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Conny Ochs: Wahn und Sinn (Review)

Artist:

Conny Ochs

Conny Ochs: Wahn und Sinn
Album:

Wahn und Sinn

Medium: Download/LP+CD
Stil:

Deutschsprachiger Doom Folk, Liedermacher und Lyriker

Label: Exile On Mainstream Records
Spieldauer: 38:04
Erschienen: 20.10.2023
Website: [Link]

„Das Verlorengehen, um sich zu finden.“ (Conny Ochs – Musiker)
„Und genau hier liegt der (Wahn)Sinn hinter 'Wahn und Sinn'!“ (Thoralf Koß – Kritiker)

CONNY OCHS ist auf seinem neuen, erstmals deutschsprachigem Album ein Spieler!
Er spielt mit Worten und Musik und lässt dabei musikalische Poesie oder poetische Musik – mit größtenteils dunklem Hintergrund – entstehen. Das beginnt bereits bei dem Titel seines neuen Albums „Wahn und Sinn“, der im Grunde 'irre' ist. Denn indem er ein aus zwei Substantiven zusammengesetztes Wort entkernt und jedem seine eigene Bedeutung verleiht, befreit er die eine wie die andere aus der 'Gummizelle deutschsprachiger Grammatik' und verleiht ihnen einerseits einen 'irren' und andererseits einen 'bedeutsamen' Sinn.

Ist das nicht Wahnsinn?
Aber klar doch – genauso wie die Idee, sein Album „Wahn und Sinn“ in Verbindung mit einem fest eingebundenen Gedichtband gleichen Namens (auf seinen Konzerten) zu verkaufen, das auf 109 Seiten 48 Gedichte in deutscher Sprache samt ihrer englischen Übersetzung enthält und zu dem Ochs eine ganz klare Botschaft hat: „Wenn ich jetzt beides (LP/CD+Buch) zusammen betrachte, finde ich, dass auch 'Wahn und Sinn' die Geschichte erzählt, die bis jetzt der Kern meiner Lieder zu sein scheint: Das Verlorengehen, um sich zu finden.“

CONNY OCHS suchte sich bereits vor geraumer Zeit für seine Musik eine ganz eigene Schublade, damit ihm nicht Andere irgendeine unpassendere aufzwingen, weswegen er auch gleich seinem letzten Album diesen Titel verlieh. Also: 'Doom Folk'. Das passt doch, nur dass wir diesen Begriff für „Wahn und Sinn“ erstmals ein wenige erweitern sollten – und zwar in: 'Deutschsprachiger Doom Folk', denn als Ochs sich stilsicher selber sein eigenes Genre verpasste, sang er noch in der Sprache, die alle Welt verstehen sollte: Englisch, aber eben noch nicht in seiner Muttersprache.

Noch dazu wohnt allen Songs in ihrer sparsamen Instrumentierung, bei dem immer wieder ein Cello für eine besonders getragene Stimmung sorgt – und dem eigenartigen kurzen Instrumental „Welle“ – eine tiefsitzende Melancholie, die sich im vorletzten Song „Melancholia“ sogar besonders intensiv in Ton und Text Bahn bricht, inne: „Ich steck die Arme durch die Stäbe durch das Gitter in die Zeit / da ist doch irgendwas das mir das Fleisch auseinanderreißt“.

„Turin“, die Stadt, in deren Schatten ein Geheimnis blüht, ist diesbezüglich der ideale Einstieg in das Album. Ein Cello zwischen Sehnsucht und Bedrohlichkeit streicht sich seinen Weg, auf dem es ein Piano trifft, das es auf seinem dunklen Weg begleitet und der fragile wie kräftige Ochs-Gesang eröffnet mit dem geheimnisvollen: „Wenn du so schwarz bist, renn ich zu dir...“, den Song, der völlig überraschend laut ausbricht und die Richtung wechselt. Nach dieser musikalischen Stadt-Führung der besonders bedrückenden Art, ist man bereits „Wahn und Sinn“ verfallen – komme da, was wolle.

Noch etwas Unerlässliches zum Gesang von CONNY OCHS, der sich sofort einprägt und zwei offensichtliche Parallelen zulässt, denn er erinnert einerseits – und jetzt werden viele Fans aus dem Osten aufhorchen – an eine der beeindruckendsten und zugleich provokantesten DDR-Bands überhaupt.
An wen?
Ganz klar: An PANKOWs ANDRÉ HERZBERG. Eine herrliche Parallele, besonders weil gerade in der zensurüberwucherten DDR die Texte, welchen geheimnisvolle (gefährliche) Botschaften innewohnten, wenn man als Hörer nur in der Lage war, 'Zwischen den Zeilen' zu lesen, entschlüsseln konnte. So ist der – nennen wir ihn mal liebevoll – 'Gemeine Ossi' deutlich im Vorteil, wenn er versucht, den Wahn und den Sinn hinter den acht Liedtexten von „Wahn und Sinn“ zu entschlüsseln.
Und andererseits?
An einen Stein inmitten von Ton und Scherben, der sich besonders solistisch, wenn er gerade mal nicht 'König von Deutschland' sein wollte, ebenfalls schwer melancholisch über die Welt und die Liebe und viele Schmerzen nachsinnen konnte: RIO REISER.

