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Das war 2012 - Der Musikreviews-Jahresrückblick

08.01.2013

Das neue Jahr 2013 ist nun schon fast anderthalb Wochen alt und die Welt ist letztens nicht untergegangen. Höchste Zeit also, unseren großen Jahresrückblick zu veröffentlichen. Acht Redakteure präsentieren ihre musikalischen und persönlichen Highlights und Eindrücke eines außergewöhnlich guten Jahrgangs 2012. Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre.

Andreas Schiffmann (Profil): Die Geister, die ich rief ... Für ein Online- und ein Print-Musikmagazin schreiben, bei einem Musikverlag (lies: Plattenlabel) arbeiten, selbst Musik machen und unter anderem Musikbücher übersetzen - da fehlt der Abstand, nicht wahr?

Darüber darf gestritten werden, aber eines ist sicher: Es schärft das Urteilsvermögen, wenn es darum geht, die Guten im Köpfchen zu wahren und den Schlechten kein Tröpfchen nachzuweinen, wenn sie der Datenmüll-Presse (Shift+Entf) beziehungsweise CD-Börse ("eins, zwei, deins ...") anheimfallen. Einerseits erschreckt die schiere Menge dessen, was für gut befunden und im Lauf des Jahres dennoch vergessen wurde; andererseits ist es nicht verboten, sondern ausdrücklich erwünscht, später darauf zurückzukommen und es wirklich schätzen zu lernen. Wir müssen uns schließlich genauso wenig dem Zwang unterordnen, vermeintlich maßgebliche Lebensabschnitte in jeweils zwölf Monaten zu klammern, wie wir das Beste und Meiste schlucken sollten, das uns die immer weniger werdenden Hauptspieler im Musikbusiness unterjubeln möchten. Wenn man mit so wenig Abstand von der Materie eines lernt, dann einen geruhsamen Blick aus der Distanz, den gleichwohl kein Objekt der Kritik von oben herab erdulden muss.

Nein, ich bin dem ganzen Treiben immer noch nicht überdrüssig, wenn ich mich auch zähneknirschend auf den unvermeidlichen King-Diamond-Hype und mehr "Events" (Wacken am Meeresgrund, Christen-Metal im Airbus, um Gott nah zu sein) statt würdiger Konzerte vorbereite, außerdem auf die anhaltende Vermüllung des Planeten mit unsinnigen Liebhaber-Editionen, demnächst verstärkt in Form von Neuauflagen mit Tonträgerzahlen im zweistelligen Bereich (meistens von Steven Wilson klanglich bearbeitet), für die der treue Fan dreistellige Summen ausgibt. Die größte Kaufkraft am Markt liegt immerhin bei den Hörern "unserer" Musik, obschon ich mich bisweilen frage, was es mit selbiger auf sich hat. Genres und Stile sind mir längst schnuppe, Baukastensysteme und wie auch immer gearteter Konsens so zuwider wie nie. Statt also mit nur wenigen Abweichungen nachzuplappern, was irgendwelche Meinungsmacher als unverzichtbar erachten, äußere ich den frommen Wunsch, dass 2013 wieder verstärkt subjektiv Musik gehört wird, also losgelöst von externen Vorgaben und ja: tatsächlich gehört, denn auch die schmucke LP wurde dazu gepresst, nicht um im Nerd-Schrank zu verstauben. Falls sie (beziehungsweise die Audiodatei, die CD oder das wieder beliebte Tape als Gipfel des Retro-Unsinns) dies dennoch tut, ist sie es nicht wert, dass ihr sie besitzt, also weg damit. Die Schönheit ruht nicht im Großen - nicht bei bis zu sieben Bands starken Konzertreisen, nicht bei Kreator, wenn Mille seine Schlagwörter Hass, Aggression und Revolution ins Rund bellt, nicht im blümchenrosafarbenen Vinyl mit Limitierung auf ein Dutzend (damit die Macher schnell einen zweiten Run nachlegen können) und auch nicht bei Metal-Whiskey und als edel verkauftem Wein mit Bandlogo nebst gratis Essigstich oder Butterton. Nein, sie ruht in Gruppen ohne Podium, die vor allem um ihrer selbst willen musizieren und nichts weniger wollen, als in die Maschinerie aus Omnipräsenz und damit einhergehendem Ausverkauf zu geraten, sie liegt in intimen Momenten bei kleinen Konzerten, in von Hand gebastelten CD-Hüllen oder einer Dose Bohnen, die dem teuer frankierten Päckchen einer Independent-Band aus Australien beiliegt. In diesem Sinne:

"Nicht zynisch werden und nichts verlernen,
vielleicht ab und zu auch nie nur ..."

Andreas Schulz (Profil): Da iKetzer "Endzeit Metropolis"ch es eh schon schwierig genug finde, die besten Alben eines Jahres zu wählen - besonders, wenn es ein so gutes Jahr wie 2012 war - beschränke ich mich größtenteils auf die praktische Listenform. 30 Platten, die ich besonders gelungen finde in alphabetischer Reihenfolge. Explizit herausheben möchte ich aber mein Album des Jahres: "Endzeit Metropolis" von den Black Thrashern KETZER. Das Album ist ein wahres Meisterwerk, das an Spielfreude und Ideenreichtum nicht zu überbieten war und die perfekte Balance aus Härte, Aggression, Atmosphäre, Melodie und genialem Songwriting darstellte. Hier nun die komplette Liste der herausragenden Alben 2012:

