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Sylvan: Sceneries (Review)

Artist:

Sylvan

Sylvan: Sceneries
Album:

Sceneries

Medium: CD
Stil:

Art Rock / Neoprog

Label: Eigenproduktion
Spieldauer: 50:17 (CD1) + 40:38 (CD 2)
Erschienen: 27.01.2012
Website: [Link]

Genug der Achterbahnfahrt. Die Freiheit des Ausprobierens ist fürs Erste gegessen – kein reflexives Punk-Geschrubbe mehr, keine theatralischen Duette im Scheinwerfer, kein Hopp oder Top. SYLVAN hausieren wieder in dem Revier, aus dem sie stammen und sich ganz offensichtlich am Wohlsten fühlen: Sie frönen nach „Posthumous Silence“ erstmals wieder dem planbaren Konzeptprog.

Wenn „Sceneries“ eines deutlich macht, dann, dass sich nur im wärmenden Mantel einer übergreifenden Idee so schön mit Emotionen spielen lässt. Harmonische Balladen dürfen noch Glücksgefühle ausdrücken, einsame Pianolinien Traurigkeit, düsterrockige Einschübe Wut und Aggression. Auf ihrer achten Platte frönen die Hamburger mit Hingabe der Theatralik eines klassischen Bühnenstückes – unschwer zu erkennen schon an der typischen Gliederung in fünf Akte (hier: Szenen), die sich von der Exposition über das erregende Moment zum ersten Klimax hangeln. Man beachte alleine Volker Söhls stets leicht den Takt nachziehendes Piano-Solo am Anfang des zweiten Teils von Akt 2: Es trägt so viel Theater- und Filmdramaturgie in sich wie kaum etwas zuvor im Schaffen der Band. Und das will schon etwas heißen.

Um die Dramatik von Stücken wie diesem zu erhöhen, arbeiten SYLVAN drum herum mehr noch als gewohnt mit positivem Kitsch, der immerzu von einer leichten Country-Akustikschlagseite begleitet wird. Die Masse an solchen Momenten verpasst „Sceneries“ einen etwas unbefriedigenden ersten Anstrich – mit dem Vorteil, dass es in weiteren Begegnungen unter Garantie besser wird. Dürften sich gerade jene Naturen schnell abgestoßen fühlen, die der zuckersüßen Färbung melodischen Neoprogs nie viel abgewinnen konnten, entfalten die Melodien erst später ihre kräftige, gleichwohl sehr simpel aufgezogene Färbung. Schon das Schwimmen im vertrauten Element des Konzeptes gibt dem Klangbild zurück, was auf „Force Of Gravity“ bereits verloren schien.

Dabei muss man sich jedoch vergegenwärtigen, dass das Konzept von „Sceneries“ eines der unkomplizierten Sorte ist und als solches auch verstanden werden muss, um es genießen zu können. Wer komplexe Verschachtelungen erwartet, ist an der falschen Adresse. Stattdessen wird versucht, mit einfachen Mitteln zu überzeugen, wobei die einzelnen Szenenabschnitte überwiegend in ihrem kompositorischen Aufbau eingepuppt sind, ohne sich allzu sehr mit ihren CD-Titel-Nachbarn verflechten zu müssen. Angesichts von ambitionierten Doppel-Veröffentlichungen wie AMPLIFIERs „The Octopus“, PORCUPINE TREEs „The Incident“, STEVEN WILSONs „Grace For Drowning“ oder jüngst CRIPPLED BLACK PHOENIX’ „(Mankind) The Crafty Ape“, die allesamt von vorne bis hinten mit Querbezügen verknüpft waren, mag die Erwartungshaltung des Prog-Publikums momentan auf die komplexe Schiene ausgerichtet sein. SYLVAN tragen zu diesen Vergleichen auch selbst bei, da sie durchaus auf die aktuelle Entwicklung reagieren und vereinzelt Stilelemente übernehmen, die man auch woanders zu hören bekam. „Sceneries“ wirkt in dieser Aufzählung trotzdem wie das klitzekleine Grundschul-Einmaleins in Gesellschaft hoher Mathematik, bezieht aber gerade dadurch einen nicht zu verachtenden Reiz. Während hochkomplexes Math-Gefrickel und abstrakte Genre-Experimente gerade Hochkonjunktur haben, lässt sich mit einem Album wie diesem entspannen wie mit einer leichten Screwball-Komödie alter Prägung nach einem Abend voller Neo-Post-Arthouse-Filme.

