen Bezug, jeder Ton auf dieser CD hat einen unterschiedlichen (Wahn-)Sinn und wenn man denkt: „Also mehr geht jetzt wirklich nicht mehr!“, dann straft einen die Musik mit einem lachenden „Denkste!“.

Ein wenig Schwierigkeiten bei meiner Sinnsuche auf „Overlook“ bereitet mir „13th August“. Das Bild (im Booklet) und die Musik wollen einfach nicht so richtig zusammenpassen. Die Einleitung klingt nach ROBERT FRIPP in seinen besten Zeiten, eine verspielt, geloopte Gitarre, die in harten Rock übergeht, abgelöst durch ein fast popigen Bab-Baba-Bab-Gesangsteil in ALAN PARSONS Manier, der in einem crimsonesken „Lark’s Tongues“-Klanggewitter untergeht und dermaßen an Tempo gewinnt, dass dem Hörer schwindlig wird. Daneben das unspektakulärste Bild des ganzen Booklets, eine Collage mit Kinder- und Frauenbildern, ein paar Blättern, einem Kalender und einem alten Telefon. Doch warum nur 13. August? Die Collage offeriert mir, hier geht’s irgendwie um die Trennung eines Vaters von Frau und Kind, mein Geschichtsbewusstsein aber sagt mir, vielleicht geht’s auch um eins der schrecklichsten Ereignisse der (besonders deutschen) Historie, unter dem auch ich leiden musste: der Bau der Mauer, bzw. laut DDR-Sprech des „Antifaschistischen Schutzwalls“, im Jahr 1961. Die Musik zumindest würde von ihrer Art und dem ständigen Hin und Her hervorragend dazu passen.

„Die Rückkehr in die Stadt der Wachsfiguren“ beschließt den usbekischen Ausflug in das Land hervorragender progressiv-instrumentaler Rockmusik. Ein Bild, das an die FLOWER KINGS erinnert, kündigt uns an, in welche Richtung sich die Musik entwickelt. Nur sind die Blumenkönige schon längst in ihrem übertriebenen Veröffentlichungswahn versunken, während FROMUZ eine völlig neue, viel interessantere, blumige Variante zu bieten hat, die als karnevalsartige Musik beginnt und dann alle progressiven Spielarten zu einem königlichen Blumenstrauß bindet. Das ist definitiv kein unscheinbares Gänseblümchen, das ist eine königliche Orchidee.

FAZIT: Nicht nur gute Boxer kommen aus Usbekistan, sondern auch hervorragende Musiker. FROMUZ verlieren in keiner Minute ihren „Overlook“ und schaffen Musik, die nicht nur alle Grenzen überschreitet, sondern auch beweist, dass die (musikalische) Sonne tatsächlich im Osten aufgeht!

PS:
Liebe Freunde dieser musikalischen Seiten, liebe Geografie-Hasser,
da schreibt man voller Euphorie zu einem wundervollen Album eine lange Rezension und irgendwie scheint diesbezüglich (nicht nur musikalisch) alles zu passen. Doch leider stößt die Euphorie manchmal auch an Grenzen - aus rein geografischer und damit ganz konkreter Sicht. Natürlich habe ich hier einen riesigen Bock geschossen ... doch ich stehe dazu. Usbekistan ist sicher auch ein wundervolles Land und revolutionäre Umwälzungen gab es auch dort ... nur die waren nicht orange und boxende Doktoren gab's dort auch nicht. Sowas bleibt nach wie vor nur der Ukraine vorbehalten, den Usbeken aber leider nur vorenthalten.
Nehmt's mir bitte nicht übel ... aber jede Aussage, die musikalisch getroffen wurde, stimmt haargenau so. Ha, auf solche Band könnten die Ukrainer stolz sein, denn die bleibt den Usbekern vorbehalten!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 4432x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Stone Salad
  • Other Side Of The Water
  • Crashmind
  • 13th August
  • Return To W(ax).I(nhabitants).T(own).

Besetzung:

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Interviews:
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