ANATHEMA "Weather Systems"
ANNEKE VAN GIERSBERGEN "Everything Is Changing"
ASPHYX "Deathhammer"
ATTIC "The Invocation"
COLD IN BERLIN "And Yet"
CRADLE OF FILTH  "The Manticore And Other Horrors"
DER WEG EINER FREIHEIT "Unstille"
DESASTER "The Arts Of Destruction"
DIE TOTEN HOSEN "Ballast der Republik"
ENGEL "Blood Of Saints"
ENTHRONED "Obsidium"
GOLD "Interbellum"
HELLBRINGER "Dominion Of Darkness"
HEXVESSEL "No Holier Temple"
JESS AND THE ANCIENT ONES "Jess And The Ancient Ones"
KATATONIA "Dead End Kings"
KETZER "Endzeit Metropolis"
KILLING JOKE "MMXII"
KREATOR "Phantom Antichrist"
NACHTMYSTIUM "Silencing Machine"
NAGLFAR "Téras"
ORDEN OGAN "To The End"
PARADISE LOST "Tragic Idol"
PETER HEPPNER "My Heart Of Stone"
SWALLOW THE SUN "Emerald Forest And The Blackbird"
THE GATHERING "Disclosure"
THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA "Internal Affairs"
TRAIL OF MURDER "Shades Of Art"
VERDUNKELN "Weder Licht noch Schatten"
YEAR OF THE GOAT "Angels‘ Necropolis"

Herausragende Live-Alben (CD und/oder DVD):
FIELDS OF THE NEPHILIM "Ceromonies"
MACHINE HEAD "Machine F**king Head Live"
MORGOTH "Cursed To Live"
WATAIN "Opus Diaboli"

Wer die Newcomer des Jahres sind, dürfte bei der Betrachtung meiner Top 40 klar sein: ATTIC liegen hier klar in Führung, nicht nur wegen des starken Debütalbums, sondern auch wegen ihrer Livedarbietungen und dem Gesamtbild, das sie abgeben. Das ist bei JESS AND THE ANCIENT ONES nicht ganz so stimmig, deren Debütalbum ist aber ebenfalls überragend. Das australische Trio HELLBRINGER hat mit "Dominion Of Darkness" ein nahezu perfektes Thrash-Debüt der alten Schule abgeliefert. Ebenfalls zu den besten Newcomern zählen die Niederländer GOLD sowie die Polen von OBSCURE SPHINX, die in diesem Jahr den New Blood Award beim Summer Breeze Open Air gewonnen haben.

Folgende Konzerte und Festivalauftritte sind in 2012 besonders positiv in Erinnerung geblieben: JON OLIVA'S PAIN (Essen), CIRCLE II CIRCLE (Wuppertal), IN FLAMES (Wacken), MACHINE HEAD (Wacken), ANATHEMA / OPETH (Bochum), COMBICHRIST (Köln), KETZER (Oberhausen, Essen), VERDUNKELN, YEAR OF THE GOAT, ATTIC (alle Oberhausen), DIARY OF DREAMS (Bochum), THE DEVIL'S BLOOD (Köln), DEATHFIST (Ratingen)

Sonstige Sternstunden: Interviews mit Carl McCoy (FIELDS OF THE NEPHILIM), Tom Angelripper (SODOM), Erik Danielson (WATAIN), Hansi Kürsch (BLIND GUARDIAN), Martin van Drunen (ASPHYX)

Chris P. (Profil): 2012 war hinsichtlich der gesellschaftlichen und politischen Ereignisse sowie einiger trauriger Todesfälle schon wie das Jahr zuvor eher eines zum In-die-Tonne-Kloppen. Sollte man 2013 einfach sämtliche Nachrichtenquellen ausblenden? "Druff g'schisse" sagten schon die Lateiner im alten Lateinien in bestem Mandarin-Esperanto, und so platzieren wir das Häufchen direkt neben den 2011er Kotzeimer, von dem im entsprechenden Jahresrückblick meinerseits die Rede war.
 
Zum Glück offenbarte das Jahr literarisch, musikalisch und audiovisuell Erfreulicheres - man kann sagen, dass 2012 mindestens genau so stark war wie 2011. Der Anteil an Standardkram ist noch immer zu hoch, die Releases scheinen mehr und mehr zu werden, doch Großartigkeiten fanden sich zuhauf.
 
Vielschreiber Oliver Uschmann, der seine Bücher mit Ehefrau Sylvia Witt schreibt, hat eine Menge guter Bücher veröffentlicht. Wie auch immer die beiden es auf die Reihe bekommen, so beeindruckt die Qualität der vielen Werke. So erschien 2012 nicht nur "Überleben auf Festivals", sondern auch zwei urlustige Kinderbücher (!), der Jugendroman "Log Out!" Danielewski "Only Revolutions"sowie der sechste "Hartmut und ich"-Teil "Erdenrund", der so ganz anders ist als seine Vorgänger. Von David Foster Wallace erschien die Hörbuchausgabe von "Das hier ist Wasser" und öffnet Horizonte. Jenny Valentines "Kaputte Suppe" begeisterte ebenso wie Frank Goosens "Sommerfest", Stefan Kaminski sprach das letztjährig gelobte Wolfgang Herrndorf-Buch "Sand" hervorragend als Hörbuch, CSI-Schöpfer Anthony E. Zuiker liefert mit dem dritten, finalen Teil der "Level 26"-Trilogie den gleichzeitig besten ab, Sven Stricker brachte mit seinem Hörspiel "Böses Ende" mein Zwerchfell zum Zucken, wobei besonders Bjarne Mädel ("Stromberg", "Der kleine Mann", "Mord mit Aussicht") hier eine göttlich komische Sprechrolle übernahm. Besonders aufregend und verwirrend ist das eigenwillige aktuelle Werk von Mark Z. Danielewski namens "Only Revolutions", ein Buch, das man von beiden Seiten lesen kann, insgesamt 2x 360 Seiten á 360 Wörter beinhaltet - und ein Genuss für Fans experimenteller Literatur darstellen dürfte. Vom gleichen Autor erschien in den USA endlich eine reguläre Auflage des sonst nur als horrend teure Rarität erhältlichen Buches "The Fifty Year Sword", bei dem man auf die ins Deutsche übersetzte Version gespannt sein darf. Lustig auch "Black Mandel", der zweite Roman von Berni Mayer, in dem zwei zu Detektiven mutierte Ex-Musikjournalisten anlässlich einer Reunion eines Black-Metal-Urgesteins gen Norwegen reisen und dort in eine Mordgeschichte hineingeraten. Beängstigend und spaßig zugleich: "Er ist wieder da" von Timur Vermes.
 
