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Interview mit Phideaux (24.03.2006)

Phideaux
Hallo Phideaux! Wo bist du grad und was siehst du, wenn du aus dem Fenster schaust? Hallo Nils – und hallo Idioglossia Leser. Ich bin zuhause an meinem Arbeitsplatz und schaue auf die Straßenkreuzung vor meinem Haus. Ich wohne in einem Bezirk von Hollywood Kalifornien, der sich Los Feliz nennt. Meistens ist hier eine Menge Verkehr – vor allem wenn die Schule aus ist. Die Leute auf der anderen Straßenseite haben große Häuser – die machen wahrscheinlich eine Menge Kohle! Laß uns über Musik reden. Zwischen 2004 und 2006 hast du fünf Alben herausgebracht – was ja eine ganze Menge ist – hast du einfach zu viel Zeit oder bist du einfach ein Workaholic? :-) Wie ist es möglich, in nur drei Jahren fünf Alben aufzunehmen? Nun, „Fiendish“ wurde bereits 2002 aufgenommen und wir wollten es zuende bringen. Ich fand es furchtbar, daß der Sound schlecht war, vor allem, wenn man bedenkt, wieviel Mühe und Liebe wir in dieses Album gesteckt haben. Um diese Zeit starb mein Vater, und das hat mich für einige Zeit ganz schön runtergezogen. Dann suchte ich nach jemandem, der mir beim Mix des Albums helfen würde. Ich stieß auf Neil Citron (der schon mit Lana Lane/Eric Norlander gespielt hat und für Steve Vai gemastert hat). Er hat die meisten Tracks auf „Fiendish“ abgemixt und auch Bass gespielt. Außerdem bin ich wieder mit Gabriel Moffat in Kontakt getreten, der Mann, der mein Producer werden sollte. Gabe hat das Album fertiggestellt und 2003 wurde es schließlich veröffentlicht (das copyright wurde aber auf 2004 gesetzt, damit es eine etwas längere „Haltbarkeit“ in den Regalen hatte). „Ghost Story“ – das zweite Album – wurde schon vor „Fiendish“ im Jahre 1999 begonnen, wurde aber nicht zuende gebracht. Die tolle Arbeit mit „Fiendish“ und Gabriel Moffat hat mich dazu gebracht, die Aufnahmen für „Ghost Story“ zuende zu bringen. Wir haben hart gearbeitet und haben ganze Teile neu aufgenommen, um das Album auf Zack zu bringen. Viele Songs kamen dazu, andere wurden wieder rausgenommen, bevor das Album Mitte 2004 rauskam. Es ist eine Art von Philosophie von mir, daß Alben nicht länger als 50 Minuten dauern sollten. Deshalb waren nach „Fiendish“ und „Ghost Story“ jede Menge Songs übrig. Deswegen ist „Chupacabras“ ein Album, das aus Material besteht, das wir aufgenommen, aber während der vorangegangenen Aufnahmen nie vollendet haben. Außerdem war es eine Chance, etwas ungewöhnlichere und persönlichere Musik zu machen. In der Zeit bevor „Chupacabras“ fertig wurde, hatten wir Lust auf etwas Spontanes, das einfach Spaß machte. Am 13. März 2004 habe ich alle Bandmitglieder um 6 Uhr morgens ins Studio eingeladen. Wir wollten ein Album an nur einem Tag aufnehmen. Keiner der Songs war geschrieben und wir haben nicht geprobt. Wir sind bis 6 Uhr abends des nächsten Tages im Studio geblieben. Wie auch immer – am Ende dieses Marathons haben wir nichts wirklich fertig bekommen. Also haben Gabe und ich das Projekt erstmal wieder auf Eis gelegt und sind zu „Chupa“ zurückgekehrt. Ungefähr 6 Monate später waren wir soweit und sind zu „313“ zurückgekehrt und überlegten, was davon zu gebrauchen war und was nicht. Währenddessen schrieb ich mit meinem Schlagzeuger und Hauptpartner, Rich Hutchins, an den nächsten beiden Alben „The Great Leap“ und „Doomsday Afternoon“. Nach einer Ewigkeit, wie mir scheint, mixen wir nun „The Great Leap“. Das Album wurde zwischen April 2005 und Januar 2006 aufgenommen. Es wird wahrscheinlich im Mai oder Juni 2006 rauskommen. Wenn wir mit dem Mix fertig sind, werde ich meine Aufmerksamkeit auf die Fertigstellung von „Doomsday Afternoon“ richten – unser bisher progessivestes Konzept Album. Obwohl es also so aussieht, daß wir fünf Alben in drei Jahren produziert haben, waren es doch eher fünf Alben in fünf Jahren (entschuldige diese lange, verwickelte Geschichte). Seit 1996 arbeitest du mit Rich Hutchins (Schlagzeug) zusammen – er lebt in New York, du lebst in L.A. Auf deiner Website steht, daß ihr beide hauptsächlich über eMail und Telepathie kommuniziert. Kannst du das etwas näher erklären? Man könnte das eher als Teleportation beschreiben. Ich komme aus NYC und lebe in L.A. Wenn