Nach „Turin“ wartet bereits die nächste Überraschung auf uns.
„Risse“ mit psychedelischem, an das floydianische „Astronomy Domine“ erinnerndem Beginn und solch gewaltigen Spachbildern wie: „Komm kratz mit die Schatten von den Augen dann und wann“, aufwartend, setzt den Eindruck fort, der sich immer mehr verfestigt: „Was für ein großartiges Album, das einem endlich auch den Beweis dafür erbringt, wie eng Musik und (deutsche) Texte gleichberechtigt und völlig voneinander abhängig ihre ganze Schönheit im Einklang entfalten können!“
Spätestens hier sollten sich alle Zeitgenossen, die noch immer vehement den Grundsatz vor sich herblöken, dass Texte bei Musik nur eine untergeordnete oder unwichtige Rolle spielen, aus „Wahn und Sinn“ verabschieden. Denn sie unterliegen bei CONNY OCHS in diesem Falle einem Wahn ohne Sinn.

Ochs' Texte sprudeln außerdem nur so von Neologismen (Wortneubildungen) oder Metaphern (Sprachbilder) über, die in ihrer Sprachgewalt symbolträchtige Bilder zeichnen: 'Quermenschein', 'Wüstenleer und sternversunken', 'Melanchoholika', 'Träume am Haken', 'in Fetzen gebissen, zerschrien und zerrissen'...

Besonders „HickHack“ erinnert, wie überhaupt das gesamt „Wahn und Sinn“-Album, an PETER HAMMILL, denn auch Ochs' Texte sind ähnlich geheimnisvoll, düster und verklausuliert wie die des VAN DER GRAAF GENERATOR-Kopfs, die besonders anschaulich und anhörlich auf Hammills deutschsprachigem Album „Offensichtlich Goldfisch“, auf dem die ungewöhnlich beeindruckenden Übersetzungen ein anderer großer Rock-Poet – HEINZ-RUDOLF KUNZE – beisteuerte, zum Ausdruck kommen. Auf jeden Fall sind Hammill und Ochs nach diesem „Wahn und Sinn“-Album musikalische wie poetische Brüder im Geiste.

FAZIT: Ein außer- und ungewöhnlich inspiriertes Album, welches CONNY OCHS da mit seiner wahnsinnsschwangeren „Wahn und Sinn“-LP+CD veröffentlicht und das beim Hörer den Musik- wie Literaturliebhaber gleichermaßen herausfordert. Dunkel und voller Poesie mit der solistischen Leidenschaft zwischen Hammill, Herzberg und Reiser, der alle Musikleidenschaftler, denen (dunkel geprägte) Musik und (lyrisch sprachgewaltige) Texte gleichermaßen wichtig sind, sofort gefangen nimmt. „Wahn und Sinn“ erscheint als LP mit beigelegter CD und steht eng in Verbindung mit einem deutsch/englischsprachigen Gedichtband des Hallenser Musikers. Das Buch, auf das wir in einer später erscheinenden Review gesondert eingehen werden, wird ebenfalls als limitierte Version mit beigelegter CD auf den Konzerten des Künstlers erhältlich sein. Der Inhalt der Platte ergänzt den Inhalt des Bandes, aus der Inspiration der Auseinandersetzung mit den Gedichten aus den Jahren 2000-2010. Ochs selber meint dazu: „Wenn ich jetzt beides zusammen betrachte, finde ich, dass auch 'Wahn und Sinn' die Geschichte erzählt, die bis jetzt der Kern meiner Lieder zu sein gewesen scheint: Das Verlorengehen, um sich zu finden.“

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1127x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Seite A (17:07):
  • Turin (4:35)
  • Risse (4:06)
  • Ding (4:44)
  • Hickhack (3:42)
  • Seite B (20:57):
  • Taub und laut (4:42)
  • Welle (1:28)
  • Grimassen (4:31)
  • Melancholia (4:34)
  • Lumos (5:42)
  • CD (38:04):
  • Turin
  • Risse
  • Ding
  • Hickhack
  • Taub und laut
  • Welle
  • Grimassen
  • Melancholia
  • Lumos

Besetzung:

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