Die aus subjektiver Sicht genialsten Tonträger stammten 2012 von SYQEM ("Reflections Of Elephants"), BETWEEN THE BURIED AND ME ("The Parallax II: Future Sequence"), DEFTONES ("Koi No Yokan"), Beastmilk ("Use Your Deluge"), CEREMONY ("Zoo"), DUNDERBEIST (gleich mit zwei Alben!), DR. LIVING DEAD! ("Radioactive Intervention"), SOUNDGARDEN ("King Animal"), MASSGRAV ("Still The Kings"), ASPEN ("Lak T'an"), BLOOD COMMAND ("Funeral Beach"), [ME] ("Another Story High), KONTRUST ("Second-Hand Wonderland"), ZEN ZEBRA ("Awaystation"), GATHERER ("So Be It"), CRYPTOPSY ("Cryptopsy"), THE ALGORITHM ("Polymorphic Code"), KONTINUUM ("Earth Blood Magic"), ZATOKREV ("The Bat, The Wheel And A Long Road To Nowhere"), MALADIE ("Plague Within"), DER WEG EINER FREIHEIT ("Unstille"), SCHOENHOLZ ("Ceylon"), PERIPHERY ("Periphery II: This Time It's Personal"), MARTYRDÖD ("Paranoia"), FORCES @ WORK ("Straight"), ULVER ("Childhood's End"), HOLODOMOR ("Témoignages de la gnose terrestre"), DIE ÄRZTE ("auch"), NE OBLIVISCARIS ("The Portal Of I"), ANTENNAS ("Neanderthal"), ANTIGAMA ("Stop The Chaos"), TOMBTHROAT ("Eden Apocalypse"), OFF! ("Off!"), LIBRARY VOICES ("Summer Of Lust"), KNIVDERBY ("Uppochnervända kors"), SLIDE ON VENUS ("Topless"), CHOPSTICK SUICIDE ("Lost Fathers And Sons"), JEFF LOOMIS ("Plains Of Oblivion"), MBWTEYP ("Writ Of Eskort"), MESHUGGAH ("Koloss"), BETA PLUS EMBRYO ("Time Kills Everything"), BLACKBURNER ("Feel The Burn"), AKPHAEZYA ("Anthology IV"), RIDDARNA ("Bakom Molnen"), KATHER/HOFF ("Das Oldschoolformat der Zukunft"), THE EXPERIMENTAL TROPIC BLUES BAND ("Liquid Love"), THERAPY? ("A Brief Crack Of Light"), LIBERTEER ("Better To Die On Your Feet Than Live On Your Knees"), DODECAHEDRON ("Dodecahedron"), YOU SAY FRANCE AND I WHISTLE ("Angry Men"), BERSARIN QUARTET ("II"), THEN COMES SILENCE ("Then Comes Silence"), BEARDFISH ("The Void") und so verdammt vielen mehr...
 
Diese Releases und noch viele mehr, die ich vergessen haben dürfte, sorgen dafür, dass ich nach zehn Jahren Schreiberei für diverse Magazine - etwas über drei Jahre davon für Musikreviews.de - noch immer richtig Bock habe und stets bereit bin, mir noch mehr und noch mehr Arbeit aufzuhalsen. Man muss einfach nur Motivation genug haben, Juwelen für sich zu suchen und sie auch zu finden. Das ist immer ein wenig wie Weihnachten. Man muss sich nur auf Neuland einlassen wollen.
 
Natürlich gab es auch einige wirklich schlimme Veröffentlichungen, so zum Beispiel "Cosmogenesis" von 8TH SIN, "Climax Community" von DARSOMBRA, "Caves" von LOTUS CIRCLE, die Alben von DAS NIVEAU oder "Deutsche Welle 2.0" von THE SEVEN SEALS,  Erstaunlich finde ich hierbei allerdings immer wieder, wie dünnhäutig Musiker auch nach vielen Jahren professioneller Arbeit sind - speziell das Theater mit DAS NIVEAU war hier beispielhaft, doch auch andere Acts wie beispielsweise UNHERZ zeigen vorbildlich, wie ungeschickt man mit Kritik umgehen kann. Aber ohne solche Realsatire wird es nie langweilig.
 
Ja, 2012 war geil.

Dr. O. (Profil): Jahreswechsel haben in meinen Augen ja nur zweierlei Sinn, erstens simplen Gemütern vorzugaukeln, dass irgendetwas ab jetzt besser würde und zweitens in Medien Jahresrückblicke und subjektive Best-Of-Listen zu veröffentlichen. Gesagt, getan. Da das hier ja ein Musikmagazin ist, werde ich mich kurzerhand auf meine Lieblingskategorien und Scheiben beschränken.

Beginnen wir mit Grindcore: Nachdem NAPALM DEATH "Utilitarian" veröffentlichten, war klar, dass das nur die Grindscheibe des Jahres sein könnte. Schnell, kompromisslos, wütend und kämpferisch auch im 110. Jahr ihres Bestehens geben sich die Briten. Volltreffer. Wenn da nicht unverhofft CATTLE DECAPITATION mit "Monolith Of Inhumanity" ein mehr als treffend betiteltes Album nachgelegt hätten. Schnell, präzise und vor allem mit vollkommen irrem Gesang garniert punkten die Amis. Nach reiflicher Überlegung: Unentschieden.

Beyond Terror Beyond Grace "Nadir"Schnelle Musik, O.K.: Black Metal. Ganz eindeutiger Sieger, noch dazu vollkommen aus dem Nichts kommend und als eher durchschnittliche Grindkapelle gestartet: BEYOND TERROR BEYOND GRACE, deren "Nadir" recht lange ungehört auf dem To-Do-Stapel lag, dann aber bombenmäßig einschlug. Wechsel zwischen Raserei und tonnenschwerer Riffs prägen das Album, das extrem gefühlvoll und bösartig ist. Der Gesang ist ein Schlag ins Gesicht und die Drums tackern beeindruckend. Norweger? Nein, Australier. Aber da gibt es ja sogar Pinguine.