wir aufnehmen, tun wir das entweder in der einen oder anderen Stadt. Proben und Songwriting Sessions finden meistens in NYC statt – und über Post zwischen NYC und L.A. Ich pendel immer einige Monate bevor wir aufnehmen. Dann nehmen wir in ein, zwei Wochen die „basic tracks“ auf. Danach werden Arrangements und Ideen über eMail und Telepathie ausgetauscht. Wenn das Album dann Formen annimmt und der Mix ansteht, kommt Gabriel Moffat nach L.A. Rich spielt noch in vielen anderen Projekten in NYC, momentan mit „The Hungry Marching Band“, einer echten Blaskapelle, wo er Snare Drum spielt. Dein erstes Album unter dem Namen “Phideaux” hieß “Friction” und wurde 1992 veröffentlicht. Dann hat es ganze 12 Jahre gedauert, bis zum nächsten Album (“Fiendish”). Was hast du in all der Zeit gemacht? Mein „erstes” Album war ein Versuch, verschiedenes Material zu einem Konzeptalbum zusammenzustellen, bei dem es um die 22 Tarot Karten und die vier Jahreszeiten ging. Es war eine Menge Enthusiasmus vorhanden, aber die Aufnahmen waren nicht so großartig und litten an mieser Aufnahmetechnologie und meinen im Allgemeinen eher schlechten technischen Fähigkeiten. Unser Stil war auch noch nicht so klar umrissen. Aber aus diesen Erfahrungen entstand eine Live Band, die akustisch auftrat und aus Violine, Flöte, Gitarre, Bass und Schlagzeug bestand. „The SunMachine” trat für etwa drei Jahre in New York auf. Dabei hat sich jede Menge Material angesammelt, das wir aufzunehmen versuchten. Wie auch immer, die Tracks haben wir erstmal zurückgelegt, weil sie einfach nicht die Power hatten, die mir vorschwebte. Manchmal vermißte ich es einfach, mit einem richtigen Drummer aufzunehmen. Außerdem befand ich mich in einer Art musikalischer Flaute (Mitte der 90er) und konzentrierte mich auf meine Karriere in der TV Produktion. In dieser Zeit traf ich Rich Hutchins, meinen Schlagzeuger, und begann, ein paar heftigere Sachen mit ihm zu schreiben. Dann eines Nachts, als ich durch die Straßen von New York ging, hatte ich eine Art von mysthischer Erfahrung, als ich diesen Wunsch verspürte, heftigere, rockigere Songs zu bringen. Kaum war ich in meinem Appartment zurück, holte ich meine Gitarre raus und schrieb vier Songs, die wir später für „Ghost Story” aufnahmen (Everynight, Ghostforest, Come Out Tonight, Universally). Das ist der Grund, warum ich in den Credits immer schreibe „Discovered by Phideaux Xavier”. „The SunMachine” löste sich wegen zu wenig Interesse auf und Rich und ich mühten uns ab, ein paar Musiker zu finden, die uns dabei helfen würden, unseren neueren, heftigeren Sound umzusetzen. Ein befreundeter Sänger arbeitete mit zwei Gitarristen (Rick Robertson und Matt Burns) und schlug vor, daß Rich und ich mit ihnen zusammenarbeiten sollten. Ich wurde der Bassist und für einige Jahre setzte ich mich sozusagen auf den Rücksitz eines anderen Projekts, eine Postpunk Band namens „Satyricon”. In dieser Zeit schrieben Rich und ich „Ghost Story” und haben mit den Aufnahmen begonnen. Letztendlich wurden diese Aufnahmen alle verworfen - ich zog nach L.A. und gab die Musik auf. In dieser Zeit entdeckte ich eine ganz neue Welt aus Progressive und Psychedelic Rock, die mich sehr inspirierte (Ayreon, Dream Theater, Discipline, Porcupine Tree, Marillion, Arena, Supergrass, Boedekka). Ich verbrachte die nächsten Jahre damit, alles zu hören und zu kaufen, was mir in die Finger fiel – außerdem entdeckte ich die großartige Welt der progressiven italienischen Musik der 70er. Kurz nach dem September 2001 entschied ich, daß ich, wenn ich wirklich meine Musik aufgeben sollte, ein letztes Album aufnehmen müßte, das einfach die Art von Musik enthielt, die ich liebte. Ich heuerte den Produzenten Kramer an (der in Indie Kreisen bekannt ist und mit verschiedenen Künstlern wie Daevid Allen und der Danielson Family zusammengearbeitet hat) und kam zurück nach New York, um mich erneut mit Rich zusammen zu tun. Eigentlich fragte ich meinen Lieblings Songwriter Matthew Parmenter mich zu produzieren, aber der hat freundlich abgelehnt! Rich und ich probten Anfang 2002 und namen „Fiendish” in New York zusammen mit Kramer und David Gervai auf. Nach dieser Erfahrung kehrte meine Inspiration zurück und ich entschied, weiterhin