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Lüül & Band: Wanderjahre (Review)

Artist:

Lüül & Band

Lüül & Band: Wanderjahre
Album:

Wanderjahre

Medium: CD/Download
Stil:

Akustische Folk- und Straßenmusik voller Leidenschaft und spannender Texte

Label: M.I.G. / SPV
Spieldauer: 52:37
Erschienen: 19.06.2015
Website: [Link]

LÜÜL hat schon jede Menge Musik-Geschichte geschrieben, aber er ist längst noch nicht Geschichte. Für sein aktuelles Album „Wanderjahre“ gilt im Grunde genau das Gleiche. Auf ihm erzählt der Bücher schreibende und Lieder textende Sänger, Gitarrist und Pianist, der einst mit AGITATION FREE begann, dann mit (Manuel Göttschings) ASHRA (TEMPEL) berühmt und durch seine Beziehung mit NICO noch bekannter wurde, seine fast historisch anmutende Erinnerungen und lässt sich dabei von seiner Band begleiten. Ukulelen und singende Sägen oder Kontrabass, Geigen und Akkordeon sowie Marimba und Bratsche und natürlich Gitarre und Klavier erklingen dabei alle rein akustisch. Das hat etwas von Straßenmusikern, die zwar Profis sind, aber immer wieder mal ihr Können auf der Straße beweisen, indem sie Folk und Tanzmusik, Neue Deutsche Welle und lyrisches Liedgut miteinander kombinieren. Natürlich denkt man bei dieser Beschreibung sofort auch an seine letzte, noch aktuelle Band, die 17 HIPPIES. Und damit liegt man nicht unbedingt verkehrt.

LÜÜL ist zwar mit seiner rauen, insgesamt nicht wirklich schwer beeindruckende Stimme kein begnadeter Sänger, dafür aber ein Geschichtenerzähler, dem man sehr gerne zuhört. Irgendwie weist er Ähnlichkeiten zu den Krähen in seinem Song „Shibuya“ auf: „Die Krähen in Shibuya / Sind alle etwas heiser / Sie flattern schnatternd durch die Luft / In Deutschland sind sie leiser.“
Und da es recht schön ist, jeden größeren Absatz mit dem Künstlernamen-Palindrom zu beginnen, behalte ich das einfach bei dieser flatterhaften Kritik so bei.

LÜÜL arbeitet auf „Wanderjahre“ alte Songs von sich („Maria“, „Morgens in der U-Bahn“, „Telefon“) auf, indem er sie nun aus seiner Sicht in ein zeitgemäßes Gewand kleidet, kramt lange Liegengebliebenes, nie Veröffentlichtes („Verkehrsteilnehmer“) wieder vor, adaptiert und/oder übersetzt ein paar Klassiker („Keines Solo“ von KÄSTNER, „Einladung“ von GOETHE, „In der Nachbarschaft“ von TOM WAITS, „Das Lied vom einsamen Mädchen“ von NICO) und textet persönliche Erinnerungen an seine erlebte Geschichte(n) („West-Berlin“, „Draußen“) sowie Reiseerlebnisse („Shibuya“, „Fährenaffäre“, „Mennoniten-Mädel“).
Aber es gibt auch ein ungewöhnliche Ausnahme!
Angeregt durch seine Beziehung zu NICO, die ihn auf die Idee brachte, mal ein ganzes Album über den Tod zu veröffentlichen, als sie ihn in den 70er Jahren mit MAHLERs „Kindertotenlieder“ vertraut machte. Am Ende bleibt davon aber nur ein Lied über den Tod übrig - „Samarra“. Hierzu schreibt er: „1979 in New York entdeckte ich diesen Text in einer Zeitung als Epigraph zu W. Somerset Maugham [...], der wiederum auf eine alte babylonische Anekdote zurückgeht. Ich habe ihn ins Deutsche übersetzt und in Liedform gebracht.“

LÜÜL ging mit diesen doch ungewöhnlich anmutenden Aufnahmen dann sogar noch etwas weiter, indem er sie nicht in einem professionellen Studio, sondern dem LPG-Haus eines alten Freundes in nur vier Tagen gemeinsam mit seiner Band aufnahm. Ein echtes „Straßenmusiker“-Album eben, das auch noch in einer ehemaligen Bude der Deutsch-Demokrartisch-Republikanischen Landwirtschaftlichen Produktions Genossenschaft aufgenommen wurde. Die zwei Ex-Erichs (Honecker & Mielke) hätte es gefreut, besonders wenn auch noch ein Lied über die „falsche, kaltkriegerische“ Berlin-Seite dabei entstand. Leider ist genau das für viele heutzutage schon wieder der Schnee von gestern und ein Ausdruck dafür, wie beschissen diese permanente Geschichtsvergessenheit ist, die uns heute schon wieder unsere Soldaten in heiße Kriege schicken und kalte Kriege gegen diejengen führen lässt, die nicht ähnlich wie wir in den Popo unseres großen Stars-&-Stripes-Bruders kriechen, sondern lieber mal zum Tritt ausholen.

LÜÜL befindet sich - so lautet dieses FAZIT - auf musikalischer Wanderschaft durch Zeit und Raum. Dabei entstanden Lieder, die in nur vier Tagen gemeinsam mit seiner Band eingespielt wurden und von ganz wenigen späteren Overdubs leben. Lasst uns mit LÜÜL wandern, denn auf seinen Wegen gibt es jede Menge zu entdecken.

LÜÜL hat auch noch ein PS verdient, auf das mich sein ehemaliger musikalischer Partner MANUEL GÖTTSCHING hinwies:
"‘Deep Distance - the musical life of MANUEL GÖTTSCHING‘!
Chris Bohn (The Wire Magazine) spricht mit MANUEL und LÜÜL Ulbrich, sein längster musikalischer Wegbegleiter, ist auch da. Der Autor des Buches Christian Wheeldon ebenfalls! Nicht verpassen und Ticket sichern, es könnte voll werden:-)“
Am besten also gleich hier mal einen Blick draufwerfen!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3298x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • West-Berlin
  • Draußen
  • Maria
  • Kleines Solo
  • Samarra
  • Morgens in der U-Bahn
  • Verkehrsteilnehmer
  • Das Lied vom einsamen Mädchen
  • Shibuya
  • Fährenaffäre
  • Einladung
  • In der Nachbarschaft
  • Mennoniten-Mädel
  • Telefon (Bonustrack)

Besetzung:

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