Death Metal ist ja nicht totzukriegen und in der Szene tummeln sich viele neue Bands, das Rennen machten aber die Originale. ASPHYX und GRAVE haben sehr gute Alben abgeliefert, Sieger aber auch dank des Gesamtwerkes ist Paul Speckmann mit MASTER, deren "The New Elite" eine perfekte Symbiose aus Death Metal amerikanischer Prägung und fiesem Crust ist. Dazu keine Totschläger oder Sonstwas-Fürn-Scheiß-Texte, sondern politisch motiviert und immer mit dem Finger in der Wunde. Der Mann ist ein Unikat und lässt sich nicht verbiegen. Respekt.

Kategorie: Ehre, wem Ehre gebührt. Ich stehe ganz sicher nicht im Verdacht, Thrash-Metal-Fan, geschweige denn KREATOR-Fan zu sein, aber "Phantom Antichrist" ist ein sehr gutes und verblüffend melodiöses Album geworden, dass sich doch recht häufig im CD-Schacht wiederfand. Großes Album einer Band, die mich ansonsten nicht interessiert.

Werden wir langsamer: Kategorie: Sludge, Doom, was weiß ich denn. NEUROSIS sind nicht nur Genre-definierend, sondern zeigen auf "Honor Found In Decay" auch, wer Herr im Hause ist. Die Mischung aus alten Gewalt-Eskapaden und finsterer Dynamik macht es mal wieder, die beinahe eingängige Herangehensweise an das ganz eigene Musikuniversum bekommt NEUROSIS auf jeden Fall gut.

Bleibt noch die Kategorie: Unkategorisierbar: MENACE RUINE verbraten auf "Alight In Ashes" Sounds, deren Herkunft mir immer noch schleierhaft ist. Klar, kommen aus Keyboards, aber was das Duo da genau macht, ist mir nicht klar. Das Ergebnis zählt und das ist ergreifender noisegeschwängerter Doom, der von der alles aufsaugenden und hypnotisierende Stimme der Sängerin Geneviève in ein anderes Universum katapultiert wird.

Aus einem anderen Universum kommt dann auch noch die Platte des Jahres 2013: "Target Earth" von VOIVOD. Wartet es ab. 2013. Let's go.

Jochen König (Profil): Der Dinosaurier lebt! Ist das eine gute Nachricht? Zumindest für Freunde und Fans des Progressive Rocks.  Eigentlich schon vor gut 35 Jahren für tot erklärt, aufgegeben selbst von seinen illustren Vertretern, zum übelriechenden Kadaver erklärt von einer Punk-Bewegung, die kürzer währte als der Nachhall einer Musikbox in der Halle des karmesinroten Königs.

Nahezu täglich erscheinen Alben, werden digitale Downloads angeboten, und das rund um den Globus. Von Bands, deren Bekanntheitsgrad kaum über den Ort der Herkunft hinausweisen dürfte. Wie die italienischen TREWA ("Many Meetings on a Blithe Journey" Does anybody know?), die fabelhaften Progpsychedeliker VIOLETA DI OUTONO aus Brasilien oder die australischen EROS, die mit "No Desolation" ein wunderbar unbedarftes, rumpelndes Kleinod zwischen HAWKWIND und den DOORS geschaffen haben, ohne wie eine Landei-Kopie zu wirken.

Dann gibt es die verschütt gegangenen, die nach Dekaden wieder auftauchen (sogar mit hörenswerten Alben!) á la ALPHATAURUS oder NOTTURNO CONCERTANTE (die Italiener sind schon so welche), und die Exhumierten, die nicht mehr, kaum noch, vielleicht schlussendlich aber wieder existieren. Um letztere Gruppe kümmern sich rührige Label wie MIG-Music oder Sireena, gerade was die Geschichte der progressiven Musik im deutschsprachigen Raum, die selbst nicht zwangsläufig muttersprachlich sein muss, betrifft.   Da erscheint zwar auch manch armseliges Deutschländer-Würstchen, aber alleine aus historischem Interesse ist ein opulenter Backkatalog die wahre Freude. Für Liebhaber von Obskuritäten sowieso (Hi LUTZ RAHN, du alter Schabamalteke! Kriegt sogar richtig gute Kritiken in den einschlägigen Gazetten und Webportalen. Irgendwie ist der Diskurs, welche Bedeutung Musik haben sollte/könnte, bei "Heidewitzka Herr Kapitän" angelangt, statt bei einem großen gesellschaftspolitischen Entwurf. Erlaubt ist was gefällt, und dazu gehört auch Redundantes, Musikhobeln mit feistem Instrumentarium und der letzte Scheiß. Der sowieso. Damit meine ich nicht die liebenswürdige "wofür-hab‘-ich-denn-das-ganze-Arsenal-an-Tasteninstrumenten-und-die-schöne-Lichtorgel-wenn-ich-sie-nicht-benutzen-darf"-Hausmusik von Freund LUTZ WUNDERLAST, äh, RAHN, dem Sahnehäubchen auf einem Zichorienkaffee, von dem die Omma in den Siebzigern noch erzählte.).  

Das progressive Jahr begann mit einem Paukenschlag. Yeah, Doppelalbum! CRIPPLED BLACK PHOENIX hauen ihr "The Wall" raus. "(Mankind) The Crafty Ape". Klar, unter Menschheitsgeschichte läuft es nicht. Unter PINK FLOYD mit mystischem bulgarischen Chor, fettem Metal, Blues und was dabei raus kommt, wenn ich es durch den Entsafter drehe und aufkoche, auch nicht. Das Album hat das Jahr verdammt gut überstanden, kaum Abnutzungserscheinungen und immer einen Ohrgasmus wert. Selbst, wenn Junior meint, dass ihm die Band zu pathetisch ist. Aber was ist Progressive Rock, was ist Pop ohne Pathos? MAX MUTZKE. Okay, nicht die schlechteste Wahl, aber auch nicht wirklich wichtig.