Alben aufzunehmen. Alle deine Alben weisen unterschiedliche Musik Stile auf – würdest du sagen, daß das Teil der Defintion progressiver Musik ist? Diese stilistische Bandbreite? Jedes Album hat seinen eigenen Sound, seine eigene Identität. Ich suche immer noch nach Sounds, die in meinem Kopf herumspuken. Ich habe einen sehr breit gefächerten Geschmack, deswegen ist es schwer für mich, wirklich völlig „Progressive” oder völlig „Punk” oder vollständig „Metal” oder „Folk” zu sein. Ich liebe Musik, die dich überrascht. Es muß frustrierend für Leute sein, die nur einen bestimmten Sound wollen, aber ich hoffe, diese Leute können den Spaß, den Humor und die Melodie in unserer Musik spüren. Letztlich präsentieren wir bloß Songs. Wir lieben Instrumentierungen und Arrangements und mitreißende Breitwand Sounds. Manchmal sind es Genesis, die uns leiten, manchmal inspiriert uns Morricone and manchmal nehmen wir Joy Division und David Bowie als unsere Musen. Glaubst du, die USA sind ein guter Platz, um progressive Musik zu schreiben? Gibt es irgendetwas Besonderes über die Prog Szene in den USA zu berichten? Ich kann nicht wirklich über die „Szene” sprechen, denn ich bin eine Art von Einsiedler. Ich bin mit der Szene über das Internet verbunden. Wahrscheinlich sehe ich Europa als eine Art goldene Oase der progressiven Musik und Aufgeschlossenheit. Wie auch immer, es gibt einige erstaunliche Musiker in den USA und eine gedeihende Gemeinschaft von Prog Fans und Musikern… wenn ich sie nur dazu bringen könnte, meine Musik zu hören! :-) Gibt es irgendwas, das du uns über dein neues Album “Doomsday Afternoon” erzählen kannst? Der Albumtitel klingt ziemlich düster … Dieses Album ist unsere Version von „Animals” (Pink Floyd – d.V.) oder „A Passion Play” (Jethro Tull – d.V.). Es ist aufgebaut wie eine Geschichte mit zwei Seiten. Die erste Seite ist letztlich ein einziger langer Song. Die zweite Seite beginnt mit einem Longtrack, geht dann in ein langes instrumentales „freak out” Stück über, das einige Themen der ersten Seite wieder aufnimmt und damit endet, das Thema wieder aufzugreifen, mit dem Seite eins beginnt. Die Story/das Konzept bezieht sich grundsätzlich auf Umweltfragen, soziale und politische Themen. Vielleicht sind wir ja grad im „afternoon” des „doomsdays”. Wer weiß schon, wo die Menschheit sich grad befindet. Abgedroschenes Zeugs vielleicht, aber äußerst wichtig und auch düster, ich glaube, daß es auch einige spaßige Songs innerhalb dieser Suite gibt – und wir planen, ein mittelgroßes Kammerorchester über das ganze Album einzusetzen. Für mich featured jedes Album ein spezielles Instrument. „Fiendish” hatte seine Oboen, Theremine und akustischen Gitarren. „Ghost Story” war Rock Gitarre und Orgel. „Chupacabras” war Mellotron, instrumental Passagen und progresssssssive Rock. Und „313” war ein Piano lastiges Album mit kurzen Songs. „The Great Leap” ist ein Nachfolger zu „Ghost Story” mit einer Betonung auf ROCK MUSIK, aber mit ungewöhnlichen Instrumenten und „Doomsday Afternoon” ist das orchestrale Album. Was ist deiner Meinung nach die unterbewerteste Band überhaupt? Und warum? Nun, da gibt es Bands, die historisch unterbewertet wurden. Letztens entdeckte ich „Locanda delle Fate”, und ich konnte nicht glauben, daß sie, bei all der Schönheit ihres ersten Albums, nicht auf der ganzen Welt beachtet werden. Bezogen auf aktuelle Musik gibt es zwei Bands die mag. Sie finden beide Beachtung, aber meiner Meinung nach nicht genug. Das wäre einmal Arjen Lucassen (u.a. Ayreon – d.V.), der zugegebenermaßen grad sehr populär ist und Mathew Parmenter von Discipline. Matthews Musik ist so aufwühlend, es bringt mich fast dazu, meine eigenen Aufnahmen zu vernichten. Seine Musik ist gut und rein, schockierend und detailliert. Ich könnte weinen, wenn ich einige seiner Tracks höre. Glücklicherweise höre ich kaum Musik, wenn ich meine eigenen Projekte durchziehe, sonst wäre ich gar nicht in der Lage irgendetwas hinzubekommen, weil ich dauernd vergleichen würde und stets das Gefühl hätte, ich würde den Kürzeren ziehen. Vielen Dank für deine Zeit! :-) Ich danke dir auch – und danke für dein Interesse an unserer Musik!
Nils Herzog (Info)
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