Der direkte Vergleich mit dem Referenzwerk aus eigenem Hause, „Posthumous Silence“, ist allerdings jetzt wieder erlaubt, und da wird dann doch deutlich, dass noch Luft nach oben ist. Die packenden Momente des SYLVAN’schen Opus Magnum werden wie schon bei „Force Of Gravity“ nur selten erreicht, obwohl die dynamischere zweite CD Augenblicke hat, in denen dessen Niveau wieder zum Greifen nah ist (die „Chase it away“-Hookline aus „The Waters I Traveled III“ ist einer von etwa einem halben Dutzend großer Momente, die keinen internen Vergleich scheuen müssen). Insgesamt fehlt der Band seit dem Ausstieg von Kay Söhl etwas. Ob es an Söhls Fehlen liegt? Fakt ist jedenfalls, sein Ersatz Jan Petersen bringt sich inzwischen wunderbar ein und zaubert ein paar tolle Riffs, die sich sehr gut mit den verspielten Bassläufen von Kollege Harnack ergänzen. Vielleicht liegt aber auch etwas Ungreifbares in Marco Glühmanns Stimme, das sich verändert hat. Seit „Force Of Gravity“ stört (wenigstens mich persönlich) etwas an ihr. Eine intensive Session mit dem SYLVAN-Backkatalog brachte die Erkenntnis, dass es keine simple Übersättigung mit Glühmanns Überbetonung von Emotionen ist – ein Schluss, der nahe lag, sich aber nicht bestätigte, da Glühmann (wenigstens mich persönlich) auf den alten Platten nach wie vor überzeugt.

FAZIT: Szenen einer (Band-)Ehe. Die Rückkehr zu den vertrauten roten Fäden eines großen Projektes führt SYLVAN einen großen Schritt weg von der Richtungslosigkeit, zu der man von den Schienen der „Force Of Gravity“-Achterbahn getrieben wurde. Zwar setzt man sich nun unweigerlich wieder den ungeliebten „Posthumous Silence“-Vergleichen aus und verliert einmal mehr gegen die eigene Vergangenheit, weil die Melodien nicht mehr ganz so markant sind und sich das Konzept blasser und unverbindlicher gibt. Doch für sich gesehen ist „Sceneries“ ein wunderbar altmodisches Alternativprogramm zu der Strömung, die vornehmlich von der britischen Fraktion (OCEANSIZE, AMPLIFIER, PORCUPINE TREE, CRIPPLED BLACK PHOENIX) ausgelöst wurde. Man kommt schwer rein, aber hat man sich einmal eingefunden, macht der Spazierflug durch die Wattewolken des positiven Kitsches bei gelegentlichen Unwetterwarnungen einen Riesenspaß.

P.S. Offiziell erschien „Sceneries“ am 27. Januar, jedoch war das Album über die Bandhomepage schon im letzten Jahr zu erstehen. Weiterhin exklusiv dort erhältlich ist ein auf 1.000 Stück limitiertes Digibook im Pappschuber (selten, diese Kombination) mit eingearbeitetem 28-seitigen Booklet, dass sich von der Standardvariante nur verpackungstechnisch und preislich, nicht aber inhaltlich unterscheidet.

Sascha Ganser (Info) (Review 7822x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
11 Punkte
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Tracklist:
  • DISC 1
  • Chapter 1: The Fountain Of Glow
  • - Part One
  • - Part Two
  • - Part Three
  • Chapter 2: Share The World With Me
  • - Part One
  • - Part Two
  • - Part Three
  • - Part Four
  • Chapter 3: The Words You Hide
  • - Part One
  • - Part Two
  • - Part Three
  • - Part Four
  • DISC 2
  • Chapter 4: The Waters I Traveled
  • - Part One
  • - Part Two
  • - Part Three
  • - Part Four
  • Chapter 5: Farewell To Old Friends
  • - Part One
  • - Part Two
  • - Part Three
  • - Part Four

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
Kommentare
M.K
gepostet am: 29.01.2012

User-Wertung:
13 Punkte

Stimmige Cd die einen 90 min träumen lässt.
kein ausfall auf der cd-hervorragend
Stella
gepostet am: 05.02.2012

User-Wertung:
6 Punkte

Langweilig, keine guten Melodien, der Sänger heult nur rum - was findet ihr an dieser CD?
Herr. H.
gepostet am: 08.02.2012

Eine sehr fundierte Rezension. Mir geht es im Übrigen ähnlich mit M.G.'s Gesang. Ich finde, dass sein Englisch inzwischen krautiger klingt als früher.
Carla
gepostet am: 19.06.2012

User-Wertung:
15 Punkte

Großartig!
Episch!
Ein Meisterwerk!
Kaufen!!!
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