Natürlich ist das Affenkind keine Mauer, denn mit CRIPLLED BLACK PHOENIX endete auch das Jahr. Die 45-minütige(!) EP(!!) "No Sadness Or Farewell" ist mehr als eine Fußnote, und schon gar kein egomanisches "The Final Cut". Braucht ein bisschen, aber dann lodert‘s. Wie es sich für einen PHOENIX gehört. Dieser fliegt noch eine Weile, da bin ich mir sicher.   

Natürlich erschien auch  Überflüssiges, Ewiggestriges, das sich hinter viel Schall und noch mehr Namedropping-Rauch verbarg. Lest Kossis KOMPENDIUM-Kritik, dann wisst ihr wovon ich spreche. Ein Album, nicht nur zum Erschlagen von Übelwilligen mit dem Booklet geeignet, sondern von einem sattröhrenden Bombast, der selbst dem Sonnenkönig ein zufriedenes Grinsen entlockt hätte. Ich liebe das Bombastium mittlerweile. D.h. ich würde es lieben, wenn  ich einen Lakaien besäße, der es auf meiner Anlage, nur echt mit wassergekühlten Vorverstärkern und mannshohen Backes & Müller-Aktiv-Boxen, in den Accuphase-CD-Player schieben würde, während ich auf einer goldenen Toilettenschüssel  in der Kemenate nebenan throne.

Da lobe ich mir doch RICK WAKEMANs Neuauflage von "Journey To The Centre Of The Earth". Klingt verdammt gut, hat Jules Verne seine Geschichte zu verdanken, die unaufgeregt, aber mit Stil und großer Besetzung erzählt wird. Dazu ein Classic-Rock-Sonderheft, in dem man Mr. WAKEMAN u.a. im gediegenen Jagdoutfit im Kreise seiner rustikalen Nachbarschaft und Freunde betrachten darf. Wer braucht da noch ein KOMPENDIUM.

Genauso wenig wie JEFF WAYNE’S Neuauflage des "War Of The Worlds". Ich mag Liam Nesson wirklich gern; aber gegen Richard Burton? Pop goes the Weasel. Gilt für die komplette Besetzung. Anhörbar für unverbesserliche Liebhaber, aber kaum ein Vergleich zum Original…

Zurück zu den erfreulicheren Dingen:

I AND THOU – "Speak". Schafft, was "Perilous" von GLASS HAMMER nicht ganz gelang. Entwaffnend, meine Retro-Prog-Platte des Jahres. Da versagt jede rationale Kritik. Reine, wahre Zuneigung.

NEAL MORSE hat mit "Momentum" tatsächlich mal wieder ein Album hinbekommen, das richtig Spaß macht. Er verändert die Zutaten nicht, bringt sie aber mit Wucht und Lust ins Spiel. Dann ist man auch gerne bereit die heilbringenden Texte geflissentlich zu überhören.

Dann noch CITIZEN CAIN (sperriger als im Vorjahr DISCIPLINE., aber der Acker aus dem diese Musik kroch, hat fruchtbaren Boden, reicht locker für Beide), ALIAS EYE mit ihrem kompakten "In-Between". Philip Griffiths liefert zum Abschluss als festes Bandmitglied u.a. eine höchst gelungene Cover-Version von BEGGARS OPERA "Time Machine". ASTRA publizierten mit "The Black Chord" gleich zu Jahresbeginn einen so verspielten wie melodisch griffigen Vertreter der dynamischen Art ab. Kein Metal, aber munter voranpreschender Prog mit gelöster Handbremse. Dauerbrenner das ganze Jahr über.

Herausragend: "Get All You Deserve" von STEVEN WILSON. Visuell, klanglich und musikalisch nahezu konkurrenzlos. Der Nachlassverwalter des Progressive Rocks mit eigenen Visionen bietet Langzeit-Genuss ohne Reue. Wenn es das ist, was wir verdienen, immer her damit!

Soll genug gewesen sein mit dem artifiziellen Musikgeschehen, obwohl ich mit Sicherheit zahlreiche Highlights (GALAHAD – wie CBP mit gleich zwei Veröffentlichungen in einem Jahr, VAN DER GRAAF GENERATOR, nein, nicht "Alt", sondern das aufwendige Livepackage aus den "Metropolis Studios, London",  FINAL CONFLICT "The Artesian" (bin dann mal wieder kurz weg?), "PINEAPPLE THIEF", die mittlerweile eine ganz eigene Marke sind; das polarisierende Debüt von STORM CORROSION, dem Projekt der Herrn Akerfeldt und Wilson, dass sich aber im Langzeittest noch beweisen muss u.v.a.) unterschlagen habe.

Dank Musikreviews HEMLOCK SMITH aka Michael Frei kennengelernt, der wunderbare, nachtschattig-poetische Musik produziert. Als Verweisgeber mögen TOM WAITS und, NICK CAVE dienen, doch HEMLOCK SMITH ist schon was Eigenes. Nicht nur, weil es aus der Schweiz kommt. Nach der Besprechung von "Everything Has Changed" habe ich mir umgehend die früheren Alben des Mannes besorgt. War eine gute Entscheidung.  

Ebenfalls nachhaltig eingeprägt haben sich COOLOOLOOSH mit ihrer mitreißenden Mixtur aus HipHop, Rock, Funk und Rock; tanzbar UND wohnzimmertauglich; das Label Unit Records, die eine ganze Reihe junger Musiker im Programm haben, die beeindruckend zeigen, dass Jazz lebt und keineswegs müffelt. Intim, sperrig, konzertant, wild und Balsam in einsamen wie gemeinsamen Nächten – ein reichhaltiges Programm, von "auf Anhieb einnehmend" bis "dauerhaft widerspenstig". Langweilig war‘s nie.

