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Grave Pleasures: Plagueboys (Review)

Artist:

Grave Pleasures

Grave Pleasures: Plagueboys
Album:

Plagueboys

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Gothic Rock / Post Punk / New Wave

Label: Century Media / Sony
Spieldauer: 42:15
Erschienen: 21.04.2023
Website: [Link]


"Was war das jetzt?", dachte ich nach dem ersten Durchgang des neuen GRAVE PLEASURES-Albums ratlos. "Plagueboys" erregte überhaupt nichts in mir, weder große Begeisterung noch Enttäuschung, doch das sollte sich mit jeder weiteren Hörrunde ändern.

"Climax", der Einstand der Band als Beastmilk, war 2013 der Gipfelpunkt dessen, was sich mit mehreren vorangegangenen Kurzformaten angebahnt hatte, der Nachfolger "Dreamcrash" 2015 ein unentschlossenes Übergangswerk mit instabiler Besetzung auf einem Major-Label (die Platte ist trotzdem besser als ihr Ruf), und "Motherblood" (2017) die nahezu perfekte Einlösung des Versprechens, das die Finnen und ihr englischstämmiger Sänger mit ihrem Debüt abgegeben hatten.

Was ist nun aber "Plagueboys"? Genau lässt sich das nicht sagen, am ehesten jedoch vielleicht die Reflexion einer personell, konzeptionell und musikalisch endgültig gefestigten Band. GRAVE PLEASURES pflegen einerseits ihre Trademarks (Referenzen an Post Punk und Gothic Rock von The Sound über New Model Army bis zu Siouxsie and the Banshees sowie eine postapokalyptische Bildersprache), öffnen sich allerdings andererseits auch ein mitunter beträchtliches Stück weit, was Klänge und Songwriting-Kniffe angeht, die man bis jetzt noch nicht von ihnen gehört hatte.

Das macht die Scheibe zunächst sperrig, zumal die Songs und Strukturen variabler und insgesamt falls nicht Midtempo-lastiger, so doch auf jeden Fall ruhiger ausfallen. Tatsächlich sind es am Ende McNerneys Vocals und vor allem seine Songtexte, die Zugang unter die Oberfläche des Materials gewähren. Und wann wird der Mann eigentlich auf breiter Ebene für seine unnachahmliche Verschmelzung von morbide romantischer Poesie ("too much blood to ever clean up / heart like a slaughterhouse") und Provokation gewürdigt, die nur deshalb verpufft, weil die Gruppe nicht im Mainstream angekommen ist? Man stelle sich in diesem Zusammenhang vor, jemand wie Ghost würde Lyrics wie jene von ´Joy Through Death´ (von "Motherblood") vom Stapel lassen…

Wie dem auch sei, die Hooks von "Plagueboys" offenbaren sich schrittweise und kommen weniger von der instrumentalen Ebene her als aus dem Mund des Vokalisten gepurzelt, sei es "it´s the end of the world in the form of a girl" (´Disintegration Girl´) "I´ve been so tired that I´m jealous of skeletons" (´High on Annihilation´) oder "drops of beastmilk running down the valley of the abyss" (´Conspiracy of Love´). Hinzu gesellen sich (pop-)kulturelle und historische Anspielungen, unter anderem auf H.G. Wells´ Zukunftsvisionen, doch nicht nur deshalb passt "Plagueboys" hervorragend ins aktuelle Zeitgeschehen.

Jedenfalls erscheint diese Gegenwartsrelevanz auf der inhaltlichen Ebene plausibler als in Hinblick auf das vordergründig hässliche Cover, das angeblich auf Sir William Goldings und Aldous Huxleys dystopische Fantasien anspielt; Ohrwürmer auf den zweiten Blick wie das Titelstück rufen das "end of history" aus, und auch das naiv melodiöse ´When the Shooting´s Done´ offenbart zwischen den Zeilen eine bemerkenswerte Sprengkraft, wobei GRAVE PLEASURES jedoch nie plakative Parolen posaunen - höre ´Imminent Collapse´ mit seiner schwer zu fasseden Unheils-Metaphorik: "All roads that lead us here have fallen into disrepair / paranoia like a spirit wire / good old arctic hysteria".

Insgesamt ist "Plagueboys" ein im Vergleich zu seinen Vorgängern "atmosphärischeres" (in diesem Fall keine Beschönigung von "langweilig") Album geworden, gekrönt von dem tieftraurigen ´Lead Balloons´, einem Downer wie aus den letzten Tagen von Joy Divisions Ian Curtis, und der Single ´Society of Spectres´ mit ihren synthetisch zischenden Drums im Kontrast zu einem entfesselt rockenden Refrain.

FAZIT: GRAVE PLEASURES machen 2023 ihr ganz eigenes Ding, geschult am Besten und schaurig-Schönsten, was je unter den Bannern Post Punk, New Wave und Co. auf diese triste Welt losgelassen wurde. "Plagueboys" ist darüber hinaus eine meisterhafte Studie von raffiniertem Songwriting, komplett mit Tonartwechseln innerhalb einzelner Songs (nur noch selten Usus in Pop, Rock und Metal) sowie lebhafter Interaktion zwischen den Drums (wofür so eine Hi-Hat doch gut sein kann…) und einem Bass, der sich sowohl durch einen hypnotischen Groove als auch melodischen Geist auszeichnet. Ach ja, und dann ist da noch Mat McNerney als Charakterstimme, Endzeitprophet und Mutmacher in einem. So geht Kunst als Spiegel der Conditio Humana.

Andreas Schiffmann (Info) (Review 1988x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • 01] Disintegration Girl
  • 02] Heart Like A Slaughterhouse
  • 03] When The Shooting's Done
  • 04] High On Annihilation
  • 05] Lead Balloons
  • 06] Imminent Collapse
  • 07] Society Of Spectres
  • 08] Conspiracy Of Love
  • 09] Plagueboys
  • 10] Tears On The Camera Lens

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Max
gepostet am: 25.04.2023

User-Wertung:
14 Punkte

Ein "vordergründig hässliches Cover"? Dem muss sich doch sehr widersprechen. Ich finde es unheimlich gelungen und stilistisch wie farblich einzigartig und einprägsam. Ganz großes Kino.

Ansonsten ein sehr stimmiges Review, auch wenn ich noch mal die perfekte Produktion hervorheben möchte. Insbesondere der Bass könnte nicht besser in Szene gesetzt sein.

Hut ab Mat.
Max
gepostet am: 25.04.2023

User-Wertung:
14 Punkte

Ein "vordergründig hässliches Cover"? Dem muss sich doch sehr widersprechen. Ich finde es unheimlich gelungen und stilistisch wie farblich einzigartig und einprägsam. Ganz großes Kino.

Ansonsten ein sehr stimmiges Review, auch wenn ich noch mal die perfekte Produktion hervorheben möchte. Insbesondere der Bass könnte nicht besser in Szene gesetzt sein.

Hut ab Mat.
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