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Tibet: Tibet (Review)

Artist:

Tibet

Tibet: Tibet
Album:

Tibet

Medium: CD/Download
Stil:

Krautrock

Label: Sireena Records
Spieldauer: 48:49
Erschienen: 08.10.2021
Website: [Link]

Als in Deutschland die musikalischen berauschenden Kräuterchen noch ihre ganz großen Musik-Gärten zum Entfalten hatten, die von vielen bewundert, heiß geliebt und konsumiert worden, da schien die Welt ganz ohne digitalen Schnick-Schnack völlig in Ordnung. Musik war wichtig, ein Lebensgefühl, aber kein schnell verhallender oder verfliegender Furz im Stream-Winde, der seinen Gestank mit jedem Klick nur verstärkte und statt zu verduften eine Unmenge weiterer Arschlöcher hervorbrachte. Allein die Erinnerungen an diese plötzlich so wichtig gewordenen Zeiten werden von diesen so erschaffenen, nur noch von und für ihre Smartphones lebenden Arschlöchern als 'Nostalgie' und 'Retro-Kult' abgemüffelt, als wäre die Vergangenheit ein Misthaufen, vor dem man im Zeitalter der digitalen Moderne geschützt werden müsste. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, der eben nicht ausgelatscht, sondern verdammt bequem und passend ist, weil auf jedem Mist noch immer ganz oben die schönsten Pflanzen bzw. Kräuter wachsen, und der sich trotz aller digitaler Versuchungen, diese auf den unendlichen Daten-Autobahnen zu überrollen, auf die natürlichen Wege durch musikalischen Wald und Wiesen begeben, die gerne auch bis hin zu TIBET führen dürfen, einer Krautrockband der Siebziger, die von Sireena Records in ihrer ganzen indigenen und zugleich ethnischen Schönheit endlich wieder ans Tageslicht geholt wird.

TIBET! Das waren unter Federführung von Schlagzeuger und Bassisten Jürgen Krutzsch – besser bekannt als 'Pöngse' – fünf junge Männer, die dem Klein-Band-Mief zu entfliehen versuchten, um etwas ganz Großes zu werden, was ihnen im Endeffekt leider verwehrt blieb. Heraus aber kam dabei ein himmlisches Ost-West-Pärchen aus (so in etwa) OMEGA (zu „Time Robber“-Zeiten) und (ruhige) SAGA, welche sich die Hände reichen und ein progressives Tänzchen vollführen, das ungeahnte Spannungen entfaltet und bei dem keiner dem anderen auf die Füße tritt oder ins Stolpern kommt. Das ist natürlich nichts für Let's Dance, sondern nur für Let's the wildest 'Kraut' grow!

Da die beteiligten Musiker hinter TIBET alle auch auf fernöstliche Musik standen, einigte man sich schnell auf besagten Bandnamen, wobei der unter politischem Aspekt nicht gerade die beste Wahl war. Musikalisch aber ging's neben dem bereits erwähnten Tanz-Pärchen auch noch deutlich Richtung eines großen romantischen Dichters, dessen Name allerdings bereits durch eine andere Band besetzt worden war: NOVALIS. Und die sangen im Gegensatz zu TIBET ja in ihrer Muttersprache, außer auf ihrer ersten aus dem Jahr 1973 stammenden LP „Banished Bridge“, die übrigens manchmal wie das große Brüderchen von „Tibet“ klingt.

Auch sollte man, gerade weil TIBET tatsächlich mit gleich zwei Keyboardern antrat, gerne einen Querverweis Richtung TRIUMVIRAT – deren erste Alben der diese Zeilen verfassende Kritiker heiß und innig liebt(e) (und für dessen Album „Spartacus“ er in der DDR fette 130 Ostmark berappte), nicht vergessen. Die beiden Instrumentals „White Ships And Icebergs“ und „Eagles“, die beide jeweils länger als 6 Minuten laufen, sprechen diesbezüglich eine deutliche Sprache.

Zudem erspielte sich TIBET damals in den Siebzigern auch live eine kleine Fangemeinde und traten so mit solchen Bands wie JANE, GROBSCHNITT oder ELOY und KRAAN auf. Auch hält sich ganz eisern die Anekdote, dass sie, nachdem sie als Vorband von den SCORPIONS aufgetreten waren, sogar bessere Kritiken als die „Wind Of Change“-Mannen, die zwar mit diesem Song so eine Art Mauerfall-Hymne schrieben, aber ansonsten definitiv keinen weiteren Anteil an dieser historischen Meisterleistung hatten.

Alles in allem reichte es aber am Ende für TIBET nur für eine einzige Studio-LP im Jahr 1979, die später zu Unsummen als absoluter Raritäten-Schatz gehandelt wurde. Das hatte ein Ende, als dann eine Neuauflage erschien und nun endlich dank Sireena auch die CD, welche sogar noch zwei Bonusstücke erhielt, die in den Jahren 1978 und 1980 in Lüdenscheid entstanden. Die Piano-Ballade „Too Lazy“ mit anderem Sänger lädt hierbei zum Träumen ein und das abschließende „Never Be The Same“, erneut mit einem anderen Sänger, setzt genau diese Stimmung fort, ergänzt sie aber durch ein längeres Gitarren-Solo. Jedenfalls klingen beide Songs nicht wie eine wenig hochwertige Beigabe, sondern sind eine angenehme Bereicherung dieses rundum angenehmen Albums, das gerne viel, viel mehr Aufmerksamkeit verdienen sollte.

FAZIT: Mit dem ersten und einzigen Album der deutschen Krautrocker TIBET aus dem Jahr 1979 ist Sireena Records mal wieder ein ganz feiner Glücksgriff gelungen. Denn das gleichnamige Album ist nicht nur sehr gut gemastert und fein in einem Digipak samt 12-seitigem Booklet mit Bandgeschichte in deutscher Sprache und vielen Fotos verpackt, sondern bietet von zwei Keyboards getragenen Krautrock, der die guten alten Zeiten von „Banished Bridge“-NOVALIS bis TRIUMVIRAT und tatsächlich OMEGA (Verdammt noch mal, die Ungarn sollte eigentlich jeder, der mit Prog was an der Glatze hat, kennen!) wiederaufleben lässt. Schade, dass diesem Album, welches sogar erstmals um zwei ruhige Bonus-Songs erweitert wurde, kein weiteres mehr folgte. 'Tibet' ist eine unbedingt lohnenswerte Anschaffung für alle, die ihre Suche nach dem wahren Kraut, aus dem echte Musik gemacht wird, nie aufgegeben haben.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2360x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Fight Back
  • City By The Sea
  • White Ships and Icebergs
  • Seaside Evening
  • Take What's Yours
  • Eagles
  • No More Time
  • Bonus Tracks:
  • Too Lazy
  • Never Be The Same

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

  • Tibet (2021) - 12/15 Punkten
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