Das gilt auch für das zweite extraordinäre Doppelalbum des Jahres: FAMILY FIVE und ihre exzellente Werkschau "Hunde wollt ihr ewig leben? Drei dreckige Dutzend aus drei Dekaden". So können deutschsprachige Texte aussehen. Sollten sie auch. Peter Heins weise Worte gibt es in Buchform zu kaufen ("Die Songtexte 1979 – 2009"). Besser kann man sein Weihnachtsgeld kaum anlegen.  Und sich, wieder einmal, Wiglaf Droste anschließen: "Und wo schon die Zeiten so lausig sind, ist es nicht schlecht, das ihnen Leute wie Peter Hein und Family 5 kräftig die Sporen geben." Yipieeiyeah.

Wo wir bei den lausigen Zeiten sind, ein kurzer Abstecher zum peinlichsten Auftritt des letzten Jahres. DAS NIVEAU ohne. Zwei bräsige "Barden" sind unglücklich über die nicht gerade positiven Rezensionen bei Musikreviews und heulen sich bei ihren Facebook-Anhängern aus, die nichts anderes zu tun haben, als in Massen besagte Reviews und vor allem die Rezensenten mit Gift und Galle nieder zu kommentieren. Es ist schon ein ernstes Geschäft mit dem Humor. Vor allem, wenn  man keinen hat. Das eintönige Geschrammel dieser beiden Mittelalter-Pausenclowns, deren Texte von bodenloser Witzischkeit nur so strotzen (wer beim bloßen Gedanken an das Wort "vögeln" in Gelächter ausbricht, darf getrost die gesamte Diskographie aufkaufen), ist eigentlich nur was für den trübsinnigen Redaktions-Grottenolm, der in seiner nasskalten Höhle der guten, alten Zeit gedenkt, als es noch ulkig war, wenn Gunther Phillip ins Wasser fiel. DAS NIVEAU beweist indes, dass das finstere Mittelalter seinen Namen zu Recht trägt. Ein Highlight, dass ich keines der Alben zu besprechen brauchte.

Letztlich so unwichtig wie schnell vergessen (Merkzetteleintrag: "Weiten Bogen um Mittelaltermärkte machen." Fällt nicht so schwer.). Erfreulicheres. Wie die weibliche Begleitung durch‘s Jahr:

AGNES OBEL ("Close Watch" und wie) , SOPHIE ZELMANI (sämtliche Alben, rauf und runter), FLORENCE & THE MACHINE (starkes zweites Album und Unplugged), ANNA TERNHEIM (ja gut "Night Visitor" schwächelt leicht angesichts der Vorgänger. Aber der bei Arte ausgestrahlte und via Internet abrufbare Auftritt schwächelt nicht. Und überhaupt: Ich liebe ihr.), POPPY ACKROYD (Hach ja).

Oder die Individualisten:

PAUL BUCHANAN, der passend zum remasterten Backkatalog seiner Band BLUE NILE, sein leider etwas kurz geratenes Soloalbum "Mid Air" präsentierte, das wie der dunkle Bruder der letzten PETER GABRIEL Veröffentlichungen klingt; NEIL YOUNG, der auf "Psychedelic Pill" endlich mal wieder tut, was er und CRAZY HORSE so gut können: Es krachen lassen. Dann, zum Jahresende, der Killer mit dem du jede Party gesprengt bekommst. SCOTT WALKER und "Bish Bosch". Er selbst hält das Album für eine humorige Angelegenheit, was allerdings von sehr viel Humor zeugt; ich halte es für einen nervenzerrenden, surrealen Ausflug in hinterste Alptraumwinkel. Kann man nicht oft hören, aber wenn, ist es so intensiv, dass es wehtut. Also vielleicht doch ein Werk großartiger Komik – zum Totlachen.

Ein Abschluss mit Seele. Der Newcomer zuerst.

MICHAEL KIWANUKA zaubert mit "Home Again" ein verdientermaßen hochgelobtes Album hervor. Hot Buttered Soul. Der Mann hat Musikgeschichte eingeatmet und spuckt sie so lässig wie seelenvoll wieder aus. Auch klanglich ohne Grauschleier.

Das leider unvermeidliche R.I.P., mit dem mein letztjähriger Rückblick begann, zum Ende. Ein Mann hat mich durch das ganze Jahr begleitet. Ich kannte seine Alben zwar schon länger, doch erst 2012 Haben sie mich mit Wucht erwischt. Musik zwischen Folk, Soul, Jazz, ganz sachtem Rock, in Einzelfällen dezent experimentierend: Disco Remix. Eine Stimme um Eisberge zu schmelzen; spirituell und intensiv: Die Kraft der stillen Pausen. TERRY CALLIER. Im Oktober 67jährig gestorben. Der große Unbekannte, dem man nach seinem Debüt 1964(!) eine steile Karriere voraussagte, die sich nie einstellte. Mehr als ein Jahrzehnt veröffentlichte  er kein Album, arbeitete stattdessen als Programmierer an der Universität von Chicago. Erst ein hartnäckiger DJ, der seine Songs zu Clubhits werden ließ, weckte Anfang der 90er CALLIERs musikalische Lebensgeister. Endlich fand seine Musik die Beachtung, die sie verdiente. Was ihn den Uni-Job kostete. Gut für uns. Denn in den Jahren bis zu seinem Tod entstand Album um Album, die CALLIER mit unverkennbarer Persönlichkeit anreicherte und zu einem Stoff machte, der den Raum zwischen Tag und Traum perfekt füllen kann. Gedenkminute.

Bleibt noch die Post. Die 2013 in vielen Bereichen das Porto erhöht. Mit dem Anhängsel -Rock hingegen immer häufiger als variationsarme Reproduktion eines auf Dauer begrenzten musikalischen Feldes erscheint. Doch solange es Alben wie "In Via" von den FRAMES gibt, besteht Hoffnung. Nicht wirklich innovativ oder experimentell, werden keine Soundwälle aufgetürmt und über dem Hörer zerbröselt, sondern berückende Melodien und fragile Härte nehmen gefangen. Selbst Rezitator Herrmann Hesse stört nicht, passt unpeinlich ins Konzept. Geradezu progressiv die Vergangenheit mit Wucht nach vorne gebracht, als eine Option für die Zukunft. Womit wir wieder beim (Jahres-)Anfang wären.

2011: AMPLIFIER "Octopus".

2012: CRIPPLED BLACK PHOENIX "(Mankind) The Crafty Ape"

2013: Wir warten auf das Doppelalbum in der Frühe. Startlöcher…

Lothar Hausfeld (Profil): Anfangs zäh, zwischendurch bärenstark und am Ende ein Jahresabschluss-Feuerwerk wie schon seit Dekaden nicht mehr – 2012 war aus der Sicht eines engstirnigen Scheuklappenmetallers eines der besten überhaupt. Was vor allen Dingen am Ende dieses Jahres noch auf die Hörer losgelassen wurde – YEAR OF THE GOAT, IN AEVUM AGERE, VANDERBUYST und ATTIC erschienen allesamt im Dezember und sind bombensichere Poll-Kandidaten – sprengt jedes Weihnachtsgeld.
 
Lange Zeit schien die Top-Position in meinen Jahrescharts unangefochten festzustehen: Das Debütalbum der Kiske-Hansen-Combo UNISONIC bot zwar – objektiv betrachtet – musikalisch nur wenig wirklich Weltbewegendes, dafür ging mir als Kiske-Jünger der (fast) ersten Stunde Herz und Hose auf, die Stimme schlechthin endlich wieder in einem Bandkontext zu hören. Und nach der umfangreichen Welttournee steht endgültig fest: Michael Kiske hat endlich wieder Bock auf harten Rock.
 
Trotzdem langt es für UNISONIC "nur" zu Platz zwei in der Liste der besten Alben des Jahres. Auf Platz eins rangiert "Monolith", das zweite Album der Prog-Power-Ausnahmekapelle ETHEREAL ARCHITECT. Warum eine Band dieses Kalibers keinen weltweiten Deal im Rücken hat, der ihnen die verdiente Aufmerksamkeit bringt – man weiß es nicht, und manchmal möchte  man verzweifeln, wenn man sieht (und hört), was man sonst so tagtäglich an Durchschnittlichem auf den Schreibtisch geliefert bekommt. Und was wie selbstverständlich als musikalische Sensation angepriesen wird. Dabei sind es nur wenige Alben, die in die Schublade "Sensation" gehören – "Monolith" gehört dazu.  
 
Um Platz 3 gab’s ein kräftiges Gerangel. KAMELOTs "Silverthorn", ein glänzendes Album auch ohne den bisherigen Ausnahmesänger Roy Khan, wäre ein Kandidat, KREATORs "Phantom Antichrist" ebenfalls, eine höchst melodische Abwandlung des typischen KREATOR-Sounds, oder auch "The Old Man And The Bridge", das wunderschöne Debüt der deutschen Soft-Prog-Hoffnung BEYOND THE BRIDGE wären da zu nennen. Allesamt ausnehmend starke Alben, die einen Treppchenplatz verdient hätten. Nicht zu vergessen die eingangs bereits erwähnten Alben, von denen ich letztlich "The Shadow Tower" von IN AEVUM AGERE zum Top-Album Nummer 3 dieses Jahres küre. Epic, Doom und Power Metal in Vollendung – wer CANDLEMASS mehrere Tränen nachweint, muss hier reinhören. Und wird begeistert sein. Versprochen!

Oliver Schreyer (Profil): Über das musikalische Jahr 2012 kann man eigentlich nicht meckern. Auf den ersten Blick fielen eine Menge Veröffentlichungen von namhaften Bands auf, die auch nicht enttäuschten. Vor allem im Doom-Sektor gab es das eine oder andere Highlight – allen voran die neuen Alben von MY DYING BRIDE, EVOKEN und natürlich das lang ersehnte neue Machwerk der Dänen SATURNUS. Das ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs, denn auch die neuen Tonträger von AHAB, FUNERAL, THE 11th HOUR, SWALLOW THE SUN oder ALDEBARAN waren großes Kino. Im Bereich Death Metal bläst der „Deathhammer“ von ASPHYX einfach alles weg und steht ziemlich allein auf weiter Flur – da kommt dieses Jahr wohl keine andere Band heran.

Wenn es Retrospekt um richtigen Black Metal gehen soll, ist die Auswahl fast etwas mager. Die neue FORGOTTEN TOMB-Platte "...And Don't Deliver Us From Evil" ist ein herrliches Album geworden, welches noch immer so klingt, als hätten die Italiener die Konvertierung von KATATONIA zum Düster-Müll-Rock nicht verwunden. Der Rest der schwarzen Brigade überzeugt eher im 'Beyond-Sektor' – sprich, weniger BM, dafür mehr Überraschungen. Allen voran Mr. Evil Kvarforth, der mit "Redefining Darkness" SHINING auf ein neues Level gehoben hat. Natürlich heult der ein oder andere, was das für eine poppige Scheiße wäre und dass Kvarforth nicht singen kann, aber wen interessiert’s? Die Platte ist atmosphärisch und hat Tiefe. Dass SHINING inzwischen auch mit ihrer Musik Geld machen und damit auch andere Zielgruppen, als nur die schlitzfreudigen BM-Kids erreichen will, steht da ohne Frage auch im Zusammenhang mit Veränderung.

Auch EREB ALTOR überraschten am Anfang des Jahres mit ihrem schwer an die erste BATHORY -Ära erinnernden „Gastrike“, das mehr Black Metal ist, als man es von den Epic Doomern erwartet hätte – aber dessen Songs einfach zum Besten gehören, was die Band je erschaffen hat. Daneben auf jeden Fall noch erwähnenswerte neue Alben von THE FORESHADOWING ("Second World"), ANTIMATTER ("Fear Of Unique Identity"), BARREN EARTH ("The Devil's Resolve"), CHARON ("Sulphur Seraph"), PORTA NIGRA ("Fin De Siècle") und natürlich auch "Petäjäveräjät", das neue Album der Finnen VIIKATE.

Wenn man von Enttäuschungen 2012 sprechen möchte, schlägt eigentlich nur eine Band extrem auf: – KOTATONIA – ähm, sorry: KATATONIA. Bereits ihr Auftritt auf dem Summer Breeze Festival im letzten Jahr hinterließ nur Fassungslosigkeit. Dass man das dann noch mit dem schlechtesten Album der ganzen Karriere toppen konnte, war unglaublich. Sänger Renkse macht auf fröhlichen Kasper, auf Amps verzichtet die Band völlig und man ist nicht in der Lage, auch nur einen der alten Songs so zu spielen, wie er damals aufgenommen wurde. Das war wohl das schlimmste Erlebnis 2012.

Auch haben 2012 genervt: 1 Million THE DEVIL'S BLOOD-Klone, Retro Rock Bands und der Fakt, dass jedes beschissene Label mindestens eine beschissene Klon-Band herausbringen muss. In 20 verschiedenen Vinyls, Artbooks, limited Editions – so ekelhaft, dass man sich schon schämen muss, Bands wie YEAR OF THE GOAT gut zu finden. Auch ekelhaft, in welchem Maße sich diese Bands, große Magazine und Fans gleichermaßen zu Vollidioten machen. Ein Hype, der hoffentlich in den nächsten fünf Jahren wieder aussterben wird.

Ausblicke auf 2013: Freudig darf man bereits angekündigten Veröffentlichungen von CARCASS, SUMMONING, OFFICIUM TRISTE, MOURNING BELOVETH, MANEGARM etc. entgegensehen. Hoffentlich lässt sich Pansen-Helmuth wieder einmal auf ein, zwei Festivalshows in Deutschland sehen.

Ich wünsche dem interessierten Leser jedenfalls ein genussreiches 2013 – bleibt Euch selbst treu – glaubt nicht sofort alles, was Ihr lest und macht Euch auch weiter Euer eigenes musikalisches Bild. Nicht alles ist so Scheiße wie Rock Hard, Metal Hammer oder Musikreviews behaupten, aber es gibt auch viel gequirlte Scheiße, die vor allem in den großen Magazinen völlig unnachvollziehbar in den Himmel gehoben wird.

Sascha Dummann (Profil): Große Namen haben 2012 neue Werke in die breite Masse gestreut. Auf viel konnte man sich freuen, viel durfte erwartet werden. Manches wurde erfüllt, manches enttäuscht. Da aber am Ende dieses Rückblicks nur noch möglichst wenige Alben stehen sollten, seien die für mich wichtigsten Veröffentlichungen jeweils nur sehr kurz bewertet:

Da wäre zunächst MANOWAR. Dazu hat Kollege Lothar schon alles gesagt. CANNIBAL CORPSE haben ein recht passables Werk abgeliefert, ACCEPT konnten mich dagegen nicht überzeugen. Aus deutschen Landen eine erfreuliche Überraschung: KREATOR liefern mit "Phantom Antichrist" ein ganz großes Album. Das neue LAMB OF GOD hat seinen Weg leider noch nicht in meine Sammlung gefunden, dafür konnte OVERKILL zeigen, dass die Kombo nach wie vor einiges zu bieten hat. Eine der größten "meh"s des Jahres war CALLEJONs "Blitzkreuz". Dann doch lieber ENSIFERUM, die immer noch funktionieren. EISREGEN dürften ruhig wieder ein Album mit mehr neuem Material rausbringen (die beiden neuen Songs der Kompilation haben Lust auf mehr gemacht) und nicht zuletzt haben BRUTAL UNREST und die HELLDORADOS vergangenes Jahr gute Alben abgeliefert, auch ohne große Namen.

Wäre das Thema jetzt "Bestes Hörbuch aus 2012", wäre die Antwort schnell gefunden: "Er ist wieder da" (Timur Vermes). Da es hier ja um Musik geht, abschließend in chronologischer Reihenfolge die fünf Alben, die mir am besten gefallen haben, oder auf die ich mich zumindest am meisten gefreut habe. Vorweg sei gesagt: Der ganz große Wurf ist 2012 leider keiner Band gelungen.

1. TENACIOUS D: sechs lange Jahre haben "The D" auf ein neues Album warten lassen. Dann endlich wurde das VÖ-Datum von "Rize Of The Fenix" bekannt und auch die erste Deutschlandtour angekündigt. Für ein Konzertbesuch hat es dieses Jahr zeitlich einfach nicht mehr gereicht- das Album selbst war aber schon kurz nach Release das erste Mal durchgehört. Vielleicht lag es auch an den hohen Erwartungen, vollends überzeugen konnte mich die neue Scheibe aber nicht. Sicher, ein gutes und spaßiges Album. Aber doch nicht so gut und so spaßig wie erhofft.

2. SERJ TANKIAN: legte Mitte des Jahres mit "Harakiri" ein Soloalbum nach. Allerdings könnte sich Herr Tankian von meiner Seite aus gerne wieder auf SOAD konzentrieren, gerade nachdem die Band im letzten Jahr wieder auf Tour gegangen ist. Und sein Soloprojekt hat nach "Elect The Dead" nicht wirklich überzeugen können. So auch auf "Harakiri": zu soft und zu unspektakulär.

3. AS I LAY DYING: vielleicht liegt es ja nur daran, dass der Vorgänger "Decas” mit seinen Remixen fürchterlich nervig war. Aber "Awakened" kann trotzdem richtig, richtig viel. Und das auch noch nach inzwischen knapp vier Monaten. Schade, dass der Release erst im Oktober war.

4. STONE SOUR: der erste Teil des Albendoppels "House Of Gold & Bones" folgte dann auch im späten Jahr. Auch mit neuem Basser in der Formation steht der Vierer nach wie vor gut da. Umso mehr darf man gespannt sein, wie "Part II" klingen wird. Wünschenswert wäre jedenfalls mehr Material im Stile von "RU486".  

5. PARKWAY DRIVE: wie schon 2010 findet sich auch in diesem Rückblick wieder die aktuelle Veröffentlichung der Australier. Die Breakdowns bleiben hart und unerbittlich, die Riffings treibend und die Musik im Gesamten mitreißend und fügt sich nahtlos an die Qualität von "Deep Blue" an.

Andreas Schulz (Info)